Anlässlich ihres 40-jährigen Jubiläums widmet sich die Kunsthalle München mit der Ausstellung Civilization, die bis zum 24. August 2024 läuft, der Frage, wie wir heute leben und veranschaulicht die Vielfalt und die Widersprüche unserer Zivilisation. Nie lebten mehr Menschen auf der Erde, nie war unser Einfluss auf den Planeten größer, nie waren wir enger vernetzt – unsere Gesellschaft wandelt sich immer rasanter.
Die Ausstellung Civilization folgt den sichtbaren Spuren der Menschheit rund um den Globus aus dem Blickwinkel von über 100 international renommierten Fotograf:innen. Dabei beleuchtet sie eine Vielzahl von Aspekten unseres ausgesprochen komplexen Zusammenlebens – von den großen Errungenschaften der Menschheit bis hin zu unseren kollektiven Fehlschlägen.
Die Ausstellung nimmt Kulturen aller Kontinente in den Blick: von der Art und Weise, wie wir produzieren und konsumieren, wie wir arbeiten und spielen, reisen und wohnen, denken und gestalten, miteinander kooperieren und in Konflikt geraten. In Zeiten, die davon geprägt sind, dass sich Menschen und Meinungen immer weiter voneinander entfernen und dringend notwendiger Konsens immer unmöglicher erscheint, legt diese Ausstellung das Augenmerk auf die Gemeinsamkeiten. Seit Edward Steichens bahnbrechender Fotoausstellung The Family of Man (1955) ist dies die erste Schau, die einen solch umfangreichen Blick auf uns und unsere Welt wirft und auf das, was uns beschäftigt: Wohnen, Arbeit, Freizeit, Verkehr, Kommunikation, Bildung, Wissenschaft und Technologie.

Candida Höfer, Augustiner Chorherrenstift Sankt Florian III 2014 © Candida Höfer, Köln, VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit waren so viele Menschen derart vielfältig miteinander vernetzt und gleichzeitig abhängig voneinander. Die Olympischen Spiele der Neuzeit, der Riesen-Jumbojet, das Smartphone und Social Media, künstliche Intelligenz … So kontrovers, wie sie auch diskutiert werden, keines dieser Phänomene wäre ohne das bewahrte Wissen früherer Zeiten und die gemeinsamen Anstrengungen hochqualifizierter, hochausgebildeter und hochmotivierter Menschen möglich gewesen.
Die assoziative Zusammenstellung der motivisch höchst abwechslungsreichen und überraschenden Arbeiten wertet nicht, sondern will informieren, unterhalten und inspirieren. Sie lädt die Betrachtenden zum Nachdenken über Gemeinsamkeiten und Unterschiede und zum offenen Diskurs ein. Neben renommierten Künstler:innen wie Candida Höfer, Edward Burtynsky und Thomas Struth sind auch jüngere Fotograf:innen in der Mitte ihrer Laufbahn wie Pablo López Luz,
Sheng-Wen Lo oder Julia Chamberlain in der Ausstellung vertreten.

Alejandro Cartagena, Tochter am Grenzzaun zwischen den USA und Mexiko, 2017, aus der Serie Ohne Mauern
© Alejandro Cartagena
Die 200 Fotografien führen in acht Kapitel unterteilt durch einen Ausstellungsparcours der eine faszinierende Reise durch zentrale Aspekteder Zivilisation ist: Der erste Raum, metaphorisch BIENENSTOCK benannt, versammelt Fotografien, die das oftmals komplexe Zusammenleben der Menschen in den Megacitys der Welt dokumentieren. Dabei zeigen sie nicht nur die architektonischen Besonderheiten und landschaftlichen Gegebenheiten der Städte, sondern auch die vielfältigen Lebensstile der Menschen im urbanen Alltag.
Das folgende Kapitel ZUSAMMEN ALLEIN erkundet unser Leben im Spannungsfeld zwischen Individualität und Kollektivität. Es beleuchtet, wie wir als Individuen das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Gemeinschaft verspüren und gleichzeitig versuchen, unsere eigene Identität zu wahren. KONTROLLE beschäftigt sich mit den verschiedenen, für die Allgemeinheit oft nicht sichtbaren Kontexten, in denen Autorität und Macht ausgeübt werden. Der folgende Raum VERFÜHRUNG beleuchtet die verschiedenen Strategien, die zum Einsatz kommen, um Bedürfnisse zu wecken und Menschen in ihrem Verhalten zu manipulieren. Die Bewegung von Menschen, Gütern, Finanzen und die dafür notwendigen, höchst perfektionierten Infrastrukturen, die unsere Zivilisation am Laufen halten, thematisiert das Kapitel FLIESSEN.
BRÜCHE nimmt Ursachen und Folgen von Konflikten und Migration sowie die Bruchstellen unserer gesellschaftlichen Strukturen in den Fokus. ENTFLIEHEN zeigt, wie die ausgefeilten Mechanismen der Urlaubs- und Freizeitindustrie sowie von Massenevents es Menschen möglich machen, ihrem Alltag zu entfliehen und sich in Traumwelten zu flüchten. Das abschließende Kapitel ALS NÄCHSTES öffnet den Blick auf die Welt, die im Begriff ist, unsere Zukunft zu werden. Die immer drastischeren Eingriffe des Menschen in seine Umwelt und die mal erschreckenden, mal ermutigenden, aber immer faszinierenden Folgen werfen beispielsweise Fragen nach ethischer Verantwortung im Umgang mit neuen Technologien oder einer notwendigen Anpassungsfähigkeit im Angesicht von ökologischen Herausforderungen auf.
Civilization wurde vom National Museum of Modern and Contemporary Art, Seoul, und der Foundation for the Exhibition of Photography, Minneapolis/Lausanne, initiiert. Seit 2018 wurde sie unter anderem in Seoul, Peking, Melbourne, London und Taipeh gezeigt. Nun wird die Ausstellung in der Kunsthalle München in aktualisierter Form präsentiert und um viele Werke ergänzt, die aktuelle Themen wie die Corona-Pandemie oder künstliche Intelligenz aufgreifen. 2026 wird die Ausstellung im Museum für Gestaltung Zürich zu sehen sein.
Zur Ausstellung erscheint ein Magazin mit 132 Seiten und ca. 150 Farbabbildungen. Hrsg. v. Roger Diederen, William A. Ewing, Stefan Kirchberger und Franziska Stöhr, € 16, nur in der Kunsthalle und im Shop.
Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, Theatinerstraße 8, München