Neben den beiden Gewinnerinnen des UNICEF Foto des Jahres 2024 Awards und den zweit- sowie drittplatzierten Fotografinnen und Fotografen werden in der Peter und Pauls Kirche in Zingst noch bis Ende Oktober auch die mit einer „Eherenvollen Erwähnung“ ausgezeichneten Arbeiten der Wettbewerbsteilnehmer zu sehen sein. Peter Matthias Gaede, langjähriger Chef der Zeitschrift GEO und Jury Mitglied des Wettbewerbs hat die einzelnen sensiblen, teils aufrüttelnden Arbeiten kommentiert.
Valerio Bispuri, Italien
Sambia, Argentinien: Eine Kindheit ohne Eltern

© Valerio Bispuri
Sind es etwa 140 Millionen weltweit, wie die Vereinten Nationen schätzen? Sind es mehr? Zur Zahl der Waisenkinder gibt es keine verlässlichen Informationen, denn in vielen Ländern fehlen statistische Erhebungen zu jenen Jungen und Mädchen, die das Stigma des Verlassenseins tragen. Es ist nicht immer der Verlust von Vater oder Mutter oder beiden, der Kinder zu Halb- oder Vollwaisen macht. Das war in afrikanischen Ländern südlich der Sahara eine Zeit lang vor allem durch die HIV-Epidemie der Fall.

©Valerio_Bispuri
Aber auch zerrüttete Familien mit mangelnder Hinwendung, Verwahrlosung, Gewalt, Missbrauch und Armut machen Kinder zu Verstoßenen, zu Verlorenen. Der italienische Fotograf Valerio Bispuri hat bei seinen Reportagen in Afrika und Lateinamerika auch immer wieder Waisenhäuser besucht, zunächst in Kenia, dann ausführlicher in Sambia und in Argentinien, das seine zweite Heimat geworden ist. In Sambias Hauptstadt Lusaka war er als erster Fotoreporter im „Horne of Happiness“, das vor einigen Jahren für Waisenkinder mit heftigen physischen und mentalen Beeinträchtigungen gegründet wurde. In Buenos Aires fotografierte er in zwei Waisenhäusern. Dazu in beiden Ländern auch Straßenkinder, die gänzlich ohne Heim sind. Bispuri arbeitet ganz bewusst jenseits der Nachrichtenströme. Ihm geht es, wie er sagt, um die „Unsichtbaren“. Um jene, die so unbeachtet und vergessen leben, als seien sie „never born“. Nie geboren.

© Valerio Bispuri, Italien Aus der Austellung in der Peter + Pauls Kirche in Zingst
Der Fotograf: Valerio Bispuri, Italien
Valerio Bispuri, 1971 in Rom geboren, arbeitet seit 2001 als Fotojournalist für große Medien in Europa und den USA. Seine Schwarz-Weiß-Reportagen, mit internationalen Auszeichnungen geehrt, sind intensive und schmerzhafte Erkundungen der dunklen Seiten der Welt. Über zehn Jahre hinweg dokumentierte Bispuri 74 Frauen- und Männergefängnisse in Lateinamerika. Noch länger folgte er dem Schicksal eines Drogenabhängigen. Frauenhandel ist ein weiteres Thema von Bispuri. Viele seiner Projekte sind zu Büchern geworden.
Patricia Krivanek
Äthiopien: Wenn ein Junge nicht mehr spricht

„Angst fühlt sich an, als wäre man allein, egal wo man hingeht oder was man tut. Es fühlt sich an, als würde dich niemand mögen. Es fühlt sich an, als ob man etwas Schlechtes ist und völlig ignoriert wird, und es ist wirklich beängstigend, wenn man nicht weiß, was es ist.“ © Patricia Krivanek
Mit seinen Eltern, mit seinem Bruder hat Milo geredet, seit er sprechen kann. Außerhalb der Familie aber verstummte er komplett. Er war sechs Jahre alt, als die Diagnose kam: selektiver Mutismus, ein vermutlich genetisch bedingter, angstbesetzter Sprechabbruch in sämtlichen Situationen außerhalb der familiären Geborgenheit. Munter und redselig zuhause, brachte der Junge kein Wort mehr heraus, sobald er auf andere Menschen traf. Eine Notlage, in die nach Schätzungen etwa eines von hundert Kindern geraten kann. Milos Mutter, die kanadisch-mexikanische Fotografin Patricia Krivanek, für die der Befund so schockierend wie aufrüttelnd war, überlegte sich, wie sie ihrem Sohn Brücken bauen und ihn aufschließen konnte.

Aus der Ausstellung UNICEF Foto des Jahres in Zingst. Tableau von Patricia Krivanek Kanada.
Sie schenkte ihm eine einfache Kamera, die ihm helfen sollte, seine Emotionen zu zeigen. Sich mit visueller Sprache auszudrücken. Zugleich fotografierte sie auch ihn und bat ihn aufzuschreiben, was er dachte. „Between the silence“, zwischen dem Schweigen, oder: zwischen „Licht und Düsternis, Spaß und Verzweiflung, Klang und Stille“ nennt sie das gemeinsame Projekt, das ihrem Sohn tatsächlich geholfen hat, eine Furcht loszuwerden, die betroffene Kinder oft bis ins fortgeschrittene Schuljahr begleitet. Krivanek beschreibt dies als „Therapie für beide“, gegen die Scheu und für die Verständigung habe sie Milo mit der Kamera „bewaffnet“ stärker gemacht.

Nebeneinandergestellt beschreibt der 7-jährige Milo auf der rechten Seite eine seiner größten Ängste, während der 9-jährige Milo den Welpen umarmt, den wir adoptiert haben, um ihm zu helfen, seine Angst zu überwinden. SM und Ängste im Allgemeinen sind mit der richtigen Unterstützung behandelbar. © Patricia Krivanek
Die Fotografin: Patricia Krivanek, Kanada-Mexiko
Patricia Krivanek, 1985 geboren, hat einen Master an der Universität Amsterdam zum Thema Kinderrechte und zuvor ein Bachelor-Studium in Anthropologie an der University of British Columbia in Vancouver absolviert. Sie hat in 18 Ländern gelebt und gearbeitet und wohnt gegenwärtig in Addis Abeba. Als Fotografin befasst sie sich vor allem mit der Lebenssituation von Frauen und Kindern. Ein künstlerischer Umgang mit der Fotografie, assoziativ-poetisch, ist ein Schwerpunkt ihrer Arbeit, ein anderer ihr Engagement im Auftrag der Vereinten Nationen, für die sie unter anderem in Malaysia und Somalia, in Dubai und Afghanistan, in Nicaragua und Vietnam tätig war.
Vincent Boisot
Nigeria: Ein Tanz in das Selbstbewusstsein

Beauty Omondiagbe (17 Jahre alt), Tänzerin an der Leap of Dance Academy, posiert in der Nähe der Schule. Die 2017 in Ojo am westlichen Stadtrand von Lagos in Nigeria gegründete Leap of Dance Academy ist eine Ballettschule, die im Haus ihres Gründers untergebracht ist und in der rund dreißig junge nigerianische Tänzer im Alter von 10 bis 22 Jahren ausgebildet werden. © Vincent Boisot
Auch fern der Ballettschulen in den Metropolen, auch abseits des polierten Parketts, auch dort, wo das durchschnittliche Monatseinkommen der Menschen bei etwa 200 Euro liegt – gibt es Mädchen und Jungen, die sich in grazilen Pirouetten üben und die Schwerkraft in wunderbaren Luftsprüngen überwinden. Zum Beispiel in Lagos, der Hauptstadt Nigerias. Dort hat der Ballettlehrer Daniel Ajala etwa 20 Mädchen und Jungen im Alter von zehn bis 22 Jahren in einem Ensemble für klassischen Tanz versammelt. Sie üben im Freien, auf einem von Stacheldraht geschützten Hof, auf unebenem Grund, vor Hitze und Regenschauern gleichermaßen ungeschützt und von Hühnern begleitet.

Die jungen Tänzerinnen Nancy Duru, Mercy Edoho und Angel Olawale üben die Grand Jete während einer Probe an der Leap of Dance Academy. © Vincent Boisot
Die „Dance Academy“ von Lagos! Gründer Ajala, Absolvent der Lagos State University, startete seine eigene Akademie mit fünf Kindern aus dem Viertel. Einern Viertel, das nur einige Stunden am Tag eine Stromversorgung hat, bewohnt von armen Familien, in denen das Tanzen in einem Ballett ein fremder Luxus war. Trotzdem verfing die Idee, Kinder in eine andere Perspektive hineintanzen zu lassen. Es helfe ihnen, das ist die Überzeugung inzwischen nicht nur von Ajala, „sie aufstehen zu lassen, ihre Stimme zu erheben und sich zu verteidigen“.

Tableau der Bilder aus der Serie „Tanz in das Selbstbewußtsein“, UNICEF Foto des Jahres 2025; Ehrenvolle Erwähnung. © Vincent Boisot
Der Fotograf: Vincent Boisot, Frankreich (Riva Press)
Vincent Boisot, Jahrgang 1973, lebt in Paris und ist ein Porträt- und Reportagefotograf, der unter anderem auch für NGO’s arbeitet. Nach einem Studium von Jura und Politikwissenschaft begann er für Pariser Zeitungen als Fotograf zu arbeiten. Seine Reportagen, vornehmlich in Afrika entstanden, sind in den großen französischen Medien erschienen, wurden außer in Frankreich auch etwa in Dänemark und den USA ausgestellt. 2012 erhielt Boisot einen World Press Photo Award für eine Fotogeschichte über die Dakar Fashion Week.
lvor Prickett
Sudan: Die unbeachtete Tragödie

Adre, Tschad – Ein Mann mit einer Peitsche versucht, eine Menge sudanesischer Kinder unter Kontrolle zu bringen, die sich bei einer improvisierten Hilfsgüterverteilung am Rande des Flüchtlingslagers Adre drängelten, um Lebensmittel zu erhalten. © Ivor Prickett
Fern der Schlagzeilen spielt sich eine der größten humanitären Katastrophen der Gegenwart im Sudan ab. Acht Millionen Menschen, vermutlich noch mehr, sind dort auf der Flucht vor den Fronten eines seit 2023 tobenden Kriegs in dem ostafrikanischen Land. Rund 730.000 Kinder sind so schwer mangelernährt, dass ihr Leben in unmittelbarer Gefahr ist. Die Kriegsparteien setzen den Hunger gezielt als Waffe ein, indem sie Bauern plündern, Tiere stehlen, Wasserquellen kontrollieren. Schulen und Gesundheitsposten werden zerstört, Kinder für den Kampf zwangsrekrutiert, sexuelle Gewalt gegenüber Mädchen ist verbreitet. Die internationale Aufmerksamkeit auf dieses Drama zu lenken, ist Ziel des irischen Fotografen lvor Prickett, der Elend, Unterernährung, Flucht und Verzweiflung im Sudan dokumentiert. Einem verheerten Land, in dem sich UNICEF trotz aller Hindernisse bemüht, Medikamente, medizinisches Equipment, sauberes Wasser und andere Hilfsgüter, dazu therapeutische Spezialnahrung für entkräftete Kinder zu liefern. Die UNICEF-Teams halten unter allen Gefahren vor Ort aus.

Ivor Prickett UNICEF Foto des Jahres 2024, Ehrenvolle Erwähnung für die Serie „Sudan, die unbeobachtete Tragödie © Ivor Prickett“
Der Fotograf: lvor Prickett, Irland (Panos Pictures; für New York Times)
lvor Prickett, Jahrgang 1983, blickt als Fotograf auf Erfahrungen in vielen wichtigen Konflikten der neueren Zeit zurück. Er war Zeuge der Kriege im Irak und in Syrien, des „arabischen Frühlings“ in Libyen und Ägypten, hat über Monate exklusiv für die New York Times vom russischen Überfall auf die Ukraine berichtet. Ausgezeichnet bei den größten Foto-Wettbewerben der Welt, wurden seine Bilder an berühmten Orten wie dem Victoria and Albert Museum in London ausgestellt. Prickett arbeitet auch für das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR.
Jerome Gence
Frankreich: Kinder, die in Handys kriechen

Teenager zeigen ihre Apps. Soziale Medien und Videospiele beherrschen das Leben junger Menschen und dringen in ihr Privatleben und ihre persönlichen Beziehungen ein. Smartphones können ihr Tagebuch, ihr bester Freund und eine Aufzeichnung der Vergangenheit sein, vielleicht aber auch ihr schlimmster Feind.
©Jérôme Gence
Das omnipräsente Smartphone, begehrt schon von Kleinkindern, beschäftigt mittlerweile auch Wissenschaft und Medizin. Und dies zu Recht. Denn negative Auswirkungen auf Psyche, soziale und kommunikative Kompetenzen sowie auf die Lernfähigkeit sind kaum noch umstritten. Einzelne Hirnforscher sprechen bereits von „digitaler Demenz“, andere plädieren deshalb dafür, Handys wenigstens im Grundschulalter noch zu verbieten, um erst einmal analoge, also direkte menschliche Begegnung in den Mittelpunkt zu stellen. Der französische Fotograf Jerome Gence hat Zahlen dazu gelesen: etwa, dass Kinder und Jugendliche in Frankreich täglich drei Stunden auf ihr Handy starren, auf dem sie über 230 Nachrichten pro Tag erhalten. Dass 50 Prozent der französischen Familien das Handy auch während des gemeinsamen Essens benutzen. Dass die Weltgesundheitsorganisation davor warnt, Kindern unter drei Jahren ein Smartphone in die Hand zu drücken, weil dies zu Schlafstörungen führen könne. Und nur 13 Prozent der Eltern die Empfehlung beherzigen. Und dass die Handy-Manie selbst ein Land wie Nepal ergriffen hat. Momente dieser Sucht hat er in „The screen generation“ eingefangen.

Aus einer 2023 veröffentlichten Studie des Observatoire Cetelem geht hervor, dass französische Familien nach wie vor gerne gemeinsam essen, aber 50 Prozent der Befragten gaben an, während des Essens einen Bildschirm zu benutzen. Ernährungswissenschaftler sagen, dass dies die Wahrnehmung der Sättigung beeinträchtigt, da die Konzentration mehr auf den Bildschirm als auf die Mahlzeit gerichtet ist. Infolgedessen neigt man dazu, mehr zu essen und an Gewicht zuzulegen. ©Jérôme Gence
Der Fotograf: Jerome Gence, Frankreich (Panos Pictures)
Jeröme Gence, Jahrgang 1984, wuchs im französischen Übersee-Department La Reunion auf. Er studierte in Paris und arbeitete zunächst als Daten-Analyst. 2013 kam er zur Fotografie, behielt dabei sein Interesse an den virtuellen Welten, auch wenn er sehr bald mit tatsächlichen Katastrophen wie einem Erdbeben in Nepal konfrontiert war. So handelt eine seiner berühmt gewordenen Reportagen vom Erfolg virtueller Popstars auf japanischen Bühnen, also Hologrammen, die nur projiziert werden, denen aber von Tausenden begeisterter Fans im Saal live zugejubelt wird.
Ziv Koren
Israel: Yael war stärker als der Terror

24. Oktober 2023 – Ramat Gan, Israel. Das Baby Yael Golan (1,5) mit 30 Prozent Verbrennungen wurde am 7. Oktober zusammen mit ihren Eltern in Kfar Aza verletzt. Ihre Mutter Elay Hogeg Golan (33), Md., liegt mit 60 Prozent Verbrennungen auf der Intensivstation unter Narkose, ihr Vater, der Sozialarbeiter Ariel Golan (34), hat ebenfalls 60 Prozent Verbrennungen. © Ziv Koren (Polaris Images)
Als am 7. Oktober 2023 Hamas-Kämpfer nach Israel eindringen und dort mehr als 1.200 Menschen ermorden, attackieren sie auch das Haus der Familie Golan im Kibbuz Kfar Aza. Elai Hogeg und ihr Mann Ariel versuchen dort, sich mit ihrer anderthalbjährigen Tochter Yael zu verstecken. Vergeblich, sie werden nicht verschont. Das Überfallkommando steckt ein Zimmer in Brand und wirft einen geöffneten Butangas-Zylinder in das Feuer. Der Brand greift auf das gesamte Haus über. Mit schwersten Hautverletzungen rettet sich das Ehepaar mit seinem Kleinkind aus einem Fenster, flieht zu Fuß bis zu einer Station, wo ein Auto die Familie zu einem Hubschrauber-Landeplatz fährt.

Aus der Austellung UNICEF Foto des Jahres, fotografien von ZIv Koren aus der Serie „Yael war stärker als der Terror“.
In einer Klinik in Tel Aviv werden die drei Patienten in getrennten Räumen in ein künstliches Koma versetzt: das Mädchen, dessen Haut zu 30 Prozent von Brandwunden übersät ist, für acht Tage. Der Vater, noch schwerer verletzt, für zehn Tage. Die Mutter, die es am furchtbarsten getroffen hat, für 53 Tage. Der israelische Fotograf Ziv Koren hat den Überlebenskampf der Familie Golan ausführlich begleitet: die Zeit im Krankenhaus, in der sich Großeltern um die kleine Yael kümmern mussten, weil die Eltern es nicht konnten. Und dann jene Zeit, in der die Familie ihr körperliches Trauma allmählich überwand. Bis zu jenem Moment, als die Golans erstmals in ihr völlig zerstörtes Haus zurückkehrten – und darin nicht viel mehr als ein Bild aus glücklicheren Tagen fanden. Es ist die Geschichte einer Heilung, die fern von einem Happy End ist. Die Rettung des nackten Lebens; mehr noch nicht.

©Ziv Koren/Polaris
Der Fotograf: Ziv Koren, Israel (Polaris Images)
Ziv Koren, Jahrgang 1970, hat sich als Fotoreporter „ harter“ Themen einen Namen gemacht. So berichtete er von Naturkatastrophen wie dem Tsunami in Südostasien 2004 und einem Erdbeben in Haiti ebenso wie von Betroffenen der HIV-Epidemie, aus Gefängnissen wie aus dem Leben unter der Armutsgrenze. Im Mittelpunkt aber stehen für ihn seit zwei Jahrzehnten die Konflikte zwischen Israel und den Palästinensern. Korens Arbeiten sind außer in Israel auch in den führenden Zeitschriften Westeuropas und der USA erschienen. Mehrmals wurde Koren mit internationalen Auszeichnungen geehrt; sein Werk ist bereits in über 20 Fotobüchern erschienen.
Saher Alghorra
Gaza: Es ist nicht ihr Krieg
Erwachsene haben den Krieg begonnen, nur Erwachsene könnten ihn beenden. Bis sie es eines Tages tun werden, leiden auch die Unschuldigsten: die Kinder. Und in Gaza leiden sie besonders brutal. Nach Angaben des UN-Menschenrechtsbüros, das für den Zeitraum November 2023 bis Ende August 2024 mehr als 8100 Todesfälle verifiziert hat, sind 70 Prozent davon Frauen und Minderjährige gewesen, die meisten von ihnen zwischen fünf und neun Jahre alt, danach die Altersgruppe der Zehn- bis 14-Jährigen. Tausende von ihnen sind vermutlich unter den Trümmern bombardierter Wohnhäuser begraben oder in Massengräbern verscharrt. Unzählige Kinder sind kriegsverletzt und verstümmelt.

3. März 2024, Gaza. Wasserkrise in Gaza: Ein palästinensisches Kind steht an einer Tankstelle Schlange, um Wasser zu holen. Die Bevölkerung leidet unter Wassermangel, weil die israelische Armee die Wasserressourcen blockiert. © Saher Alghorra
Der palästinensische Fotograf Saher Alghorra hat die Erbarmungslosigkeit des Krieges in herzerschütternden Bildern eingefangen: Kinder auf der Flucht auf staubigen Straßen. Zu Skeletten abgemagert. Blutend auf den Kacheln eines Krankenhauses. In Warteschlangen für Lebensmittel oder Trinkwasser. Beim Abschied von getöteten Eltern. Oder selber auf dem Totenbett. In einigen Bildern will Alghorra aber auch zeigen, wie selbst inmitten von Chaos und Horror Kinder die Kraft haben, uns Hoffnung zu lehren.

Mehrere Märtyrer und Verletzte kommen im Al-Aqsa-Märtyrer-Krankenhaus an, nachdem ein Haus der Familie Aqal im Lager Nuseirat und ein Haus der Familie Al-Rai im Osten von Deir Al-Balah angegriffen wurden. Ein junges Mädchen wird in das Krankenhaus gebracht. Während Kinder normalerweise vor Schmerzen schreien, steht das Mädchen unter Schock und gibt keinen Laut von sich. 12. Juli 2024. © Saher Alghorra (Zuma Press)
Der Fotograf: Saher Alghorra, Gaza, Palästina (ZUMA Press)
Saher Alghorra, 1997 in Gaza City geboren, hat an der Palestine University in Zahraa einen Abschluss in Medienwissenschaft, Public Relations und Fotografie erworben. Seit sein Vater ihm 2017 eine Kamera schenkte, ist er passionierter Fotograf. Seit 2021 arbeitet er professionell; seine Reportagen wurden unter anderem im britischen Guardian und The Telegraph veröffentlicht. 2023 wurde eines seiner Bilder vom Time Magazine zu den 100 wichtigsten Fotos des Jahres gewählt. Im selben Jahr erhielt er mehrere Preise bei internationalen Wettbewerben.

22. Juli 2024, Gaza, Khan Yunis, Palästinensische Ziele: Tausende von palästinensischen Familien flüchteten aus der Stadt Khan Yunis im Osten des Landes, nachdem die israelische Armee ihnen mit Vertreibung gedroht hatte. © Saher Alghorra
Das Kindeswohl ist eines der Nachhaltigkeitsziele der UN. Durch medizinische Fortschritte und gesündere Ernährung wäre die Gesellschaft diesem Ziel bereits deutlich näher gekommen. Leider machen Kriege und auch menschengemachte Umweltkatastrophen das Erreichte weitgehend wieder zunichte. Der UNICEF Foto des Jahres Wettbewerb legt seit 25 Jahren den Fokus auf das Leid wehrloser Kinder. Er zeichnet Fotografen und Fotografinnen aus, die ihren Fokus auf das Elend aber auch auf den Kampf für gegen dieses Leid legen. Viele von Ihnen unter Lebensgefahr.