Am Sonntag, dem 23. April feiern seit 1995 die Buchliebhaber auf Initiative der UNESCO den Welttag des Buches und des Urheberrechtes. Das Datum wurde als Erinnerung an die Todestage der beiden erfolgreichsten Schriftsteller ihrer Zeit und bis heute weltweit immer wieder gelesenen Dichter Miguel de Cervantes und William Shakespeare gewählt. Da in diesem Jahr das signifikante Datum auf einen Sonntag fällt, hat dies die Bibliothek des Deutschen Museums in München zum Anlass genommen, die Pforten zu ihren Magazinen und Schatzkammern für die Öffentlichkeit zu öffnen, um interessierten Besuchern, kostenlos einen Blick auf die kostbarsten Bestände von Deutschlands größter Museumsbibliothek zu ermöglichen.
Hier lagern Schätze aus Papier, die zum Teil mehr als ein halbes Jahrtausend alt sind: Der Rara-Bestand ist das Allerheiligste der Bibliothek des Deutschen Museums. Dabei handelt es sich um seltene, teils handkolorierte Bücher, die Besucherinnen und Besucher der Bibliothek normalerweise nicht zu sehen bekommen. Im Rahmen von Führungen gewährt die Bibliothethek Einblicke in Bereiche, die der Öffentlichkeit sonst verborgen bleiben. Der Blick hinter die Kulissen der größten Museumsbibliothek Deutschlands lohnt sich auch für Interessenten der Fotogeschichte. Zu den Raritäten der Biblithek gehört neben .
Dabei hat man zum Beispiel die Chance, die „Schedel’sche Weltchronik“ aus dem Jahr 1493 zu Gesicht zu bekommen, in der die erste gedruckte Stadtansicht von München zu sehen ist. Gemeinsam mit Jan van der Straets „Nova Reperta“ wird sie in einer Vitrine präsentiert, die Bezug nimmt auf die Ausstellung „Bild Schrift Codes“. Hier, wie in weiteren Schaukästen, gibt es QR-Codes, die von den Schätzen der Bibliothek Verbindungen zu den Ausstellungen aufzeigen. In Sachen Gesundheit ist das zum Beispiel Juan de Valverdes „Anatomia del corpo humano“ aus dem Jahr 1560 zusammen mit Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 1896 ergänzt durch das Herzmodell, das man über den QR-Code zu sehen bekommt.
Was sich aber in den Räumen neben der Bibliothek und im Magazin im Obergeschoss verbirgt, wissen oder ahnen nur wenige der MUseumsbesucher. So finden sich hier Zeitschriften, die es nur noch genau einmal vollständig auf der Welt gibt, wie beispielsweise das erste Lufthansa-Magazin „Ikarus“. Ebenso werden hier die „Libri rari“, jene seltenen 15 000 Bücher aufbewahrt, auf die das Museum besonders stolz ist und die man sich sonst nur nach Anmeldung in einem besonderen Leserraum ansehen kann. „Wir haben eine Sammlung von seltenen Originalen aus dem 15. bis zum 18. Jahrhundert, von Albertis Architekturtheorie ‚De re aedificatoria‘ über Galileis ‚Dialogo‘ bis hin zu Peter Apians prachtvoll illustriertem Astronomie-Buch“, sagt Helmut Hilz, der die Bibliothek des Deutschen Museums seit 25 Jahren leitet.
Schon für Oskar von Miller, den Gründer des Museums, war die Museumsbibliothek ein wichtiges Projekt: „Für sein Ziel, einem möglichst breiten Publikum Naturwissenschaft und Technik nahezubringen, setzte Oskar von Miller von Anfang an neben eindrucksvollen Exponaten auf die Macht der Bücher“, sagt Generaldirektor Wolfgang M. Heckl. Zur Eröffnung der Bibliothek des Museums im Jahr 1932 berichtete sogar die „New York Times“ in einem Gastbeitrag Oskar von Millers.
„International findet sich nirgendwo sonst ein vergleichbarer Bestand an Original- und Sekundärliteratur zu Natur- und Technikwissenschaften im Zeitraum zwischen 1700 und 1950“, sagt Helmut Hilz. „Natürlich nutzen viele Forscher diese einzigartigen Ressourcen, aber unsere Einrichtung steht grundsätzlich allen offen, die sich für Naturwissenschaften, Technik und Umwelt interessieren.“
Am Sonntag, 23. April, zum Welttag des Buches, möchten Hilz und sein Team genau diese Offenheit demonstrieren: Die Bibliothek ist von 9 bis 17 Uhr geöffnet – und zwischen 10 und 16 Uhr erwartet die Besucherinnen und Besucher ein umfangreiches Programm. Selbst im Lesesaal, wo sonst die Lernenden in aller Stille über Büchern und Zeitschriften brüten, wird ausnahmsweise laut gesprochen: beim Expertendialog über künstliche Intelligenz, bei einer Lesung über Phänomene der Physik, bei inspirierenden Erzählungen über mutige und entschlossene Erfinderinnen.
Ein Büchertisch des Museumsshops macht an diesem Tag möglich, was sonst in der Präsenzbibliothek unmöglich ist: Hier kann man nicht nur schmökern und stöbern, sondern die Bücher auch mit nach Hause nehmen. Führungen, Lesungen und Workshops in der hauseigenen Buchbinderwerkstatt gibt es gratis – hier gilt, wie immer in der Bibliothek des Deutschen Museums: Eintritt frei! Für die Führungen und die Workshops ist jedoch eine Anmeldung vorab nötig, weil die Plätze begrenzt sind. Der Zugang zur Bibliothek erfolgt über den Museumshof zwischen Zenneck- und Boschbrücke. Anmeldungen und weitere Infos zum Programm gibt es auf der Webseite der Bibliothek.
Das Aufkommen der Eisenbahn in den 1830er führte zu fundamentalen Umwälzungen im Bereich der Mobilität, die ihren Niederschlag nicht zuletzt in der zeitgenössischen Publizistik fanden und in der Folge zahlreiche Eisenbahnbücher füllten. Wie groß die Neugier an dieser neuen Technik war, zeigen einige besonders kreativ gestaltete Bücher, darunter ein in der Museumsbibliothek aufbewahrtes Exemplar mit dem Titel „Deutschlands erste Eisenbahn“, das zwischen 1835 und 1840 angefertigt wurde und die Zugfahrt von Nürnberg nach Fürth darstellt.
Das Werk, ein sogenanntes Diorama, präsentiert sich nicht als Buch im klassischen Sinne, sondern wurde als Kombination aus Guckkasten und Leporello entwickelt. Die Betrachterinnen und Betrachter schauen dabei durch drei Öffnungen im Einband, die den Blick auf den fahrenden Zug, die angrenzende Landschaft sowie eine an den Gleisen stehende Menschenmenge eröffnen. Der perspektivische Eindruck, der sich dabei bietet, resultiert aus der Aneinanderreihung verschiedener Abbildungen, die geschickt hintereinander platziert wurden.
Ein Highlight für alle Fotobegeisterten unf Liebhabern der Fotografie ist das erste Fotobuch von William Henry Fox Talbot mit dem Titel „Sun Pictures in Scotland“ aus dem Jahr 1845. Es enthält 23 von Hand gefertigte und einzeln eingeklebte Fotografien, die Landschaften und Gebäude in Schottland zeigen. Diese frühen Zeugnisse der Fotografie präsentieren sich heute in zarten Braun- und Beige-Tönen, denn aufgrund ihrer Herstellungsweise sind sie lichtempfindlich und verblassen vergleichsweise schnell. Als sogenannte Kalotypien entstehen sie, indem Sonnenlicht durch eine Kamera auf ein mit lichtempfindlichen Materialien behandeltes Blatt Papier fällt. Das so entstandene Negativ dient dann als Vorlage, um durch Kontaktabzüge die fertigen Fotografien anzufertigen.
William Henry Fox Talbot, der 1834 mit seinen Forschungen zur Fototechnik begann und diese 1839 – kurz nach Bekanntwerden der Entwicklung der Daguerrotypie durch Louis Daguerre – veröffentlichte, gilt damit noch heute als Erfinder des Positiv-Negativ-Verfahrens, das bis zum Aufstieg der Digitalkameras die Grundlage der Fotografie werden sollte.
1844 begann Talbot mit der Publikation des nie fertiggestellten Fortsetzungswerks „The Pencil of Nature“, das die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten der Kalotypie vorstellen sollte und die ersten Fotografien in einem kommerziell verlegten Buch enthielt. „Sun Pictures in Scotland“ folgte ein Jahr später und ist das erste in sich abgeschlossene, fotografisch illustrierte Buch. Nach Recherchen der schottischen Nationalbibliothek existieren von der ursprünglich 100 Stück starken Auflage heute nur noch ca. 20 vollständige Exemplare – eines davon in der Bibliothek des Deutschen Museums.
Am 23. April, dem UNESCO Welttag des Buches, dürfen Interessierte einen Blick auf die kostbarsten Bestände der Bibliothek des Deutschen Museums in München – Deutschlands größter Museumsbibliothek- werfen. An diesem Tag präsentiert die Bibliothek eine Auswahl ihrer schönsten und wertvollsten Bücher. Im Rahmen von Führungen werden Einblicke in Bereiche gewährt, die der Öffentlichkeit sonst verborgen bleiben.
Zahlen und Fakten zur Bibliothek des Deutschen Museums
Standort: Museumsinsel München, Eingang gegenüber dem Ausstellungsgebäude des Deutschen Museums
Gegründet 1903 (zusammen mit Museum und Archiv Bestandteil der Gründungssatzung)
Eröffnung auf der Museumsinsel am 7. Mai 1932
Spezialbibliothek für Naturwissenschafts-, Technik- und Umweltgeschichte
Daneben auch aktuelle naturwissenschaftlich-technische Grundlagenliteratur.
Präsenzbibliothek (Ausleihe außer Haus nur in Ausnahmefällen möglich)
Größte Museumsbibliothek Deutschlands (bezogen auf den Bestand)
Gesamtbestand:
Rund 991 000 Bände
31 500 Periodika
54 000 E-Journals und Datenbanken
Eintritt frei
Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite der Bibliothek.