Die beliebteste Sportart Deutschlands in all ihren Facetten zeigt die Ausstellung „Fußball im Ruhrgebiet“ des Deutschen Fußballmuseums und des Ruhr Museums auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein in Essen, die vom 8.5.2023 bis 4.2.2024 läuft. Anlass der Ausstellung ist die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland 2024. Besonders im Ruhrgebiet steigt die Vorfreude, das als einziger Ballungsraum in Deutschland mit zwei Spielorten dabei sein wird.

VfL-Fans im Ruhrstadion, Bochum 1997/98 © firo sportphoto / Foto: Ralf Ibing
Kinder auf Wiesen mit provisorischen Toren vor Industriebrachen, Fans auf dem Weg zum Stadion an der Trinkhalle – das Wechselspiel zwischen Mensch, Landschaft und regionalen Landmarken lässt ein Bild entstehen, in dem Nostalgie und gegenwärtige Begeisterung ineinander übergehen. Vor diesem Hintergrund bilden Mythos und Moderne keine Gegensätze, sondern erzeugen mit der individuellen Perspektive des Betrachtenden ein lebendiges Kaleidoskop des Fußballs im Ruhrgebiet. In einem Seitenkabinett zeigt das Deutsche Fußballmuseum zudem Highlight-Exponate zum Thema aus seiner Dauerausstellung, u.a. das Original-Trikot von Helmut Rahn aus dem WM-Endspiel von 1954.

Fritz Walter vom 1. FC Kaiserslautern beim Besuch der Zeche Alstaden, Oberhausen, 18.11.1958 © Horstmüller / Foto: Horst Müller sen.

Fußballplatz im Stadtteil Werne, im Hintergrund die Zeche Robert Müser, Bochum 1960 © Stadt Bochum
Keine andere Region wird so mit dem Fußball verbunden wie das Revier. Fußball ist hier ein tief verwurzeltes soziales und kulturelles Phänomen, ein Lebensgefühl, das in Tradition und Ausprägung an England, das Mutterland des Fußballs, erinnert. Ruhr und Rhein bilden so etwas wie eine Kernregion – oder, wie es Franz Beckenbauer formuliert hat: »Das Herz des Fußballs schlägt im Ruhrgebiet.«

FC Alanya Essen 1990 gegen Africa United, der ersten schwarzafrikanischen Mannschaft, die am DFB-Spielbetrieb teilnahm, Essen 1991 © Gerno Michalke

Fußballfreunde, Essen, 25.01.1967. Foto: Anton Tripp/Fotoarchiv Ruhr Museum © Fotoarchiv Ruhr Museum / Foto: Anton Tripp
Der Bund fördert zur UEFA EURO 2024 ein bundesweites Kulturprogramm, welches das Turnier begleiten wird. Die Ausstellung Mythos und Moderne. Fußball im Ruhrgebiet mit ihrem umfangreichen Begleitprogramm ist dabei das allererste Projekt.
DIE AUSSTELLUNG
Prof. Heinrich Theodor Grütter, Museumsdirektor des Ruhr Museums und Vorstandsmitglied der Stiftung Zollverein:»Unsere Ausstellung präsentiert mit faszinierenden Fotografien die Vergangenheit und Gegenwart einer der aufregendsten Fußballregionen in Deutschland.«

Jürgen Klopp (geb. 16.06.1967, Borussia Dortmund), Dortmund, 27.07.2013 © firo sportphoto / Foto: Ralf Ibing
Manuel Neukirchner, Direktor des Deutschen Fußballmuseums: »Wissenschaft, Kultur, Technologie und Innovationen sind die großen Treiber und Perspektivgeber für eine Region, die sich –auch das wird in unserer Fotoausstellung eindrucksvoll dokumentiert –in den vergangenen Jahrzehnten transformiert und neu definiert hat. Der Fußball als Identitätsstifter ist dabei zur verlässlichen Konstante geworden. Er ist für die Menschen da, gerade im Ballungsraum Ruhrgebiet mit seinen vielfältigen Formen des kulturellen Austauschs, mit seinen rund fünf Millionen Menschen aus 170 Nationen.«

Schalke-Fans bejubeln den Sieg im DFB-Pokal, Gelsenkirchen, 11.5.2002 © firo sportphoto / Foto: Ralf Ibing
Die Ausstellung des Deutschen Fußballmuseums und des Ruhr Museums ist die erste fotografische Sonderausstellung zur Geschichte des Ruhrgebietsfußballs. Mehr als 450 klassische, aber auch noch nie gezeigte Fußballmotive kommen aus dem großen Fotoarchiv des Ruhr Museums sowie von bekannten Fotografinnen und Fotografen wie Andreas Gursky und Roland Wirtz, von renommierten Fotoagenturen und aus den Archiven der Städte und Vereine. Die zwei Epochen Mythos und Moderne werden dabei jeweils in elf Themen präsentiert und gegenübergestellt: Lebensgefühl, Auf dem Platz, Revierderbys, Triumphe und Tragödien, Legenden und Idole, Orte des Geschehens, Stadionbesuch, Auf Asche, Am Spielfeldrand, Solidarität und Kommerzialisierung.

Die gelbe Wand fotografiert von Andreas Gursky © Andreas Gursky / VG Bild-Kunst, Bonn 2023
MYTHOS
»Hier wird Fußball gearbeitet.« Fußball im Ruhrgebiet ist die Geschichte eines Arbeitersports. Die ursprünglich bürgerlich-elitäre Sportart wurde an der Ruhr nach dem Ersten Weltkrieg zum Massenereignis und -erlebnis. Die Kohlenzechen stellten den Bergleuten auf ihrem Betriebsgelände Plätze zum Fußballspiel zur Verfügung und förderten die ansässigen Vereine. Der sagenhafte Aufstieg des FC Schalke 04 zu der überragenden deutschen Fußballmannschaft in den 1930er- und 1940er-Jahren löste in der Folge eine bisher nie dagewesene Fußballbegeisterung von Dortmund bis Duisburg aus. Viele Spieler arbeiteten damals noch unter Tage.

Spielerinnen des neu gegründeten Vereins Gruga Essen beim Training im Ruhrstadion, Essen, 05.1955 © Fotoarchiv Ruhr Museum / Foto: Peter Kleu
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg prägten Malochervereine den Ruhrgebietsfußball. Mehr als ein Dutzend Zechen- und Arbeitervereine spielten in der höchsten Spielklasse, der Oberliga West. Meisterschaften und Pokalerfolge wurden im Revier gefeiert; Rot-Weiß Essen und Borussia Dortmund, Schwarz-Weiß Essen und der FC Schalke 04 verbuchten Sieg um Sieg. Mit der Bergbaukrise folgte ab den 1970er Jahren der sportliche Abstieg. Selbst bei den beiden Vorzeigeklubs Dortmund und Schalke herrschte Tristesse. Dennoch hält sich der Mythos des Ruhrgebietsfußballs mit seinen Triumphen und Idolen bis heute.
MODERNE
Live und in Farbe: Der Profi-Fußball erlebte mit den Live-Übertragungen der Spiele in den europäischen Profiligen seit den 1990er-Jahren seine wohl tiefgreifendste Veränderung. Die neue Zeit ist auch im Ruhrgebiet vor allem durch Kommerzialisierung gekennzeichnet, welche die drei Bundesligavereine FC Schalke 04, Borussia Dortmund und der VfL Bochum repräsentieren. Der Spitzenfußball erlebt ein exponentielles Wachstum. Vor allem aus lukrativen Fernsehverträgen fließt immer mehr Geld in den Sport. Mit weiteren Profivereinen wie dem MSV Duisburg, Rot-Weiß Essen, Rot-Weiß Oberhausen oder der SGS Essen, als prominenteste Vertreterin des immer beliebter werdenden Frauenfußballs, ist das Ruhrgebiet immer noch die dichteste Fußballregion in Deutschland.
Dieser Entwicklung inklusive des Ausbaus der sportlichen Infrastruktur kann der Amateurfußball kaum folgen. Aber auch die kleinen, oft legendären Vereine prägen den Fußball zwischen Emscher und Ruhr bis heute. An der Basis ist der Fußball der Volkssport Nummer Eins. Direkt vor der Haustür können Fans den Fußball auf Bolzplätzen, in kleinen Stadien und großen Arenen hautnah erleben oder die Partien der Profivereine in den Medien verfolgen.
FUSSBALL UND FOTOGRAFIE
Seit über 100 Jahren fasziniert Fußball, ist er ein verlässlicher Lieferant für Nachrichten und Bilder. Schon in den frühen Tagen wurde er fotografisch und filmisch begleitet. Mit seiner Popularisierung werden die Spiele immer intensiver abgelichtet, auch der Hintergrund, die Tribünen, Zuschauerinnen und Zuschauer, die Logistik, An- und Abfahrten, Ehrungen, Fußballerinnen und Fußballer im Privatleben – eine unendliche Auswahl von Motiven. Heute werden nicht nur alle Profispiele im Fernsehen übertragen; am Spielfeldrand sind weiterhin Fotografinnen und Fotografen postiert, die fast in Echtzeit liefern: Impressionen aus den Stadien, Bilder von Spielerinnen und Spieler, Torschüsse, Jubeltrauben, Kapriolen, Coaching-Zonen. Fußball im Ruhrgebiet bietet eine unendliche Bilderwelt.

Spiel des SC Weitmar 45 in der 1. Kreisklasse vor dem Kraftwerk Springorum, 10.01.1973
Gezeigt werden Pressefotografie sowie Fotoprojekte von Studierenden, u. a. von Schülerinnen und Schülern des renommierten Fotografen Otto Steinert, in Einzelfallen auch von international bekannten Fotokünstlern wie Andreas Gursky. Ausgangspunkt des Bilderbogens ist das Fotoarchiv des Ruhr Museums, das mittlerweile über vier Millionen historische Bilder umfasst. Und die Kooperation mit der regionalen Sportfoto-Agentur Firo und anderen Agenturen macht auch den Blick auf die Fußball-Gegenwart möglich. In Schwarz-Weiß und in Farbe widmen sich die beiden Museen den zwei Bereichen »Mythos« und »Moderne« des Ruhrgebietsfußballs. Als Sujet der Tagespresse wurde Fußball lange nur in Schwarz-Weiß abgebildet. Farbfotografie kam sporadisch in den 1970er Jahren in Magazinen oder Werbeanzeigen auf. In der Sportpresse setzte sich das Farbbild erst Ende der 1990er Jahre mit den neuen Druckstraßen und schließlich der digitalen Verbreitung durch und prägt seither das moderne Bild des Ruhrgebietsfußballs.
DIE GESCHICHTE DES RUHRGEBIETSFUSSBALL
Zu erklären ist die Fußballregion Ruhrgebiet nicht zuletzt aus ihrer Geschichte. Die Region wuchs mit dem Fußball; der ehemalige Arbeitersport war die Begleiterscheinung im Höhenflug und im Absturz des Industriereviers und seiner Neuerfindung als Metropolregion. Er führte zu großen Erfolgen und Meisterschaften ebenso wie zu Niederlagen und Abstiegen bis hin zum Abrutschen traditionsreicher Vereine in die Bedeutungslosigkeit. Heute erlebt der Ruhrgebietsfußball eine gewisse Renaissance. Mit Borussia Dortmund, Schalke 04, VfL Bochum, MSV Duisburg und Rot-Weiß Essen spielen fünf Ruhrgebietsvereine in den verschiedenen Bundesligen. Und schließlich begeht der organisierte Fußball im Ruhrgebiet ein traditionsreiches Jubiläum: Der Westdeutsche Fußballverband feiert in diesem Jahr als einer der ältesten Fußballverbände überhaupt sein 125-jahriges Bestehen.

Eine Ausstellung rund um den Fußball
Das »Land der tausend Derbys« lebt jedoch auch stark von seinen Widersprüchen, Rivalitäten und den Herausforderungen, denen es sich in Vergangenheit und Gegenwart immer wieder stellen musste. Die Industrialisierung brachte wirtschaftliche Blüte, aber auch harte Arbeit, die Zuwanderung erforderte die Entwicklung von Integrationsprozessen, der Einbruch bei Kohle und Stahl stellte das Selbstverständnis der gesamten Region in Frage. Und mittendrin stand und steht immer der Fußball. Als Projektionsfläche, als Zufluchts- und Sehnsuchtsort, als Repräsentant und Entwicklungsmotor, als wichtigste Nebensache der Welt, hauptsächlich aber als Spiel, in dem sich Mythos und Moderne widerspiegeln.

Helmut Rahn (16.08.1929 – 14.08.2003, Sportfreunde Katernberg, Rot-Weiss Essen und Meidericher Spielverein) mit Romy Schneider anlässlich der Premiere des Films „Die Deutschmeister“, Essen, 08.11.1955 © firo sportphoto / Foto: Ralf Ibing
DER SPIELPLAN
Im umfangreichen Begleitprogramm »Der Spielplan« steckt die geballte Kraft und Expertise von beiden Museen. Spielorte sind sowohl das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund als auch das Ruhr Museum und das UNESCO-Welterbe Zollverein in Essen.
Neben »Klassikern« aus dem ANSTOSS-Programm wie Fußball-Quiz,Fantalkund der Kabarettreihe »Dem Fußball seine Dönekes« warten in Dortmund und Essen spannende Vorträgeund Filmabendesowie das Open-Air-Kino auf Zollverein.
»Der Spielplan«bietet für alle Ligen und Altersklassen die passende Veranstaltung. Gemeinsam blicken wir zurück auf Legenden sowie »Die guten alten Tage«und schauen bei Diskussionenund Ausstellungsgesprächenauf den modernen Fußball. Theateraufführungen,Ringvorlesung, Workshopsfür Jugendliche und Erwachsene, verschiedene Führungendurch die Ausstellung, Exkursionenzu Vereinen und Stadien sowie Fußball-Liederabendezum Mitsingen bieten allen Fußballfans ein buntes Programm.
Das eigentliche Bolzen darf natürlich nicht fehlen. Mit einer Mischung aus Fußball und Golf, kann das ganze Welterbe beim Soccer-Golferkundet werden und während der Laufzeit der Ausstellung ist hinter der Museumskasse der Kohlenwäsche der kostenlose Kick-it-Courtzu finden: Eine spannende Spielwiese für Groß und Klein mit Kicker, Weykick und Tipp-Kick.
In den Sommerferien wird das UNESCO-Welterbe sogar selbst zum Stadion und zum Fußball-Camp.
DIE FÖRDERER
Die beiden Hauptförderer der Ausstellung sind die RAG-Stiftung und die Stiftung Fußball & Kultur EURO 2024 gGmbH.
DIE KOOPERATION
Zwei große Museen im Ruhrgebiet haben sich für diese Ausstellung zusammengetan: das Deutsche Fußballmuseum, Zentralort für die deutsche Fußballgeschichte, aber auch für die Bedeutung des heutigen Fußballs mitten in der Fußballherzkammer Dortmund, und das Ruhr Museum, das Geschichtsmuseum der Region mit seinem Fotoarchiv, beheimatet in der ehemaligen Kohlenwäsche auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein in Essen. Die einzigartigen Räumlichkeiten auf der Bunkerebene der Kohlenwäsche bieten dabei den spektakulären Rahmen für eine der großen Geschichten des Fußballs und des Ruhrgebietes.
Das Deutsche Fußballmuseum
Lebendig, emotional, interaktiv – das Deutsche Fußballmuseum inDortmund bietet ein einzigartiges Ausflugsziel für Groß und Klein.1.600 Exponate und zahlreiche spektakuläre mediale Inszenierungenbilden den Kern dieses Lern- und Erlebnisortes. Themen sind die großen Erfolge der Frauen- und Männer-Nationalmannschaft, die Bundesliga-Historie, aber auch der Fußball etwa in Zeiten des Krieges,des Nationalsozialismus und der deutschen Teilung.
Adresse: Deutsches Fußballmuseum, Platz der Deutschen Einheit 1, Dortmund, direkt am Dortmunder Hauptbahnhof.