Eine besonders interessante Ausstellung des im letzten Herbst stattfindenden Fotofestival „Open You Eyes“ in Zürich war die von Cooper & Gorfer „Aus den Erzählungen…“ Während die Welt im Rahmen der Millenniums-Entwicklungsziele Fortschritte bei der Geschlechtergleichstellung und der Stärkung der Rolle der Frauen erzielt hat, leiden Frauen und Mädchen in allen Teilen der Welt weiterhin unter Diskriminierung und Gewalt. Die Ausstellung hat das Ziel 5 der 17 Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen im Blick:
Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen
Geschlechtergleichstellung ist nicht nur ein grundlegendes Menschenrecht, sondern eine notwendige Grundlage für eine friedliche, prosperierende und nachhaltige Welt. Leider berichtet derzeit eine von fünf Frauen und Mädchen im Alter von 15–49 Jahren, dass sie in einem Zeitraum von 12 Monaten körperliche oder sexuelle Gewalt durch den eigenen Partner erfahren hat. In 49 Ländern gibt es derzeit keine Gesetze zum Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt. Bei schädlichen Praktiken wie der Kinderheirat und der weiblichen Genitalverstümmelung (FGM), die in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent zurückgegangen ist, wurden Fortschritte verzeichnet. Es bleibt jedoch noch viel zu tun, um diese Praktiken vollständig zu beseitigen.
Gleichberechtigter Zugang von Frauen und Mädchen zu Gesundheitsversorgung, Bildung, menschenwürdiger Arbeit und Vertretung in politischen und wirtschaft– lichen Entscheidungsprozessen wird die Transformation hin zu nachhaltigem Wirtschaftswachstum befördern und Gesellschaften und der Menschheit insgesamt zugutekommen. Die Umsetzung neuer Rechtsrahmen für die Gleichstellung von Frauen am Arbeitsplatz und die Beseitigung schädlicher Praktiken für Frauen ist von entscheidender Bedeutung, um die in vielen Ländern der Welt vorherrschende geschlechtsspezifische Diskriminierung zu beenden.
Schon gewusst?
18 % der Frauen und Mädchen zwischen 15 und 49 Jahren haben in den letzten 12 Monaten physische und/oder sexuelle Gewalt durch den Partner erfahren.
COOPER & GORFER
Aus den Erzählungen…
«Wir teilen ein tief verwurzeltes Interesse an der weiblichen Geschichte und daran, wie unsere Erfahrungen und unser soziokultureller Hintergrund unser Selbstverständnis beeinflussen. Mit unserer Arbeit wollen wir das Unscheinbare und die verborgenen Sehnsüchte, die uns am Herzen liegen, zum Ausdruck bringen und die vielen Ebenen des Lebens und der Erinnerungen, die uns prägen, würdigen.» so Cooper & Gorfer
Das österreichisch-amerikanische Künstlerduo Sarah Cooper und Nina Gorfer konzentriert sich in seinen Arbeiten auf die weiblichen Aspekte kultureller Identität. Cooper & Gorfer beleben die Tradition der Porträtmalerei wieder, indem sie die Geschichte der Dargestellten dekonstruieren. Ihre fotobasierten Bildcollagen fus– sen auf anthropologisch geprägter Recherche in einem Versuch, die persönlichen und kollektiven Geschichten ihrer Protagonistinnen in einem Bild zu verdichten. Wie im Manierismus und Surrealismus der Kunstgeschichte artikulieren sie die unbewussten Aspekte einer Person und sezieren fotografisch unsere Vorstellungen von Identität und wie unser kulturelles Erbe unser Handeln und unsere Wahrnehmung der Welt beeinflusst. Cooper & Gorfer betrachten die beobachtbare Realität durch einen Filter aus Erinnerungen, Stimmungen und Wunden.
Cooper & Gorfer begannen ihre Zusammenarbeit im Jahr 2006. Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Museen ausgestellt: Hasselblad Center, NOMA New Orleans Museum of Art, Nuuk Art Museum in Grönland, The National Museum ofPhotographyCopenhagen, MAK Frankfurt, The Arctic Conference St. Petersburg und Fotografiska, um nur einige zu nennen. Die Arbeiten von Cooper & Gorfer sind in mehreren Privat- und Museumssammlungen vertreten, unter anderem in der Nationalgalerie von Island. Sie wurden mit dem Deutschen Fotobuchpreis 2018 ausgezeichnet und sind Fuji Ambassadors.
ETH Zurich | Johanna Jacobi
BUILDING EQUITYINTO THE FOOD SYSTEM
Professorin Johanna Jacobi hat familiäre Wurzeln in Bolivien und Deutschland. Sie hat in Europa, Nord- und Südamerika, Afrika und Indien gelebt und gearbeitet. Sie glaubt fest an partizipatorische Prozesse und daran, wie diese genutzt werden können, um nachhaltige, faire Anbaumethoden und Lebensmittelsysteme zu entwickeln, die auf verschiedenen Arten von Wissen basieren. Johanna analysiert, wie Ungleichgewichte in der politischen und marktwirtschaftlichen Macht das globale Lebensmittelsystem an einen Krisenpunkt treiben.
Ungleiche Machtverhältnisse aufdecken
In ihrer Arbeit führt sie die Hauptursachen dieser Krise auf Machtverhältnisse zurück, die mehrdimensional und zunehmend unausgewogen sind. Im Kern geht es dabei um die ungleiche Beteiligung an Entscheidungsprozessen zwischen Gruppen, die innerhalb des Lebensmittelsystems arbeiten und sich in Geschlecht, Alter und Kultur unterscheiden können. Um dem entgegenzuwirken, konzentriert sich Johanna in ihrer agrarökologischen Forschung, wo immer möglich, auf Geschlechterrollen und kulturelle Aspekte.
Gemeinsam mit ihrer Forschungsgruppe an der ETH Zürich und internationalen Partner:innen macht Johanna Verbindungen zwischen verschiedenen Aspekten des Ernährungssystems sichtbar. Sie ist beunruhigt über die Unstimmigkeiten, die sie zwischen menschlichem Handeln und dem restlichen Leben auf unserem Planeten sieht, und versucht, Widersprüche und Alternativen aufzuzeigen, die sonst unbemerkt bleiben würden.
Genossenschaften und Deliberation
In Brasilien und Kenia konnten Johanna und ihre Forschungspartner:innen beispielsweise zeigen, wie die Herstellung von Käse und anderen Milchprodukten fairer und demokratischer gestaltet werden kann und wie sie den handwerklichen Erzeuger:innen, meist Frauen, ein Einkommen verschaffen kann. Durch partizipative Aktionsforschung und Partnerschaften mit lokalen NGOs halfen sie bei der Gründung von Genossenschaften, die es den kleinen Milchproduzent:innen ermöglichen, ihre Produkte direkt an die Kund:innen zu vermarkten und so ihre Abhängigkeit von Zwischenhändler:innen zu verringern.
Johanna hat in ihrem Werkzeugkasten einen mächtigen Hebel und ein «partielles Gegenmittel» gegen ungleiche Machtverhältnisse: die Deliberation, das heisst das politische Gespräch der Bürger:innen, die kollektive Entscheidungsfindung und die Beteiligung an politischen Prozessen. Ihre systemische agrarökologische Forschung – die neben ökologischen und ökonomischen auch soziale und kulturelle Dimensionen gleichwertig berücksichtigt – zeigt, dass das System sicherer, nachhaltiger und gerechter wird, wenn einheimische Frauen und Männer ihre Ernährungssysteme selbst und gemeinsam aufbauen.
«Unser Ziel ist es, durch sozial-ökologische Systemforschung zu einer nachhaltigen und gerechten Transformation von Agrar- und Ernährungssystemen beizutragen»
Prof. Dr. Johanna Jacobi, Leiterin der Agroecological Transitions Group an der ETH Zürich