Das Münchner Kunstfoyer der Versicherungskammer Kulturstiftung zeigt vom 13.9. bis 26.11.23 spannende Serien des amerikanischen Fotografen Ralph Gibson in der retrospektiv angelegten Ausstellung „Secret of Light“. Sie stellt die Entwicklung des Werkes von Ralph Gibson seit den 1960er Jahren bis in die Gegenwart vor. Die Ausstellung wurde in direkter Zusammenarbeit mit dem Künstler entwickelt und ist die bisher umfangreichste Schau des Fotografen. Insgesamt werden 260 schwarzweiße und farbige, analog und digital entstandene Arbeiten aus dem privaten Bestand des Künstlers zusammengestellt. Zusätzlich bereichert wird diese Auswahl durch rund 70 Arbeiten, die der Sammler F. C. Gundlach im Zuge seiner Zusammenarbeit mit Ralph Gibson zu Beginn der 1980er Jahre für seine private fotografische Sammlung erwarb, die als Dauerleihgabe am Haus der Photographie in den Hamburger Deichtorhallen untergebracht ist.
Heute erzählt Ralph Gibson, dass er sich in seiner Fotografie immer mehr auf das Wesentliche geschränkt. Auf Formen, Strukturen, Linien. „Eigentlich fotografiere ich immer das Gleiche, mit einer Kamera einem Objektiv, aus einem Abstand mit stts der gleichen Blende und Verschlusszeit.
Ralph Gibson, 1939 in Los Angeles geboren, ist eine der prägenden Figuren der internationalen Fotografie. Seine Künstlerbücher zählen seit den 1970er-Jahren zu den Klassikern des Genres. Gibsons großes internationales Renommee basiert auf seinen außergewöhnlichen Arbeiten, die von führenden Museen der Welt gezeigt und gesammelt werden – in den Sammlungen des Museum of Modern Art in New York und dem J.P. Getty Museum in Los Angeles ist er genauso mit Werken vertreten wie in der John Simon Guggenheim Memorial Foundation, dem Creative Center for Photography in Tucson, dem Museum of Fine Arts in Houston, dem Maison Européenne de la Photographie und der Bibliothèque Nationale de France in Paris oder dem Fotomuseum Winterthur in der Schweiz.
Ralph Gibson interessiert sich nicht für die fotografische Dokumentation der Realität, er begreift die Fotografie selbst als ästhetische Realität. Ein Leitmotiv seiner Arbeiten ergibt sich dabei aus der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs der Fotografie – dem Zeichnen mit Licht. Gibson benötigt das Licht nicht nur als materielle Voraussetzung für die Entstehung einer jeder seiner Fotografien, er untersucht es, er spielt und gestaltet mit Licht, gleichzeitig gestaltet er genauso mit seinem Widerpart, dem Schatten. Gibson erhebt somit das Licht selbst zum Thema seines Oeuvres.
Neben der stark abstrahierenden Wirkung der Schwarzweißkontraste spielt der genaue Bildausschnitt, den Gibson während der Aufnahme mittels der Kameraoptik komponiert, eine zentrale Rolle. Gibson selektiert sorgfältig, so dass seine Arbeiten im Ergebnis rätselhafte Fragmente der Wirklichkeit präsentieren. Zwischen den expressiven schwarz-weißen Kontrasten, die bis in das grobe Korn der Abzüge zurückzuverfolgen sind, und auch bei den subtilen farbigen Motiven bewegen sich seine Kompositionen in Richtung einer eigenwilligen grafischen Makellosigkeit und delikaten Schönheit höchster Vollkommenheit. Ist es möglich, die Bilder aufgrund ihrer grafischen Raffinesse zunächst trügerisch rasch zu erfassen, entziehen sie sich dennoch hartnäckig dem Leseprozess konkreter Verortung und ziehen sich ins Vieldeutige oft surrealer und rätselhaft verbleibender Traumsequenzen zurück. Das seltsame Eigenleben seiner zeitlosen Fotografien, von Gibson raffiniert intendiert und gestalterisch geschickt unterstützt, entfaltet seine geheimnisvolle und magische Wirkung dann vollends, wenn es sich nachhaltig auf das Innere des Betrachters überträgt und dort weiterwirkt.
Early Work (1960-1969)
Ralph Gibson arbeitet bereits sehr früh als Assistent mit namhaften Fotografinnen und Fotografen wie Dorothea Lange und Robert Frank. Beide werden seine Sicht auf die Fotografie nachhaltig beeinflussen. Insbesondere durch den engen persönlichen Kontakt zu Robert Frank wird Gibson deutlich, wie notwendig die Entwicklung eines persönlichen Standpunkts und einer entsprechenden visuellen Handschrift innerhalb der Fotografie ist. Seine bis dahin entstandene Street Photography war rein dokumentarisch geprägt. Nun mischen sich mehr und mehr bizarre und seltsam eigenwillige Elemente in die Wiedergabe des alltäglich Beobachteten. Dies führt spätestens ab Mitte der 1960er Jahre zur konsequenten Entwicklung einer sehr persönlichen, surrealen und assoziativ geprägten Fotografie.
Mono
2012 betritt Gibson das Terrain der digitalen Fotografie. Dazu arbeitet er mit der Leica M Monochrom, der ersten digitalen Leica-Messsucherkamera, die ausschließlich Schwarz-Weiß-Bilder produziert. Gibson vergleicht den Wechsel von der analogen zur digitalen Fotografie mit dem Erlernen einer neuen Sprache. Es gelingt ihm, seine jahrzehntelange Erfahrung in die neue Technik zu übersetzen und an ihren Besonderheiten anzupassen. Straßenecken, Stühle, Masken, Lampen, Rückenansichten und auch Akte lassen sich in der Bildserie entdecken. Besonders hinter den Schattenspielen der einzelnen Bilder verbirgt sich eine gemeinsame Sprache, die die einzelnen Motive miteinander kommunizieren lässt. Das von Gibson perfekt beherrschte Spiel mit Linien, Licht und Schatten verdichtet sich mit der digitalen Technik noch einmal und erreicht auf diese Weise eine noch homogenere Gesamtwirkung.
Nature / Object (2015-2022)
In der Serie „Nature/Object“ widmet sich Gibson zum ersten Mal konkret und ausschließlich dem Universum der Natur. Genauestens beobachtet er etwa die unterschiedliche Beschaffenheit der Oberfläche von Rinde an Bäumen und spürt der Textur und dem Volumen zarter Blüten im Unterschied zu ledrigen Blättern sensibel nach. „Es gibt eine Art asemisches Schreiben. Das ist eine Form des Schreibens, das nicht an irgendeine Sprache gebunden ist. […] Also sah ich mir einige dieser kalligrfischen Formen in der Natur an. Sie waren sehr klar gegliedert. Sie waren sehr intelligent, sie besaßen visuelle Integrität, und sie sprachen mich an, sie reizten mich. […] Ich wollte verstehen können, was sie mir in einer Art schriftlichem Kontext zu sagen versuchten.“ Das vorsichtige Umkreisen und intensive Beobachten seiner Motive wirkt fast kontemplativ. Im Zusammenklang mit den Schatten, die sich durch den Lichteinfall ergeben, wirken viele der Aufnahmen entrückt und traumähnlich.
The Black Trilogy (1970-1974)
Ralph Gibson führt in den 1960er Jahren zahlreiche kommerzielle Auftragsarbeiten aus. In New York arbeitet er für einige Zeit für die Agentur „Magnum Photos“. Er ist jedoch unzufrieden mit den Ergebnissen seiner Arbeit. Aus diesem Grunde distanziert er sich mehr und mehr von der Idee, seinen Lebensunterhalt als Fotojournalist zu bestreiten.
1966 sieht er „Persona“, den Kinofilm des schwedischen Regisseurs Ingmar Bergman, der ihn sehr beeindruckt. Auch beginnt er damit, sich intensiv mit Texten der französischen Schriftsteller Alain Robbe-Grillet und Michel Butor zu beschäftigen. Neben dem französischen „Nouveau Roman“ wird er stark durch das französischen Kino der »Nouvelle Vague« beeinflußt. Besonders die visuellen und inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten des Surrealismus und der assoziativen Betrachtung ziehen ihn magisch an. Des Weiteren fordern ihn visuelle Experimente heraus, die er mit seiner Kamera unternimmt.
Alle drei Serien der „Black Trilogy“ – „The Somnambulist“ (1970), „Deja-Vu“ (1972) und „Days at Sea“ (1974) – sind als Künstlerbücher konzipiert. Gibson gibt sie in seinem eigenen Verlag »Lustrum Press« heraus, den er für seine Arbeiten gegründet hat. Nur auf diese Weise konnte er vollkommen unabhängig und ganz frei über die Gestaltung und Produktionsform bestimmen. Neu ist auch sein Konzept der absoluten Offenheit des Werks. Es befreit seine Arbeiten von der traditionellen Unterwerfung unter die Gesetze klassischer fotografischer Erzählung. Das Wesen der Realität, die Gibson in seinen Fotografien beschreibt, umfasst Träume und diverse mentale Zwischenzustände. Dabei bleibt es jedem Betrachter überlassen, eine eigene, persönliche Interpretation der Bildfolgen zu entwickeln, die Gibson in seinen Büchern präsentiert.
The Somnabulist (1970)
Die Serie „The Somnambulist“ markiert die endgültige Abkehr Gibsons vom dokumentarischen hin zu einem persönlichen, surrealen Stil. Antrieb dieser Serie war sein Wunsch, eine Realität des Traums und des Unterbewussten einzufangen. Über die Entstehung der Bilder berichtet Gibson, dass die Idee für „The Somnambulist“ zunächst in seinem Unterbewusstsein Gestalt annahm. Oft habe er selbst die einzelnen Fotografien beim ersten Betrachten selbst gar nicht verstanden. Erst die Form des Fotobuchs und der damit einhergehende Prozess des Anordnens der Bilder auf den einzelnen Seiten ermöglichte es Gibson, Zugang zum Sinn und Wesen seiner Werke zu finden. Die mit dieser Bildserie geschaffene Welt der Träume und mentalen Zwischenzustände verhalf ihm zum Durchbruch in der Kunstwelt.
Deja-Vu (1972)
Der unglaubliche Erfolg, die ihm „The Somnambulist“ eingebracht hatte, motivierte Gibson zu seiner zweiten Bildserie „Deja-Vu“. Auch sie beschäftigt sich mit der verschobenen Empfindung von Realität. Im Vordergrund steht hier der zeitliche Aspekt der Wahrnehmung, den er mit fotografischen Mitteln ergründet: „Ich bemerkte, dass, wann immer ich ein Déjà-Vu hatte, es in meinem Bewusstsein zur gleichen Zeit verblasste, in der ich es registrierte. Eine Art mentaler Kontrapunkt. Die Fotografie ist eine solche zeitbasierte Handlung“. Während „The Somnambulist“ der Domäne des Traums zuzuordnen ist, gehört die Serie „Deja-Vu“ einer Welt flüchtiger Erinnerung und Fantasie an. Die Offenheit und Unbestimmtheit der Motive laden die Betrachter dazu ein, eigene persönliche Erinnerungen, Erfahrungen und Bilder vor ihrem inneren Auge aufblitzen zu lassen.
Days at Sea (1974)
Die Serie „Days at Sea” vervollständigt die „Black Trilogy“.Die einzelnen Arbeiten bestechen durch ihre technische Perfektion und Präzision. Deutlich bemerkbar ist, welch hohen Grad an gestalterischer Sicherheit sich Gibson mittlerweile erarbeitet hat. Charakteristisch ist die Annäherung der Kamera an das fotografierte Objekt. Gibson konzentriert sich mehr und mehr auf das Ziel, die vollständige Kontrolle über jedes einzelne Detail zu erlangen. Unwichtige Partien im Bildraum werden mehr und mehr eliminiert. Gibson isoliert so die Objekte aus der gewohnten Seherfahrung. Die Arbeiten erhalten durch diese Vorgehensweise einen höheren Grad an Abstraktion. Thema der Serie ist die Existenz an sich. Mit den Mitteln der Schwarz-Weiß-Fotografie überführt Gibson die Motive in eine von erotischen, aber auch von fetischistischen Impulsen geleitete Bildsprache.
Quadrats (1975-1988)
Die Serie „Quadrants“ folgt einer festgelegten Vorgehensweise. Gibson fotografierte jeweils zur Mittagszeit bei hohem Sonnenstand. Der Abstand zum fotografierten Objekt betrug jeweils etwa einen Meter. Dadurch entstehen auf der Bild Fläche extreme Gegensätze von Licht und Schatten. Die oft durch das direkte Sonnenlicht brutal ausgeleuchteten Bildelemente zeigen sich messerscharf und hochplastisch. Der unklare, geheimnisvoll aufgeladene Schattenbereich jeder einzelnen Aufnahme scheint dabei ebenso viel Inhalt zu enthalten wie die hellen Anteile im Bild. Gibson erforscht mit hoher Intensität die „Sehgewohnheiten“ seiner Kamera. Mittels formaler grafischer Gestaltung lotet er die Balance zwischen dem hell scheinenden Sonnenlicht und den tiefsten Schatten genau aus. Mit „Quadrants“ überwindet Gibson alle dokumentarischen und narrativen Strukturen.
Black Series
Ralph Gibsons Bildserie „Black Series“ entsteht zwischen 1978 bis etwa Mitte der 1990er-Jahre. Sie basiert auf der strengen formalen Gestaltung und kühlen Eleganz der Bildserie „Quadrants“. Gibson verzichtet hier fast vollständig auf Nahaufnahmen von Gesichtern und Körperteilen. Er widmet sich fast ausschließlich Teilausschnitten des Gegenständlichen. Oft sind die verarbeiteten Details architektonischen Zusammenhängen entnommen. Gibson treibt die Intensität des Zusammenspiels zwischen Licht und Schatten an eine Grenze, die den Betrachter nur noch Linien und geometrische Formen erkennen lässt. Im Ergebnis steigert sich der noch geheimnisvollere und rätselhaftere Charakter einer jeden Arbeit. Es scheint, als ob die fotografierten Objekte von Gibson nur noch als Bühne seiner beiden Hauptdarsteller, dem Licht und dem Schatten, eingesetzt werden.
Nudes (1968-2005)
Aktfotografie nimmt einen nur kleinen, aber wesentlichen Teil von Gibsons Arbeit ein. Wie in all seinen Bildserien wendet er die Erforschung von Kontrast, Form und Licht auch auf den menschlichen Körper an. Gibson thematisiert Details des Körpers wie den zarten Schwung eines Schlüsselbeins, die Stirn, Augen oder Mund in nahsichtigen Aufnahmen. Oft arbeitet er mit Körperfragmenten wie der klassischen Linie des Profils, Gesten von Händen oder auch Füßen oder der Kurvatur von Rücken und Oberschenkeln. Ein hoher Grad an intimer Wirkung stellt sich trotzdem nicht ein. Die Aufnahmen erzielen erstaunlicherweise genau das Gegenteil. Oft wirken die Körper eher wie fotografierte Marmorstatuen der Antike. Indem Gibson den Hintergrund weitestgehend ausblendet, scheint diese radikale Bearbeitung die individuellen Eigenschaften seiner weiblichen und männlichen Modelle zu neutralisieren. Bei genauerem Hinsehen sind zahlreiche kunsthistorische Vorbilder zu entdecken. Neben Paul Outerbridge und Erwin Blumenfeld sind Francisco de Goya, Diego Velázquez und Pablo Picasso anzuführen. Trotz dieser Einflüsse bleibt Gibsons Handschrift klar erkennbar. Durch die Verwendung starker Hell-Dunkel-Kontraste und extremer Nahsichten oder Fragmentierungen wird von der Wirklichkeit abstrahiert. Der Grad der Abstraktion bietet dem Betrachter dabei Raum für eigene Interpretation und fordert dazu auf, über die Vorstellung von Schönheit und Sexualität nachzudenken. Dazu erzählt die Kuratorin der Ausstellung Sabine Schnakenberg eine frühe Begegnung mit dem Aktbild mit der Feder. Sabine Schnakenberg ist als Kind einer Schneiderin in einem kleinen Ort in Norddeutschland aufgewachsen. Ihre Mutter hatte das Bild in ihrer Anprobe an den Spiegel geheftet, weil die Frau bei der Anprobe so gezappelt haben, dass es schwer war die Kleider richtig abzustecken. Seit das Foto dort hing, hielten sie sich ruhig. Als die kleine Sabine fragte, was denn an diesem Bild sei, dass die Frauen sich beim Anblick des Fotos plötzlich ruhig verhielten, antwortete die Mutterals Kind sähe man nur das Bild aber bei Erwachsenen entstünden noch weitere Bilder im Kopf.
Theorem (1977)
Ein besonderes Fundstück aus der Sammlung F.C. Gundlach ist Gibsons erste farbige Bildserie „Theorem“. Diese wurde 1981 in der Ralph Gibson-Ausstellung in der PPS. Galerie F.C. Gundlach in Hamburg erstmalig vom Sammler, Fotograf und Kurator F.C. Gundlach gezeigt. Farbfotografie fand in den 1970er Jahren zunehmend Aufnahme in den Kunstkontext. Dies motivierte auch Gibson, mit Farbe zu experimentieren. Durch die Wahl einfacher und flächiger Motive gelingt es ihm, subjektive und inhaltliche Elemente fast vollständig zu beseitigen. Er konzentriert sich auf das Zusammenspiel von Farbe und Brennweite. Sein Ziel ist es, die Eigenständigkeit des fotografischen Mediums gegenüber der Malerei zu thematisieren und zu bekräftigen. Der Kritiker Hal Foster rezensierte die in New York bei Castelli Graphics 1978 ausgestellten Arbeiten: „Man nimmt an, die Fotografie sei von der Malerei abgeleitet – »Theorem« legt nahe, dass sie es nichtist. Man nimmt weiterhin an, die Fotografie sei rein deskriptiv – »Theorem« legt nahe, dass sie definitorisch, ja epistemologisch sein könnte.“
Political Abstraction (2015)
Die Serie „Political Abstraction“ besteht aus Bogen, auf denen jeweils ein schwarz-weißes oder unbuntes und ein farbiges Motiv gemeinsam abgebildet sind. Formal nehmen diese Diptychen einen bereits früh entwickelten Leitgedanken Gibsons auf, wie er ihn bereits für seine Künstlerbücher „The Somnambulist“ oder „Deja-Vu“ entworfen hatte. Die Gegenüberstellung zweier Fotografien auf einer Doppelseite provoziert bei dem Betrachter die Suche nach Wechselbeziehungen innerhalb der Motive. Ganz unwillkürlich werden sie beim Betrachten nach möglichen Ähnlichkeiten von Linienverläufen, Formen, Materialien, Licht und Schatten abgetastet. Mögliche Verbindungen und Bedeutungen werden so zwischen ihnen aufgedeckt.
The Vertical Horizon (2016-2021)
Gibson bevorzugt eindeutig das Hochformat. „Als ich vor Jahrzehnten die Erzählstruktur des Fotojournalismus aufgab, wurde ich von dem horizontalen Rahmen abgetrieben […]; 99 Prozent meiner Fotografien werden in der Vertikalen gesehen und gemacht.“ Viele der Motive lassen sich im städtischen Raum wieder finden. Die Aufnahmen strahlen eine eigentümliche, fast irritierende Energie aus. Einzelne Motive scheinen aus ihrem flachen räumlichen Gefüge auszubrechen und den Bildraum erobern. Diese surreale Qualität ist auch auf die Verwendung des Objektivs mit einer Brennweite von 135 mm zurückzuführen. Die hier bewusste eingesetzte optische Kompression verdichtet das sorgfältig ausgearbeitete Verhältnis der Formen, Volumina und Proportionen. Unterstützt wird dies noch durch die überscharf wirkende Deutlichkeit und die Betonung linearer Aspekte.