Vom 9. Dezember bis 3. Februar 2024 zeigt die Kölner Galerie Julian Sander die Ausstellung „August Sander. du Magazin 1959 – Die Wiederentdeckung eines Œuvres“ und nimmt damit Bezug auf ein Sonderheft der Schweizer Monatszeitschrift du von November 1959, das dem Werk des damals 83jährigen Fotografen August Sander gewidmet war. Das Magazin verstand sich seit seiner Gründung 1941 nicht nur als Forum für einen humanistisch geprägten Bildungsjournalismus, sondern zugleich auch als Präsentationsmedium für historische und experimentelle Fotografie.
International bedeutende Fotografen wie Werner Bischof, René Burri, Henri Cartier-Bresson, Bruce Davidson, Robert Frank und Herbert List zählen zu den Bildautoren, die vorgestellt wurden. Das Sonderheft zu August Sander stand am Abschluss eines Jahrzehnts, in dem das epochale Portraitwerk des Fotografen nach und nach neue Anerkennung erfahren hatte. Vorangegangen waren der Publikation Ausstellungen seiner Werke im Rahmen der zweiten photokina
1951 sowie der berühmten, von Edward Steichen kuratierten Schau „Family of Man“, die erstmals 1955 in New York eröffnete.
Bereits 1953 hatte die Stadt Köln zudem Sanders Bildmappenwerk „Köln wie es war“ erworben. Mit der Publikation in der Schweizer du erfuhr das Werk August Sanders erstmals nach dem Krieg auch auf publizistischer Ebene eine umfangreiche Würdigung. Als „Schock“ beschreibt der damalige Chefredakteur des Magazins und spätere Mitbegründer der Schweizer „Stiftung für Photographie“, Manuel Gasser, seine erste Begegnung mit August Sanders 1929 erschienenem
Fotobuch „Antlitz der Zeit“. Bereits ein Jahr nach Kriegsende war er durch den Band erstmals auf den Fotografen Sander aufmerksam geworden.
In seinem Text, der den insgesamt fünfzig Portraits in der Zeitschrift du nachgestellt ist, vermerkt Gasser: „Was für ein Mann ist dieser Sander? Welche Einstellung zu Umwelt und Mitmenschen befähigt ihn, seine Zeitgenossen so ganz anders zu sehen als alle, die sich die Kritik ihrer Epoche vorgenommen haben? Denn darüber kann kein Zweifel sein, dass hier ein Zeit- und Gesellschaftskritiker von ungemeinem Scharfblick, von seltener Unerbittlichkeit auch am Werke ist, einer, der darauf aus ist, durch das Mittel der Typisierung jedem Stand und jeder Klasse den Spiegel vorzuhalten“.
Gassers in Zusammenarbeit mit August Sander getroffene Bildauswahl mit Bildnissen aus insgesamt sechs Jahrzehnten stellt den Versuch dar, das Spezifische des Portraitwerkes „Menschen des 20. Jahrhunderts“ heraus zu modellieren, welches für ihn in Sanders Fähigkeit liegt, „das Gemeinsame einer Klasse, eines
Standes mit dem Besonderen eines Individuums zu einer unteilbaren Einheit zu verschmelzen“.
Weitere Texte des Hefts stammen aus der Feder Alfred Döblins (es handelt sich um einen Wiederabdruck seines Vorwortes zu „Antlitz der Zeit“) sowie von Golo Mann, der hier eine brillante Analyse der Dargestellten und ihrer Epoche liefert. Die Lebensumstände der Portraitierten in ebenso prägnanten wie plastischen Skizzen imaginierend, stellt er sie in Bezug zu konkreten historischen Ereignissen und dem im der Weimarer Republik aufkommenden Faschismus.
Galerie Julian Sander, Bonner Straße 82, Köln