Industriebauten haben oftmals eine besondere Faszination: dramatisch beleuchtete Produktionshallen, glühender Stahl, scheinbar endlose Fließbänder, breites Lächeln auf fußverschmierten Gesichtern. Hinter diesen Motiven der Industriefotografie steht das Versprechen – die Aussicht auf mehr Konsum, auf schönere und funktionellere Produkte, höhere Arbeits- und Lebensqualität, auf technische Weiterentwicklung – kurz auf Fortschritt. Die Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin läuft vom 10. Februar bis 29. Mai 2023
Das Medium der Fotografie begleitet Unternehmen und Betriebe bereits seit den 1850er Jahren und hat einen eigenen Bildkanon geprägt. Die Ausstellung präsentiert eine Auswahl fotografischer Arbeiten, die in den Jahrzehnten der deutschen Teilung zwischen 1949 und 1990 im Auftrag westdeutscher Unternehmen und ostdeutscher Betriebe entstanden sind. Erstmals werden diese eindrucksvollen Fotografien im Kontext ihrer zeitgenössischen Verwendung gezeigt: nämlich in vielfältig gestalteten Printmedien der Stahl-, Chemie-, Textil- und Automobilindustrie. Dabei richten die Kuratorinnen den Blick auf die mit den historischen Bildquellen verknüpften Vorstellungen und machen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Darstellungen des Fortschritts – und damit des Versprechens auf ein besseres Leben – in Ost und West sichtbar.
Im Labor des VEB Filmfabrik Wölfen Foto Wolfgang G. Schröter, 1967, Deutsche Fotothek
Schmieden einer Turbinenwelle, Karl-Heinz Kämmen, Haltungen, 1984
Die Fotografien sind vor dem Hintergrund ihrer Entstehung zu sehen: Während die Bundesrepublik ab den 1950er Jahren einen beispiellosen ökonomischen Aufstieg vollzog, steuerte die Wirtschaft der DDR bis Ende der 1980er Jahre zunehmend auf ihren Bankrott zu. Die repräsentativen Auftragsfotografien spiegeln das Selbstverständnis beider deutscher Staaten als Industrienationen und das damit verbundene Menschenbild wider. Sie geben wenig Aufschluss über tatsächliche Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, vielmehr zeigen sie Inszenierungen der Wirklichkeit, mit denen Fortschrittsversprechen und Aufschwungerzählungen in DDR wie BRD transportiert werden sollten.
Pei-Bau (1. und 2. OG) des Deutschen Historischen Museums, Unter den Linden 2, Berlin