Ernst Leitz „Der Zweite“ mit seinen Kindern Ernst „Der Dritte“, Ludwig und Elsie.
Sandra Lüpkes, Autorin zahlreicher Romane, Sach- und Drehbücher, verwebt in ihrem im Rowohlt Verlag, Hamburg, erschienenen Buch unter dem Titel „Das Licht im Rücken“ am Beispiel der Industriellenfamilie Leitz in Wetzlar Authentisches und Fiktives zu großen Geschichten.
Der Eisenmarkt in Wetzlar, 1914 von Oskar Barnack mit der Ur-Leica fotografiert.
Heute ist der Kanaldeckel, auf dem er bei seiner Aufnahme stand, markiert.
Denn dort gelingt dem Tüftler Oskar Barnack der Durchbruch: Anstatt weiterhin mit einer kiloschweren Glasplattenkamera auf Foto-Safari zu gehen hat der an Asthma leidende Feinmechaniker Mitte März 1914 einen handlichen Apparat entwickelt, der den 35-mm-Kinofilm nutzt und in eine Jackentasche passt. Ernst Leitz, der Sohn des Werkgründers und in dem Buch oft einfach nur „Der Zweite“ genannt, erkennt schon im April des gleichen Jahres auf einer Reise nach Übersee deren Potenzial und treibt gegen alle Widerstände die Produktion der mit einem von Max Berek maßgeschneiderten Objektiv Anastigmat mit 42 Millimeter Brennweite versehenen Kamera trotz Krieg und Inflation voran.
Oskar Barnack an seinem Arbeitsplatz.
Elsie Leitz in jungen Jahren
Dabei steht die nächste Generation der Familie schon in den Startlöchern: Seine älteste Tochter Elsie hätte das Zeug, die Firma zu übernehmen, aber die Söhne Ernst, „Der Dritte“, und Ludwig, später auch Günther, werden ihr vorgezogen.
Vier Generationen Leitz: Vor dem Porträt von Ernst Leitz I (von links) Ludwig Leitz,
Ernst Leitz II, Knut-Kühn-Leitz und Ernst Leitz III
Als die Enteignung der Leitz-Werke durch die Nazis droht, bietet vor allem Elsie dem Unrechtssystem die Stirn – und gerät in die Fänge der Gestapo. Auch die Geschwister Dana und Milan stehen vor dem Nichts: Als Kinder eines jüdischen Ladenbesitzers ist ihnen ein Studium verwehrt, das von ihnen geführte „Haus der Präsente“ wird geplündert. Deren Geschichte dient als Beispiel für die jüdischen Familien Ehrenfeld, Katzenstein, Rosenthal und Schönthal, die durch die persönliche Initiative vor allem auch von Ernst Leitz II – als Existenzgrundlage mit Leica-Kamera-Ausrüstungen ausgestattet – auswandern konnten und somit vor dem Zugriff durch die Nazis gerettet wurden.
Ernst Leitz „Der Zweite“ zusammen mit Oskar Barnack auf einer Bank
bei einem gemeinsamen Aufenthalt im Schwarzwald.
Das Buch ist, jeweils mit einer Symbolfotografie garniert, eingeteilt in die Entwicklungsstufen der inzwischen weltberühmten Kleinbildkamera. Das erste Kapitel widmet sich dem von ihrem Erfinder „Oskar“ in seinem Werkstattbuch im März 1914 als „Liliput-Kamera mit Kinofilm“ bezeichneten, heute als Ur-Leica bekannten Prototypen, setzt sich 1922 mit der Fertigung der ersten Handmuster und 1924 mit der „Nullserie“ fort. Es folgen die Kapitel zur Leica I 1924/25, zur Leica II 1933, zur Sonderausführung Leica Reporter für zehn Meter Film 1936 und endet mit den Modellen Leica IIIb und IIIc 1943. Ein kurzer Epilog zur heutigen Leica M11 weist auf den Kanaldeckel auf dem Eisenmarkt in Wetzlar hin, auf dem Oskar Barnack 1914 stand, als er seine berühmte Aufnahme machte. Damit schließt sich der Kreis.
Ein Register enthält in alphabetischer Reihenfolge die Lebensdaten der Personen, von denen das Buch handelt. Aufgeführt sind auch die fiktiven Namen, unter denen die Geschichten verschiedener Familien oder Gruppen zusammengefasst sind. Schließlich erläutert der Bildnachweis die historischen Fotografien, die im Vor- und im Nachsatz des Buchs abdruckt sind.
Mit „Das Licht im Rücken“ legt Sandra Lüpkes einen nah an der Wirklichkeit verfassten Gesellschafts- und Familienroman über die Revolution der Fotografie im 20. Jahrhundert vor – hervorragend recherchiert und auf Basis historischer Tatsachen packend erzählt.
H.-G. v. Zydowitz
Sandra Lüpkes tourt mit Lesungen von „Das Licht im Rücken“ durch Deutschland. Die Termine
Sandra Lüpkes
Das Licht im Rücken
490 Seiten
Format: 14×21 cm, Hardcover mit Schutzumschlag
Hamburg, Rowohlt Verlag
ISBN: 978-3-463-00025-1;
Preis 23 Euro