Dem Festival La Gacilly-Baden Photo ist es seit seiner Gründung herausfordernde Verpflichtung, die Natur, die Leben schenkt, immer wieder in den Mittelpunkt der Ausstellungen zu stellen. Von 13.6. bis 12.10.2025 stehen die fotografische Erzählungen zwischen Schönheit, humanistischer Reflexion, Wut und Verzweiflung unter dem Motto „Australien & die Neue Welt“ bei dem Festival im Mittelpunkt. Australien und die Neue Welt versammelt Sichtweisen, die gegensätzlicher nicht sein könnten.
Die „Alte Welt“, das waren sehr lange Zeit die Länder Europas. Ab dem Mittelalter erforschten sie Stück für Stück die „Neue Welt“. Obwohl es die anderen Kontinente und Völker mindestens genauso lange wie die Europäer auf dieser Erde gibt, gingen Namensgebungen, Besiedlungen und Kartografie von Europa aus. Die seefahrenden Entdecker nannten Australien Down Under, weil kein anderer Kontinent so weit weg vom Äquator und so nah am Südpol liegt – eben „ganz unten“. Australien, fast hundertmal so groß wie Österreich, zählt kaum 26 Millionen Einwohner. Der einzigartige Kontinent ist nach Saudi-Arabien der zweitschlimmste Umweltverschmutzer der Welt pro Kopf und hat immer wieder Katastrophen erlebt. Die schlimmste Dürre dauerte zehn Jahre und endete 2020 mit Waldbränden, die fast sieben Millionen Hektar Wald zerstörten. Die Flammen wurden von sintflutartigen Regenfällen abgelöst, die in zwei aufeinanderfolgenden Jahren zu massiven Überschwemmungen führten. Darüber hinaus stirbt das Great Barrier Reef, in dem sich 25 Prozent der marinen Biodiversität der Erde konzentrieren, langsam ab und erleidet gerade seine siebte massive Bleiche seit 1998.
Und die Situation der Aborigines, die 60.000 Jahre vor der Ankunft der Kolonialherren im 18. Jahrhundert in dieses Land kamen, ist alles andere als beneidenswert, da ihre Rechte noch immer unterdrückt werden. Gibt es dennoch Hoffnung? Das australische Parlament, das sich seines Rückstands im Umweltbereich bewusst ist, hat zahlreiche positive Initiativen ergriffen und 2022 ein Gesetz verabschiedet, das die Ziele für die Reduzierung der CO2-Emissionen nach oben korrigiert und vorsieht, erneuerbare Energien zu bevorzugen.
Die australischen Fotograf:innen sind Botschafter:innen der Schönheit eines einzigartigen Kontinents, die es zu bewahren gilt. Sie lieben ihr Land so sehr, dass sie sogar Fehler nur mit Poesie anprangern, und eine visuelle Handschrift verwenden, die vor Kreativität überquillt. Ihre Werke erforschen die Themen Identität und Umwelt und bewegen sich zwischen Drama, schwarzem Humor, Fiktion und Realität: Matthew Abbot, Narelle Autio, Tamara Dean, Adam Ferguson, Bobby Lockyer, Trent Parke, Anne Zahalka sowie Viviane Dalles und Agence France-Presse.
In der Neuen Welt begegnen wir in den USA den Arbeiten von Louise Johns und dem Amerika-Chronisten Joel Meyerowitz, dem wir die amerikanischen Perspektiven des Österreichers Alfred Seiland gegenüberstellen. Mitch Dobrowners Fotografien sind Zeugnisse der Apokalypse extremer Wetterphänomene – erschreckend brutal und faszinierend zugleich. George Steinmetz beantwortet mit seinem Opus magnum „Feed The Planet“ die Frage, ob die Welt auch 10 Milliarden Menschen wird ernähren können. Auch ihm stellen wir mit dem fotografierenden Fernsehjournalisten Dieter Bornemann eine österreichische Arbeit gegenüber – „Aufgegessen“. Sie soll Bewusstsein schaffen für das große Thema Lebensmittel-Verschwendung. Denn wir werfen einfach zu viel weg.
Alessandro Cinque präsentiert seine Langzeitarbeit über die Folgen des Bergbaus für die Bevölkerung in den Andenstaaten. Mit Ulla Lohmann reisen wir nach Papua-Neuguinea zu Vulkanvölkern, die in Autarkie leben. Gaël Turine führt uns in die heiligen Wälder Benins, wo Voodoo-Götter als wahre Hüter der Biodiversität gelten.
Alice Pallot beschäftigt sich mit dem Problem der Grünalgenblüte an den Atlantik-Küsten, indem sie das Unsichtbare in einer oft futuristischen Ästhetik einfängt. Sophie Zenon lädtuns zu einer Entdeckungsreise in die bretonische Heide ein. Und Bernard Plossu zeigt großformatige Fresson-Abzüge, die seinen Landschaften ein unwirkliches Aussehen verleihen.
Das bilaterale Fotoprojekt „Der Geist des Sports“ fordert die Schulen in Morbihan und in Niederösterreich auf, fotografisch zu hinterfragen, ob das olympische Motto „Schneller, höher, stärker“ – das für universelle Werte wie Exzellenz, Respekt, Solidarität und Frieden steht – in unserer Zeit noch die Kraft hat, zumindest symbolisch eine bessere Welt zu schaffen?
Brent Stirton hat gemeinsam mit der ME&WE Stiftung von Gaby und Gerhard Ströck und begleitet vom Gesundheitsminister A.D. Rudi Anschober die Herausforderung angenommen, das beinahe Unsichtbare sichtbar zu machen und das Leiden im Verborgenen der zirka 80.000 ME/CFS-Kranken in Österreich am Fallbeispiel von zehn Patient:innen ins Licht der öffentlichen Wahrnehmung zu bringen.
Hans-Jürgen Burkard hat für seine Arbeit „An Tagen wie diesen“ eine ganz außergewöhnliche musikalisch-fotografische Reise unternommen, bei der ein poetisches Deutschland-Bild von verzaubernder Kraft entlang deutscher Liedtexte entstanden ist.
Die Ausstellung der Fotografien der niederösterreichischen Berufsfotograf:innen und die Ausstellung „Director’s Cut“ von Jurypräsidentin Christie Goodwin des mit über 500 000 Bildern aus 170 Ländern größten Fotowettbewerbes der Welt – CEWEs „Our World is Beautiful“ – werden das Festival ebenso abrunden wie die Rückschau auf 2024 in den Bildern des Artist in Residence Reiner Riedler, dessen Bilder von Texten der Thomas-Jorda- Preisträgerin 2023 Irmie Vesselsky begleitet werden.
Ein ganz besonderes visuelles Highlight ist die Ausstellung „The Human Footprint“. Sie ist dem Global Water Summit 2025 gewidmet und zeigt wie die Flüsse und Ozeane unseres Planeten aus dem Orbit zu sehen sind, aufbereitet von Gerald Mansberger und Markus Eisl.
Mit der 4-wöchigen Sonderausstellung Code of the Universe reflektiert das Festival die Machbarkeit des größten Forschungsprojektes der Menschheit. Der Future Circular Collider ist ein Tunnelkreis von rund 100 km Länge im französisch-schweizerischen Grenzgebiet rund um Genf. Der erste Schritt wäre der Bau eines Elektron-Positron-Ringbeschleunigers, einer richtigen „Higgs-Fabrik“. Damit wären die Voraussetzungen geschaffen, um revolutionäre Grundlagenforschung zu betreiben. Mit dieser Ausstellung schließt sich jener Themenkreis, der unseren Glauben an eine Zukunft in Frieden bestärkt.
Unter dem Leitgedanken Culture of Solidarity wird die Zusammenarbeit mit den Festivalpartnern Garten Tulln und dem Monat der Fotografie Bratislava auch 2025 fortgesetzt.