Bildserien des Vonovia Award für Fotografie werden in der Marktkirche und an öffentlichen Plätzen in Hannover vom 16. März bis 10. April 2025 ausgestellt. Die vielfältigen Arbeiten zeigen verschiedenste Perspektiven zu dem Thema Zuhause. So haben die Fotografen Aspekte von Geborgenheit und Hoffnung ebenso wie Darstellungen von Fragilität und Verlust aufgegriffen und beschäftigen sich auch mit dem Neubeginn und dem Ende des Lebens. Der Award wird bereits zum siebten Mal verliehen, erstmals wird mit dieser Ausgabe der öffentliche Raum sowie eine Kirche bespielt, was den existenziellen Fragen, die die Fotoarbeiten thematisieren, einen besonders eindrucksvollen Rahmen verleiht. Gezeigt werden Arbeiten von Jakob Eckstein, Sibylle Fendt, Christian Heymann, Natalia Kepesz, Klara Meinhardt und Marlene Pfau.
„Die Fotograf:innen greifen gesellschaftliche Herausforderungen auf und reflektieren zugleich den Begriff Zuhause aus ihrem eigenen künstlerischen, dokumentarischen oder investigativen Ansatz. So bilden die Fotografien einen multiperspektivischen Blick auf einen kulturell und politisch
aufgeladenen Begriff, der einem ständigen Bedeutungswandel unterliegt“, äußert sich Dr. Reinhard Spieler, Direktor des Sprengel Museums.
Hochemotional ist das Zuhause im Kontext von Geburt und Tod. Die Berliner Fotografin Sibylle Fendt, Preisträgerin des Vonovia Award für Fotografie NO. 7 in der Kategorie „Professionals“, porträtiert in ihrer Fotoserie „Bevor es soweit ist“ Menschen, die ihre Angehörigen in den letzten Lebenstagen beim Sterben zu Hause begleiten. Sie findet für dieses schwere Thema eine sensible Bildsprache, die Wärme und Vertrautheit ausstrahlt. Die Fotografien zeigen, wie die vertraute Umgebung gerade in der Zeit des Abschieds ein Anker sein kann, der trotz der unbeschreiblichen Trauer, Geborgenheit und Halt gibt – sowohl für die Sterbenden als auch für die begleitenden Familien.
Christian Heymann richtet seine Kamera in der Serie „expectations“ auf den Beginn des Lebens. Er dokumentiert fotografisch die letzten Wochen der Schwangerschaft seiner Frau und die Geburt der gemeinsamen Tochter. Die Fotografien zeugen von seinem Erleben der Vaterschaft als einem Prozess,
in dem sich Vertrautes auflöst und Raum für etwas Neues schafft. Seine Fotografien sind mal beobachtend, mal inszeniert und gleichen einer Reise durch die Vorfreude, die Ängste, die Vorstellungen von Vaterschaft und die Liebe, die diese Phase der Veränderung prägen. Diese beiden sehr intimen Fotoserien sind im Innenraum der Marktkirche zu sehen. Im öffentlichen Raum unmittelbar um die Marktkirche sind vier weitere Fotoserien zu sehen, die das Thema Zuhause aus unterschiedlichen Blickwinkeln in den Fokus nehmen – von Fluchterfahrungen über Genderfragen bis zur Wohnungssuche in der Großstadt.
Der Preisträger in der Kategorie „New Talents“, Jakob Eckstein thematisiert in seiner Arbeit „Besichtigt“ die Wohnungsnot in Städten wie Berlin. Über mehrere Monate lang hat er an zahlreichen Besichtigungsterminen teilgenommen und Menschen auf der Wohnungssuche mit der Kamera begleitet. Die eindrücklichen Bilder zeigen Menschenschlangen in Treppenhäusern und das Warten vor Haustüren und machen in diesen zufälligen Begegnungen das gemeinsame Grundbedürfnis nach einem Raum für ein persönliches Zuhause sichtbar. Aus der Beobachtung heraus findet er kraftvolle Bilder, die Momente der
Hoffnung und Ernüchterung, der Nähe und Rivalität einfangen.
Vor noch viel größeren Herausforderungen stehen Millionen von Flüchtlingen weltweit. Eine Flüchtlingsfamilie steht im Fokus der Serie „Vdoma“ (ukrainisch für Zuhause) von Natalia Kepesz. Seit Beginn des Krieges lebt die Familie mit drei Kindern in einem Zimmer eines Berliner Hotels, das zum Zufluchtsort für ukrainische Flüchtlinge geworden ist. Kepesz hat sie immer wieder besucht und dokumentiert Alltagssituationen, die vom emotionalen Zustand nach dem Verlust der Heimat und der komplexen Suche nach einem Zuhause inmitten von Entwurzelung und Neuorientierung erzählen.
Durch die sozialen Medien ist der Lebensstil der „Tradwife“ in den Blick gerückt. In einer Zeit, in der Feminismus und Gleichberechtigung neue Türen geöffnet haben, lässt eine Gruppe meist junger Frauen traditionelle Rollenbilder wieder aufleben. Marlene Pfau beleuchtet in „Traditional Wives“ die Lebensrealitäten dieser Frauen, die bewusst die Fürsorgearbeit für Familie und Haushalt in den Mittelpunkt stellen. Ihre Frauenporträts reflektieren die Retraditionalisierung von Geschlechterrollen und gehen der Frage nach, was Frauen heute motiviert, sich für ein Lebensmodell zu entscheiden, das viele für überwunden hielten.
„So schön wie Beton“ heißt die Arbeit von Klara Meinhardt. Im Fokus steht die serielle Wohnungsbauserie 70 der ehemaligen DDR, damals eine Antwort auf dringend benötigten Wohnraum. Später wurden die modular aufgebauten Plattenbauten oft wegen ihrer Uniformität kritisiert – hier setzt Klara Meinhardt mit ihrer
Fotografie an. Sie hinterfragt, wie das Serielle und Gleichförmige auch Raum für Individualität lässt. Mit dem künstlerischen Mittel der Cyanotopie verbindet sie in ihren Bildern architektonische Elemente wie Oberflächenstrukturen, Einrichtungsinspiration aus Wohnmagazinen der 1970er Jahre sowie Spuren, die der gelebte Alltag der Bewohner:innen hinterlassen hat. Auf einer lichtempfindlichen Leinwand hat Klara Meinhardt mit Objekten und Wohntextilien ein Wohnzimmer im Standardformat 3,50 x 6 Meter visualisiert und mit natürlichem Sonnenlicht belichtet.
Entstanden sind die Fotoserien während einer viermonatigen Meisterklasse, in der die Fotograf:innen begleitet von einer Fachjury ihre neuen Fotoserien zum Thema „ZUHAUSE” entwickelt haben. Im November 2025 wurden zwei Arbeiten in den Kategorien „Professionals“ und „New Talent“ prämiert. Nun ist auch die Öffentlichkeit gefragt: Besucher:innen sind aufgerufen, im Rahmen der Ausstellung einen Publikumspreis in Höhe von 2.000 Euro zu vergeben.
Die Ausstellung ist eine Kooperation des Sprengel Museums, der Marktkirche Hannover und des Vonovia Award für Fotografie.