Die vier Finalisten des Deutsche Börsen Photography Foundation Prize 2024 stehen fest: VALIE EXPORT, Gauri Gill & Rajesh Vangad, Lebohang Kganye und Hrair Sarkissian. Der Preis, der 1996 von der Photographers‘ Gallery in London ins Leben gerufen wurde, zeichnet jährlich Künstler für ihre Projekte aus, die in den vergangenen 12 Monaten einen bedeutenden Beitrag zur Fotografie geleistet haben. Der Gewinner der Auszeichnung wird im Rahmen einer Preisverleihung am 16. Mai 2024 in der Photographers’ Gallery bekanntgegeben.
In seiner mittlerweile 27-jährigen Geschichte hat sich der Preis, der auf herausragende, innovative und zum Nachdenken anregende Positionen aufmerksam macht, zu einer der international renommiertesten Auszeichnungen für Fotografen entwickelt. Die für den Deutsche Börse Photography Foundation Prize 2024
ausgewählten Projekte setzen sich kritisch mit drängenden Anliegen auseinander – von den Hinterlassenschaften von Krieg und Konflikt, über Erfahrungen von Diaspora Gemeinschaften und Dekolonisierung bis hin zu Themen wie umkämpfter Heimat, Tradition und Erbe, Gleichheit und Geschlechterfragen. Mit ihren unterschiedlichen Projekten veranschaulichen die Künstler die einzigartige Fähigkeit der Fotografie, Unsichtbares, Vergessenes oder Marginalisiertes ans Licht zu bringen und Wege der Wiedergutmachung zu entwerfen.
Die ausgewählten Finalisten 2024 und ihre Projekte sind:
VALIE EXPORT – für ihre Ausstellung „VALIE EXPORT – The Photographs“ am Fotomuseum Winterthur, Schweiz (25. Februar bis 29. Mai 2023), in Kooperation
mit der Albertina, Wien. VALIE EXPORT (*1940, Österreich) wurde in den späten 1960er Jahren für ihre radikalen Performances und ihre kritische Befragung der Rolle der Frau in der Gesellschaft und der Kunst bekannt.
In Fotografien, filmischen Arbeiten und Installationen bearbeitet VALIE EXPORT Schlüsselthemen wie das Verhältnis von Körper und Blick, Performance und Bild,
Subjekt und Umgebung. Die Fotografie – von der Dokumentation über multimediale Installationen und Einzelarbeiten – spielt eine zentrale Rolle in ihrem Werk.
Seit über 50 Jahren hat VALIE EXPORT Generationen von Künstlerinnen geprägt. In bahnbrechenden Arbeiten wie „Aktionshose: Genitalpanik“ (1969), „TAPP und
TASTKINO 2“ (1968) und „Hyperbulie“ (1973) verrenkt, schneidet und deformiert sie ihren Körper, um die tiefgreifende soziale Unterdrückung von Frauen sichtbar zu machen – ein Thema, das bis heute von Bedeutung ist.
Gauri Gill und Rajesh Vangad – für ihre Publikation „Fields of Sight“ (2023), erschienen im Verlag Edition Patrick Frey. Durch das Verschmelzen von Fotografie und Warli-Malerei erfinden die Fotografin Gauri Gill (*1970, Indien) und der Maler Rajesh Vangad (*1975, Indien) gemeinsam die Praxis der bemalten Fotografie neu, indem sie historische und generationenübergreifende Malpraktiken in das fotografische Objekt einfügen. Ihr vielschichtiger Bild-Dialog beschäftigt sich mit der Politik der Ästhetik, mit Umweltzerstörung, Erinnerung und Dekolonisierung. Das Projekt nahm 2013 in Ganjad, Dahanu, einem Adivasi-Dorf, seinen Anfang.
Vangad, der in dieser Gegend aufgewachsen ist, diente Gill als kundiger Führer. Gills Fotografien fingen die sich ständig verändernden Eigenschaften der Landschaften ein, vermochten jedoch deren verborgene, aber dennoch wesentliche Aspekte, die über das Sichtbare hinausgehen, nicht zu enthüllen. Vangad schloss diese Lücke, indem er Gills Bilder mit kunstvollen Zeichnungen ausgestaltete.
Lebohang Kganye – für ihre Ausstellung „Haufi nyana? I’ve come to take you home” am Foam, Amsterdam, Niederlande (17. Februar bis 21. Mai 2023).
Die fotografischen Arbeiten von Lebohang Kganye (*1990, Südafrika) kombinieren persönliche und kollektive Geschichten miteinander. Um die vielschichtige Geschichte Südafrikas vor, während und nach Apartheid und Kolonialismus zu erforschen, greift sie auf mündlich weitergegebene Überlieferungen und literarische Texte zurück.
In ihren riesigen, experimentellen Installationen erschafft Kganye einen zwischen Erinnerung und Fantasie angesiedelten Raum. In diesem versammelt sie Geschichten aus ihrer eigenen Familie sowie Auszüge aus der südafrikanischen Literatur und schreibt sie zu Theaterdrehbüchern um. Die Ausstellung umfasst vier Arbeiten, die sich unterschiedlichste Medien zunutze machen – von fotografischen Montagen in „Ke Lefa Laka: Her-Story“ („It’s my inheritance: Her-Story“, 2013) bis zur Rauminstallation in „Mohlokomediwa Tora“ („Lighthouse Keeper“, 2018), von der Filmanimation in „Shadows of Re-Memory“ (2021) bis hin zum Patchwork in „Mosebetsi wa Dirithi“ („The Work of Shadows“, 2022). Der in Sesotho, einer der offiziellen Sprachen Südafrikas, wiedergegebene Titel der Ausstellung „Haufi nyana?“ – was soviel bedeutet wie „zu nah/zu eng?“ – spiegelt den Dialog zwischen Betrachter und Künstlerin wider.
Hrair Sarkissian – für die Ausstellung „The Other Side of Silence“ am Bonnefantenmuseum in Maastricht, Niederlande (29. November 2022 bis 14. Mai
2023). Die konzeptuelle Fotografie von Hrair Sarkissian (*1973, Syrien) widmet sich zutiefst persönlichen Geschichten, die zugleich die Komplexität größerer historischer und gesellschaftlicher Themen reflektieren. In „The Other Side of Silence“ werden vordergründig heitere Landschaften und ruhige städtische Umgebungen zu Schauplätzen für die Darstellung von Traumata und den ihnen zugrundeliegenden soziopolitischen Realitäten. Das Werk von Hrair Sarkissian, der als Enkel von vor dem Völkermord geflüchteten Armeniern in Syrien geboren und aufgewachsen ist, kann als Auslotung der verborgenen emotionalen Zwischentöne verstanden werden, die die Lebenswirklichkeiten verschiedener Diaspora-Gemeinschaften durchdringen.
Seine künstlerische Praxis, die sich durch seine schlichten großformatigen Fotografien, Werke aus Bewegtbildern, Skulpturen, Soundarbeiten und Installationen auszeichnet, oszilliert zwischen der Erzeugung meditativer Traum- und beklemmender Todeslandschaften. Dieser Überblick über zwei Jahrzehnte seines Schaffens führt uns durch die öffentlichen Plätze von Aleppo, Latakia und Damaskus, die Himmel von Palmyra im modernen Syrien und die postindustriellen Landschaften Armeniens.
Die diesjährige Jury setzt sich zusammen aus: Rahaab Allana, Kurator und Herausgeber, Alkazi Foundation for the Arts, New Delhi, Indien; Quentin Bajac,
Direktor der Galerie Nationale du Jeu de Paume, Paris, Frankreich; Anne-Marie Beckmann, Direktorin der Deutsche Börse Photography Foundation, Frankfurt/Main, Deutschland; Laura El-Tantawy, Dokumentarfotografin; und Shoair Mavlian, Direktorin der Photographers’ Gallery, London, als stimmberechtigte Vorsitzende.
Die Ausstellung der ausgewählten Projekte wird vom 23. Februar bis zum 2. Juni 2024 in der Photographers’ Gallery, London zu sehen sein. Vom 15. Juni bis zum 15. September 2024 wird sie in der Deutsche Börse Photography Foundation in Frankfurt/Eschborn präsentiert.
Der Gewinner der Auszeichnung wird im Rahmen einer Preisverleihung am 16. Mai 2024 in der Photographers’ Gallery bekanntgegeben und erhält ein Preisgeld von 30.000 Britischen Pfund. Die anderen drei Finalisten erhalten jeweils 5.000 Britische Pfund. Einzelheiten zur Ausstellung und Preisverleihung werden Anfang
2024 bekanntgegeben.