Die 30-jährige, in Bulgarien bekannte Fernsehjournalistin Viktoria Marinova wurde am 6. Oktober 2018 in der Stadt Ruse im Nordosten des Landes brutal vergewaltigt und ermordet – was nur wenige Tage danach von den offiziellen Stellen totgeschwiegen wurde. Ihre Schwägerin, die in Wien lebende Fotografin Eugenia Maximova, nahm sich jedoch dem Fall auf ihre Weise an, indem sie sich mit einem fotodokumentarischen Ansatz gegen dieses bequeme Schweigen stellte.
Denn der gewaltsame Tod von Viktoria Marinova warf ein grelles Schlaglicht nicht nur auf die in Bulgarien weit verbreitete Korruption, sondern auch auf die unsicheren Arbeitsbedingungen für Journalisten des Landes, die sich dieser Thematik widmen. Die offizielle Debatte in dem Land selbst verstummte allerdings abrupt nach nur 48 Stunden, als Severin Krasimirov, ein 21-jähriger Mann mit Roma-Abstammung, im 1200 Kilometer entfernten norddeutschen Stade als Täter verhaftet wurde. Über den brutalen Mord an der Journalistin berichtete jedoch die internationale Presse umso ausführlicher, was in einer kurzen Zusammenfassung dem dazu erschienenen Buch beiliegt.
In diesem schildert der bulgarische Journalist Dimitre Dinev unter dem Titel „Ohne Viktoria“, dass die für ihre investigativen Sendungen bekannte Fernsehjournalistin Viktoria Marinova am Vormittag des 6. Oktober 2018 in Ruse in einem Park joggen ging, wovon sie aber nicht mehr zurückkehrte und wies vor allem darauf den Zusammenhang hin: Sie hatte wenige Tage zuvor in ihrer Sendung „Detektor“ ein Interview mit zwei Journalisten ausgestrahlt, die über Korruption und Veruntreuungen von EU-Geldern in Bulgarien recherchiert und dort ihre schockierenden Ergebnisse präsentiert hatten.
Zu dem Mordfall stellt die Fotografin Eugenia Maximova in ihrem in der Fotohof Edition, Salzburg, erschienenen Buch „Silent River“ einen größeren soziopolitischen Kontext her, wendet sich mit ihren Bildern ausdrücklich gegen die Darstellung von Gewalt in den Mainstream-Medien und präsentiert stattdessen elegische Ansichten der Stadt Ruse: Leere Räume, von denen sich viele in einem desolaten Zustand befinden, aber dennoch nicht ohne Schönheit sind.
Das fotografische Projekt entwirft somit eine subjektive Topografie des Mordes, indem es nicht nur einem, sondern zwei Wegen folgt: dem von Viktoria Marinova und dem ihres mutmaßlichen Mörders, wie sie sich beide durch die postkommunistische Stadtlandschaft bewegen, bis sich ihre Wege am Ufer der Donau kreuzen. Der anklagende Titel „Silent River“ – „still ruht der See“ – ist von der Fotokünstlerin ganz bewusst gewählt und in ihren künstlerischen Farbabbildungen hervorragend umgesetzt.
H.-G. v. Zydowitz
Eugenia Maximova
Silent River
Text: Dimitre Dinev
Sprache: Englisch, Bulgarisch, Deutsch
152 Seiten mit 116 Farbabbildungen
Format: 24×29 cm, Hardcover, Leinen
Salzburg, Edition Fotohof
ISBN: 978-3-903334-50-2;
Preis 39 Euro