Im dritten Teil unserer Berichterstattung über das Züricher Umweltfotofestival „Open Your Eyes“, geht es um die Stationen fünf bis sieben des insgesamt 26 grandiose Open-Air-Installationen umfassenden Festivalparcours, der an zehn Stationen im Stadtgebiet den mühsamen Weg zu einer nachhaltigeren, besseren Welt dokumentieren soll. Den Leitfaden liefert die 2015 von den Vereinten Nationen (UN) ausgegebene Agenda 2030 mit ihren siebzehn Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Developing Goals = SDG).
Das einzigartige Konzept des Festivals kombiniert engagierte Dokumentarfotografie mit wissenschaftlich untermauerten Beiträgen der Eidgenössischen Technischen Hochschule, Zürich (ETH), die Menschen – praktisch im Vorübergehen – auf diese Nachhaltigkeitsziele aufmerksam machen und dafür sensibilisieren möchte. Spannende Themen die in diesem Abschnitt ins Auge fallen aber auch in die Herzen des Publikums vordringen sind beispielsweise der Wiederaufbau der vom Verschwinden bedrohten Korallenriffe oder die Dokumentation über die Verlagerung des Lebens von Menschen in virtuelle Welten.
Spannend sowohl fotografisch als auch wissenschaftlich ist die Visualisierung des SDG 14 an der Wühre bzw. am Limmatquai nahe der Münsterbrücke. Das vierzehnte Nachhaltigkeitsziel will erreichen, dass Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung erhalten und nachhaltig genutzt werden.
Jennifer Hayes und David Doubilet sind Wissenschaftler und Fotografen, die ihre Sicht des Lebens am und unter Wasser in einer gemeinsam kuratierten Ausstellung an den Ufern der Limmat in spektakulären Bildern zeigen. David Doubilet hat über fünf Jahrzehnte damit verbracht, die entlegensten Winkel der Welt zu erforschen und zu dokumentieren. Seine Fotografien zeigen die unglaubliche Schönheit der Weltmeere aber auch die kaum wahrgenommene Zerstörung der verborgenen Welten unter der Wasseroberfläche. Seine Überzeugung: Wenn die Ozeane sterben tun wir das auch! Seine Fotografien, die in der Ausstellung „Zwei Welten: Über und unter dem Meer“ zu sehen sind, zeigen eine bedrohte Welt von einzigartiger Schönheit und Faszination. David Doubilet wurde für seine Arbeiten mehrfach ausgezeichnet, darunter mit Ehrungen wie Picture of the Year, BBC Wildlife, Communication Arts und World Press. Er ist Mitglied der Academy of Achievement, der Royal Photographic Society, der International League of Conservation Photographers und der International Diving Hall of Fame. Im Jahr 2001 wurde zum National Geographic Contributing Photographer-in-Residence ernannt. Im gleichen Jahr erhielt er den Explorers Club Lowell Thomas Award und den Lennart Nilsson Award für wissenschaftliche Fotografie.
Jennifer Hayes ist mit David Doubilet verheiratet. Sie ist Fotografin, Autorin und Sprecherin für National Geographic Partners. Die Wissenschaftlerin, die zu einer fotografischen Geschichtenerzählerin wurde, hat mehr als 11 000 Stunden unter der Wasseroberfläche verbracht, von Gewässern im Inneren Afrikas über heimische Teiche, den Pazifik bis hin zu beiden Polarregionen. Jennifers Hayes akademische Leidenschaften führten zu einem Abschluss in Meeresökologie und Zoologie. Die mehrfach preisgekrönte Fotografin und ihr Ehemann David Doubilet haben es sich zur Aufgabe gemacht, den Menschen das Wunder unseres Planeten vor Augen zu führen und sie so zu motivieren, sich für ihren Erhalt einzusetzen.
Wie sich selbst kleine Schritte zu großen Projekten entwickeln können, zeigt das Spin-Off rreefs der ETH, das sich dem Schutz und Wiederaufbau der Korallenriffe widmet. Das Spin-Off wird von den vier Frauen Ulrike Pfreundt, Marie Griesmar, Hanna Kuhfuss und Josephine Graf geleitet. Dr. Ulrike Pfreundt ist Expertin für tropische Ozean-Ökosysteme. Marie Griesmar erlernte nach ihrem Masterabschluss in Bildender Kunst digitale Fertigungsverfahren, um künstliche Riffstrukturen weiterzuentwickeln. Beide haben eine tiefe Verbundenheit mit dem Meer. Ihre Leidenschaft wurde durch das Tauchen verstärkt. Beide haben die Schönheit von Korallenriffen gesehen, aber leider auch deren Zerstörung. Dieser Verlust der Artenvielfalt motivierte sie, sich über die Ökologie der Riffe zu informieren und Lösungen zu finden, um diese empfindlichen Ökosysteme zu erhalten. In den letzten 30 Jahren hat die Welt die Hälfte ihrer Korallenriffe verloren, und es wird erwartet, dass bis 2050 mehr als 90 Prozent aller Riffe verschwinden werden.
rrreefs hat es sich zur Aufgabe gemacht, geschädigte Korallenriffe wieder aufzubauen, um eine reiche Meeresflora und -fauna wiederherzustellen, die Küsten zu schützen und die Widerstandsfähigkeit der Küstengemeinden zu stärken. Ihre Riffsysteme bieten ein neues Zuhause für Rifforganismen und fördern die Ansiedlung von Korallenlarven. Es handelt sich um ein modulares System aus 3D-gedruckten rrreefs-Modulen, die aus natürlichem Ton hergestellt werden. Die Zukunftsvision von rrreefs ist die Wiederbelebung von 1 Prozent der Korallenriffe an der Küste bis 2033.
Über die Münsterbrücke Brücke führt der Parcours zum Züricher Großmünster, wo die Fotos von Rina Castelnuovo und Jim Hollander vom Lonka Projekt zu sehen sind, die von der Kuratorin Gisela Kaiser zusammengestellt wurden. Direkt am Vorplatz des Großmünsters mahnt die Ausstellung über das Lonka Projekt das 17. Ziel der Agenda 2030 an. Es will die Mittel zur Umsetzung stärken, die eine globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben erfüllen soll. Kuratiert wurde sie mit viel Gespür für diese Problematik von Gisela Kayser. Das Lonka Project, initiiert von Rina Castelnuovo und Jim Holländer ist eine fotografische Hommage an die letzten Holocaust-Überlebenden, weltweit. Sie gelten als Symbol für Optimismus und Stärke. Es ist eine Hommage an Rina Castelnuovos Mutter Lonka, die als Mädchen fünf Konzentrationslager der Nazis überlebte. Es zeigt die Lebenskraft der Überlebenden. Seit 2019 haben mehr als 300 professionelle Fotografen, viele von ihnen weltweit führend auf ihrem Gebiet, ihr Talent zur Verfügung gestellt, nicht nur um das menschliche Subjekt künstlerisch einzufangen, sondern auch um Lehren zu ziehen und als Gedächtnisstützen für die Generationen von morgen zu dienen, die nie einen Holocaust-Überlebenden kennenlernen werden.
Für die teilnehmenden Überlebenden, die den Fotografen großzügig ihre Häuser und Herzen geöffnet haben, trägt das Lonka-Projekt ihre globale Botschaft für Toleranz, Menschlichkeit und Mitgefühl in eine Welt, die noch immer nicht frei von Antisemitismus und ethnischem Hass ist.
In der Open-Air Ausstellung des Lonka Projekts in Zürich sind Fotografien von Rina Castelnuovo & Jim Hollander, Tsafir Abayov, Eli Reed, Steve McCurry, Bea Bar Kallos, Roger Ballen, Ziv Koren, Stuart Franklin, Lois Lammerhuber, Brent Stirton, Peter DeJong, Patrick Zachmann, Gilles Peress, Alfred Yaghobzadeh, Alec Soth und Peter Turnley zu sehen.
Lois Lammerhuber, Intendant des Züricher Fotofestivals zu den Nachhaltigkeitszielen hat auch die Ausstellung „Kollektiv: Jenseits der Wirklichkeit“ am General Guisan Quai des Brasilianers Cássio Vasconcellos, die auf das SDG #8 aufmerksam macht, kuratiert.
Mit dieser Bilderserie interpretiert Cássio Vasconcellos eindrucksvoll das Problem der Globalisierung und der Flut von Konsumgütern. Durch seine überraschenden Blickwinkel verdeutlicht er die Herausforderung, die durch wirtschaftliche Beanspruchung des Planeten, das bestehende makroindustrielle System zur Deckung der Bedürfnisse der Gesellschaft oder den rapiden Verbrauch von Land entstanden ist.
«Kollektiv» basiert auf dem Bedürfnis des Fotografen, seine kritische Sicht auf die Welt zu teilen. Das aus über tausend Fotografien bestehende Werk versteht sich als riesiges, kommunikatives Portal über die Beziehung zwischen der Menschheit und ihrer neuen Art, mit Zeit und Raum zu interagieren. Auf spielerische Art und Weise erschafft er Landschaften zwischen dem Realität und Imagination.
Die Arbeiten von Cássio Vasconcellos wurden bereits über zweihundertmal in zwanzig Ländern ausgestellt. Einige seiner jüngsten Ausstellungen waren in der Fondation Cartier pour l’art contemporain, Paris, Frankreich; in der National Gallery of Victoria, Melbourne, Australien; im UCCA Center for Contemporary Art, Beijing, China; im Museum of Modern Art, São Paulo, Brasilien; im Phoenix Art Museum, Phoenix, Arizona, USA und im Princeton University Art Museum, Princeton, New Jersey, USA zu sehen. Vierzehn Bücher hat er veröffentlicht und für seine Arbeiten zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Seine Werke befinden sich im Besitz von renommierten Privatsammlern sowie von bekannten Museen wie der Bibliothèque Nationale (Paris, Franreich) oder dem Museum of Fine Arts (Houston, USA).
Einen ganz anderer Blick auf die Welt im Wandel eröffnet sich mit den Arbeiten von Jerome Gence, dessen Bilder unter dem Titel „Ich liebe ein Hologramm ebenfalls ein Mix aus realer und virtueller Welt sind. Auch diese Installation am General Guisan Quai hat der Intendant des Festivals, Professor Lammerhuber, kuratiert.
Die Werke von Datenanalyst und Fotograf Jerome Gence entstanden innerhalb eines Zeitraums von sechs Jahren. Virtuelle Stars füllen in Asien die gleichen Stadien wie die bekanntesten menschlichen Popgrößen. Wer von Menschen enttäuscht ist, flüchtet nicht selten in virtuelle Welten. Wie Kultfiguren und Idole können auch die virtuellen singen, tanzen, Instrumente spielen und mit dem Publikum interagieren. Sie haben einen festen Platz in den Herzen ihrer Fans, wobei es in ihren Songs und Handlungen keine Tabus gibt, ob Sex, Mord oder Liebe.
Hatsune Miku aus Japan, der größte Star unter den virtuellen Kultfiguren, verfügt über ein Repertoire von mehr als 100 000 Songs. Luo Tianyi aus China oder Xia Yu Yao aus Taiwan haben den Status von Popstars.
Der aus La Réunion stammende, französische Fotograf Jerome Gence hat es binnen weniger Jahre mit seinen Reportagen über Menschen und ihren Beziehungen zu virtuellen Welten geschafft, zu einem bedeutenden Fotografen unserer Zeit zu werden. Dass zeigen auch seine Veröffentlichungen in den wichtigsten Magazinen der Welt wie National Geographic, Der Spiegel, Stern oder Le Figaro.
Lesen Sie auch unsere Berichte Teil I und Teil II über den Parcours des Züricher Fotofestivals „Open Your Eyes“