Mit einem leisen Surren schiebt sich das Bild aus dem Schlitz der Sofortbildkamera. Bei Helmut Newton häufig eine Polaroid S-X70. Innerhalb von Sekunden formt sich später aus milchigem Nebel das analoge Abbild einer realen, vom Fotografen inszenierten Szene. So begann für Helmut Newton oft die Geburt seiner späteren, fotografischen Ikonen. Ab dem 15. Oktober 2025 bis zum 22. Februar 2026 zeigt das Kunstfoyer der Versicherungskammer Kulturstiftung in München mit der Ausstellung „Helmut Newton. Polaroids“ über 150 dieser Sofortbilder. Sie repräsentieren intime Dokumente eines fotografischen Denkprozesses.

Helmut Newton, French Vogue, Yves-Saint-Laurent, Paris-1977 © Helmut Newton Foundation
Skizzen auf lichtempfindlichen Medien
Für Newton waren seine Polaroids mehr als technisches Hilfsmittel. Es waren visuelle Notizen, eine Art analoges Storyboard, in dem sich seine Ideen in Echtzeit verdichteten. „Ich war zu ungeduldig, um auf die Entwicklung des Films zu warten“, sagte er einmal. Und tatsächlich: Das Sofortbild war für ihn Probe, Versuch, Verführung – eine Miniaturfassung seiner Vision, in der sich Licht, Körper und Komposition erstmals begegneten.

Jimmy Choo, Monaco 2002, © Helmut Newton Foundation
In diesen flüchtigen Bildern steckt jene Spannung zwischen Kontrolle und Zufall, die Newtons Werk bis heute prägt. Der Fotograf, bekannt für seine inszenierten Frauenbilder voller Macht, Ironie und Eleganz, nutzte das Polaroid, um den Blick zu schärfen. In den kleinen Rahmen seiner SX-70- oder Polacolor-Prints kristallisiert sich das, was später als makellose Modefotografie in Vogue oder Elle erschien – noch roh, tastend, manchmal unscharf, aber von einer fast unverschämten Unmittelbarkeit.

Dr Matthias Herder Director Helmut Newton Foundation, erklärt beim Presserundgang den Vergleich zwischen Polaroid und Ergebnis „auf Film“.
Vom Testbild zur Kunst
Das Kunstfoyer zeigt Newtons Sofortbilder nicht als technische Fußnoten, sondern als eigenständige Werke. Viele der Polaroids tragen handschriftliche Anmerkungen – kurze Notizen zu Model, Auftraggeber oder Lichtverhältnissen. Sie geben Einblick in die Werkstatt des Künstlers, der das Polaroid auch privat häufig nutzte. Manches dieser kleinen Bilder verschenkte Newton an seine Modelle „zur Kooperation“, wie er es nannte, andere behielt er wie Reliquien.
Bereits 1992 hatte Newton seine Liebe zum Sofortbild in dem Buch „Pola Woman“ verewigt – eine Sammlung, die damals polarisiert hat. „Das Unperfekte war das Spannende“, erklärte er. Heute wirken diese Aufnahmen wie ein Gegenentwurf zur makellosen Glätte der digitalen Bilderwelt. Ihre Farben changieren, ihre Kontraste tanzen – jedes Bild ist ein Unikat, ein gealtertes Sofortbild mit eigener Patina.

Große Kunst, die klein begann: Helmut Newtons Polaroids, Vorstufen seiner ikonischen Werke im Münchner Kunstfoyer.
Ein Blick in Newtons fotografisches Skizzenbuch
Wer durch die Münchner Ausstellung geht, durchwandert gleichsam die Entstehungsgeschichte manch ikonischer Newton-Fotografie. Neben den Sofortbildern hängen Vergrößerungen und spätere Aufnahmen auf Film – zwei Bildsprachen, die sich spiegeln. Hier zeigt sich, wie aus dem spontanen Versuch eine kalkulierte Komposition wurde.
Kurator Matthias Harder, Direktor der Helmut Newton Foundation in Berlin, beschreibt die Polaroids als „Blick in das Skizzenbuch eines der einflussreichsten Fotografen des 20. Jahrhunderts“. Und tatsächlich: Sie erzählen nicht nur vom fotografischen Prozess, sondern auch vom Wesen des Sehens selbst – von der Lust, den Moment zu bannen, bevor er entgleitet.

Collage von Helmut Newtons Polaroids.
Das analoge Flirren des Jetzt
In einer Zeit, in der digitale Perfektion jede Pore glättet, wirken Newtons Polaroids wie eine Erinnerung an das Zufällige, das Menschliche, das Fehlerhafte. Ihr Reiz liegt im Prozess, im Werden. Man spürt den Geruch der Chemie, der Entwicklerflüssigkeit, die Spannung zwischen Warten und Offenbarung.
Das Kunstfoyer macht diese Sinnlichkeit des Analogen erfahrbar – und erinnert daran, dass jedes große Bild mit einem kleinen Anfang beginnt. Bei Helmut Newton war dieser Anfang oft quadratisch, glänzend und von den typischen Polaroid-Rahmen eingefasst.

Vitrine mit Original Polaroid Kameras aus einer Berliner Sammlung.
Die Ausstellung „Polaroids“ von Helmut Newton ist ein Lehrstück für jeden, der fotografiert aber auch ein spannendes visuelles Erlebnis für alle die sich für großartige Fotokunst interessieren und einen intimen Blick in die Entstehungsgeschichte von Newtons ikonischen Werken erhaschen möchten.
Beim Eröffnungsrundgang für die Presse führte Dr. Matthias Harder durch die Ausstellung, die sowohl die wertvollen Originale als auch die auf deren Basis entstandenen Werke Newtons als digitale Inkjet Drucke in einer „analogen Bilderwolke“ zeigt. Wer nicht das Privileg hatte die spannenden Ausführungen von Dr. Matthias Harder während des Rundgangs und später auf der Vernissage zu erleben, und dennoch profunde, tiefergehenden Informationen zu der großartig kuratierten und präsentierten Schau sucht, dem bietet das Kunstfoyer kostenlose Führungen mit dem renommierten Fotokunstkenner, Autor und Kurator Michael Koetzle an.

Hans-Michael Koetzle (links) im Gespräch mit Matthias Harder (mitte) und Isabel Siben, Direktorin und Geschäftsführerin des Kunstfoyers.
Termine:
Helmut Newton. Polaroids
Kunstfoyer
Thierschplatz 6
80538 München
Infotelefon: 089 / 2160 2244
15. Oktober 2025 bis 22. Februar 2026
Führungen
Durch die Ausstellung „Helmut Newton. Polaroids“ mit Hans-Michael Koetzle.
Beginn jeweils um 18:00 Uhr, Dauer bis ca. 19:30 Uhr
Die Führungen sind kostenfrei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
- Freitag, 17. Oktober 2025
- Freitag, 21. November 2025
- Freitag, 5. Dezember 2025
- Freitag, 12. Dezember 2025
- Freitag, 19. Dezember 2025
- Freitag, 9. Januar 2026
- Freitag, 16. Januar 2026
- Freitag, 30. Januar 2026
- Freitag, 6. Februar 2026
- Freitag, 20. Februar 2026







