Der Photoindustrie-Verband e.V. (PIV) will sich auflösen. Über die Gründe schweigen sich der geschäftsführende Vorstand, Christian Müller-Rieker und der Pressereferent Dr. Patrick Kohlas aus. Sie haben die Verbandsmitglieder für den 11. März 2024 zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung geladen, die zum Thema hat, die Abwicklung und Liquidation des PIV zu beschließen. Erst danach will man die Gründe in einer Pressemeldung bekanntgeben. Mit dieser Entscheidung wird eine über 120 Jahre alte Institution zu Grabe getragen. Die Totengräber sind die verbliebenen knapp 30 Mitgliedsfirmen der Fotobranche selbst.
Über 70 Jahre war der Verband im Nachkriegsdeutschland nicht nur das Sprachrohr und die Interessenvertretung einer erfolgreichen deutschen Fotoindustrie; er war auch Mitveranstalter und zuletzt noch ideeller Träger der photokina. Die in ihren Glanzzeiten größte Fotomesse der Welt, hat auch den Löwenanteil zur Finanzierung des Verbandes und seiner Aktivitäten beigetragen. Schon bald öffnete sich der Verband auch den immer stärker an Bedeutung gewinnenden internationalen Fotofirmen, von denen viele in dem Branchentreffen den Höhepunkt ihrer werblichen Aktivitäten sahen. Allen voran die mächtigen Filmhersteller wie Kodak und Polaroid aus den USA. Später stießen auch die japanischen Firmen der Fotobranche dazu und nutzten die photokina sowie auch den Photoindustrie-Verband als Plattform für den erfolgreichen Einstieg in den europäischen Markt. Schon früh dominierten die internationalen Vertreter der Branche, wie beispielsweise Kodak, später auch Fujifilm den Verband.
Das plötzliche Ende des Photoindustrie-Verbandes liegt nach Ansicht von Insidern vor allem an der Veränderung des Marktes. Das Ende der photokina war auch für den PIV der Anfang vom Ende, vor allem finanziell. Die Mitgliederzahlen sind stetig gesunken. Ein Großteil der aktuellen Mitglieder des PIVs sind japanische Hersteller, die selbst im eigenen Land mit der CIPA eine starke Interessenvertretung haben. Einen deutschen Ableger zu etablieren, hätte allerdings wenig Sinn gemacht. Viele der abgesprungenen Mitglieder fühlten sich durch den Verband nicht ausreichend vertreten. Einige sind zu dem Industrieverband „Spectaris“ mit Sitz in Berlin abgewandert. Um Mitglieder zu binden, müsse man sie besser pflegen und ihnen auch etwas bieten, heißt es aus diesen Reihen.

Der bis 2025 gewählte, aktuelle PIV Beirat mit dem Geschäftsführenden Vorstand Christian Müller-Rieker ( John Anderson (Sony), Lars Fiedler (Kodak Alaris), Falk Friedrich (Leica), Bernd Gansohr (Fujifilm), Guido Jacobs (Canon), Philipp Maurer (Panasonic), Ralph Naruhn (di support), René Rüdisühli (Nikon), Sandro Rymann (OM Digital Solutions) und Christian Sokcevic (Ham nicht auf dem Bild: Sandro Rymann ©PIV/D. Boymann
Dazu gehörten in den Glanzzeiten die beliebten Tagungen zu Umwelt- und Rechtsfragen. Heute glaubt ein Großteil der Branche, kein Sprachrohr mehr für ihre Interessen zu benötigen. Wie ganz allgemein die Entwicklung zeigt, werden gemeinsame Anliegen nicht mehr mit Nachdruck formuliert. Statt gemeinschaftlicher Ziele, stehen individuelle Interessen und Bedürfnisse im Vordergrund. Langfristige Planungen sind die Ausnahme. Hinzu kommt, dass diese Entwicklung dem Bedarf, neue Branchen und Firmen hinzuzugewinnen, entgegensteht.
Der jetzige geschäftsführende Vorstand Christian Müller-Rieker, erreicht in diesem Jahr sein Rentenalter. Bis zum Ende dieses Jahres soll nach seiner Aussage der Verband noch alle geplanten Aktivitäten durchführen. Auch der für den 19. März 2024 schon gemeinsam mit dem einstigen Konkurrenten gemeinsam geplante Tech-Talk zum Thema KI. Ebenso will man die Verantwortlichkeiten als ideeller Träger der photopia Hamburg, die im Herbst dieses Jahres erneut versuchen wird, eine modernere photokina zu werden, wahrnehmen. Ob eine Messe aber einen Verband ersetzen kann, bleibt dahin gestellt. RIP PIV!