Dr. Paul Wolff, Eröffnung des Opelbades in Wiesbaden, 1934 © Dr. Paul
Wolff & Tritschler, Historisches Bildarchiv, Offenburg
Der studierte Mediziner und fotografierende Seiteneinsteiger Dr. Paul Wolff lernte eher zufällig die mit der Kleinbildkamera gegebenen neuen Möglichkeiten kennen. Bei der „Deutschen fotografischen Ausstellung“ vom 14. August bis 1. September 1926 im „Haus der Moden“ in Frankfurt am Main gewann er mit seinen ‚Bildern aus Werbe- und Industriefilmen‘ eine Leica – was letztlich seine fotografische Karriere startete. Wolff schrieb dazu einmal: „Seit dieser Zeit gehört meine ganze Neigung dem großen Leben, der unbegrenzten Weite der Welt, all dem, was die Kleinkamera einzufangen berufen ist.“
Dr. Paul Wolff, aus der Serie: Rhön. Segelflug, 1931
© Dr. Paul Wolff & Tritschler, Historisches Bildarchiv, Offenburg
Zusammen mit seinem Partner Alfred Tritschler kreierte Dr. Paul Wolff einen ganz neuen, lebendigen Stil. Kaum eine Gattung, die nicht bedient wurde: Reportage, Mode, Industrie, Sachaufnahme, Architektur, Reise, Landschaft, Tiere, Automobile, Fliegerei, Schiffsreisen, ländliches Leben. „Als rühriger Publizist war Wolff unübersehbar Teil einer Medien-Moderne, sein Bilderkosmos auch international präsent: über Zeitschriften, Magazine oder fotoillustrierte Bücher. Auf dem Feld der Werbung waren Wolff und Tritschler ebenso zu Hause, wie auf dem Gebiet der Firmenschrift: Industrieaufnahmen sollten ab Anfang der 1930er Jahre zum Kerngeschäft des Unternehmens avancieren, nachdem Wolff das Prädikat ‚Pionier der Leica‘ nicht mehr zu nehmen war.
Dr. Paul Wolff, Schattenbilder, figürlich, 1930
© Dr. Paul Wolff & Tritschler, Historisches Bildarchiv, Offenburg
Zu seiner Zeit war Wolff nicht zu übersehen“, stellt Herausgeber Hans-Michael Koetzle (DGPh) in seiner Einführung in das im Kehrer-Verlag, Heidelberg, als Katalog zur großen Ausstellung im Ernst Leitz Museum in Wetzlar erschienenen Bildband fest. Günter Osterloh (DGPh) weist dort unter dem Titel „Kleines Negativ – großes Bild“ allerdings auf die in der Frühzeit der Kleinbildfotografie deutliche Diskrepanz zwischen optisch-mechanischer Technik und der Qualität beim Entwickeln und Vergrößern des lediglich verfügbaren „Kino-Rohfilms“ im Aufnahmeformat 24×36 mm hin, an deren Lösung Paul Wolff ständig arbeitete.
Das auf 700.000 Aufnahmen geschätzte Werk der Fotoagentur Dr. Paul Wolff & Tritschler spiegelt gleich mehrere Kapitel deutscher Geschichte: vom kulturellen Aufbruch in den Jahren der Weimarer Republik über das Dritte Reich bis hin zum Zweiten Weltkrieg. Formal-ästhetisch bewegten sich die beiden Fotografen zwischen Konvention und Neuer Sachlichkeit, Heimatstil und Neuem Sehen. Ihr fotografisches Wirken hat unsere Vorstellung des alten oder ‚Neuen Frankfurt‘ ebenso geprägt wie ihre Fernweh atmenden Aufnahmen von Auto- und Schiffsreisen oder Fahrten mit dem Zeppelin.
Alfred Tritschler mit Leica, 1938
© Dr. Paul Wolff & Tritschler, Historisches Bildarchiv, Offenburg
Porträt Dr. Paul Wolff: Alfred Tritschler, aus der Serie: Betrieb Dr. Paul Wolff, 1929
Dr. Paul Wolff mit Lupe und Kleinbildnegativ
© Dr. Paul Wolff & Tritschler, Historisches Bildarchiv, Offenburg
In der Summe sind es nicht wenige Widersprüche, die das Wirken von Wolff & Tritschler über gut drei Jahrzehnte auszeichnen. Aber gerade das macht ihr zwischen Dienstleistung und Kunstanspruch, Avantgarde und Anpassung oszillierendes Werk ergiebig für eine breit angelegte, historisch-kritische Betrachtung. Daher rekapituliert das erste große Buch zu Wolff und Tritschler Werk und Vita der beiden Fotografen vor dem Hintergrund einer politisch, sozial und künstlerisch bewegten Zeit und schließt damit eine Lücke im Diskurs um die Fotografie der 1920er- bis 1950er-Jahre.
H.-G. v. Zydowitz
Ausstellung „Dr. Paul Wolff & Tritschler – Fotografien 1920 bis 1950“, Ernst Leitz Museum, Wetzlar, noch bis Januar 2020
Licht und Schatten – Fotografien 1920 bis 1950
Hrsg.: Hans-Michael Koetzle (DGPh)
Texte: Sabine Hock, Randy Kaufman, Hans-Michael Koetzle, Kristina Lemke, Günter Osterloh (DGPh), Tobias Picard, Gerald Piffl, Shun Uchibayashi, Thomas Wiegand
464 Seiten ca. 1000 Farb- und Duplexabbildungen
Format: 24 x 29 cm, Halbleineneinband
Heidelberg, Kehrer-Verlag
ISBN: 978-3-86828-880-3;
Preis 78 Euro