Corina Gertz, die studierte Modedesignerin, die für internationale Labels Kollektionen entwarf und weltweit Lehraufträge hatte, erforscht seit 2001 auch als Fotografin erfolgreich Kleidung als Zeichen von Stand und Status. Dazu fotografiert sie auf der ganzen Welt Frauen in traditioneller Kleidung und in Trachten. Ihr Focus liegt allerdings bewusst auf der stilleren Seite des Porträts, der Rückenansicht: Das Individuum bleibt im Verborgenen, Informationsträger ist ausschließlich die Kleidung.
In der Einleitung zu dem im Kerber Verlag, Bielefeld, erschienenen Band „Das abgewandte Porträt“ weist Clare Freestone, die Kuratorin für Fotografie an der National Portrait Gallery in London, auf Parallelen von Gertz‘ Aufnahmen zur frühen niederländischen Malerei hin und stellt fest, dass sich beispielsweise die Farbentiefe von Johannes Vermeer, dessen durchdachte Kompositionen und meisterhafter Einsatz von Licht, in ihren fotografischen Rückenansichten wiederfinden.
Tschechische Tracht
Auch in dem ausführlichen Interview, das die Düsseldorfer Kunsthistorikerin Barbara Til mit Corina Gertz über ihren Werdegang und ihre Arbeit führte, wird ihre Verbindung zur Malerei deutlich. Da bei Porträts die Mimik eines Menschen oder auch die Hände für den Betrachter eine starke Anziehungskraft ausüben und vom Eigentlichen, was die Fotografin festhalten möchte, ablenken, hat diese schon sehr früh mit den „Rücken-Porträts“ begonnen: „In den abgewandten Darstellungen kann ich den Fokus auf die Kleidung als nonverbale Kommunikation setzen, wobei sich gerade an traditioneller Kleidung verschiedene soziale Codes ablesen lassen, beispielsweise ob jemand jugendlich ist, verheiratet oder verwitwet.“
Kenianische Tracht
Die Autorin und Kuratorin Susanna Brown befasst sich am Beispiel historischer Porträts, beispielsweise von John Thomson, August Sander oder auch Bernd & Hilla Becher, mit der Arbeit von Corina Gertz und weiß, dass in vielen Kulturen traditionelle Kleidungsstücke schon immer eine wesentliche Rolle bei sakralen Ritualen und sonstigen besonderen Anlässen spielten. „Nicht zuletzt aufgrund ihrer Ausbildung als Modedesignerin hat Corina Gertz ein gutes Gespür für die Farben und Texturen von Stoffen sowie für die Form, die sie annehmen, wenn sie mit dem menschlichen Körper in Berührung kommen.“
In dem großformatigen Bildband „Das abgewandte Porträt“ leuchten, von Corina Gertz in klaren und ausdruckstarken Bildkompositionen fotografisch erfasst, skulptural und malerisch prächtige Stoffe und kostbare Stickereien vor einem tiefschwarzen Hintergrund. Die Porträts erzählen von traditionellem Wissen, Konventionen, Bräuchen und Praktiken und spiegeln das Interesse der Fotokünstlerin an ästhetischen, politischen, sozialen und kulturellen Kontexten wider.
H.-G. v. Zydowitz
Corina Gertz
Das abgewandte Porträt
Texte: Susanna Brown, Clare Freestone, Barbara Til
Sprache: Deutsch/Englisch
176 Seiten mit 150 Farbabbildungen
Format: 25×32,5 cm, Softcover
Bielefeld, Kerber Verlag
ISBN: 978-3-7356-0905-2;
Preis 40 Euro