Gab es einen Ressourcen-Engpaß beim 18. Umweltfotofestival «horizonte zingst» zum Thema Ressourcen? Von Anfang an haben die Väter des inzwischen seit 18 Jahren mit Begeisterung von Umwelt-Aktivisten und der Fotoszene gefeierten Umweltfotofestivals »horizonte zingst« sich einer großen Aufgabe gewidmet: Der Welt die Augen für die Schönheit der Natur zu öffnen und ihren Erhalt zu fördern. Dazu haben der Gründer und frühere Tourismusdirektor Peter Krüger und der von ihm hinzugezogene Kurator Klaus Tiedge einen enormen finanziellen Aufwand von der Gemeinde eingefordert und diesen auch teilweise erfolgreich von der Fotoindustrie mitfinanzieren lassen.

Peter Krüger, Tourismusdirektor und Gründer der «horizonte zingst» 2016.

Der verstorbene Klaus Tiedge, Gründungskurator der «horizonte zingst», bei der Eröffnung einer seiner legendären „One World“ Ausstellungen im Kunsthotel Vierjahreszeiten.
Es entstanden großartige Institutionen wie das Max Hünten Haus als kulturelles Zentrum oder das „Haus 54“ als Hostel, das aber auch als Schulungszentrum für zahlreiche ideelle Veranstaltungen oder auch Fotoworkshops und Seminare dient. Auch für den Badeort wichtige Vereinigungen, inklusive der DLRG, haben hier so etwas wie eine Heimat gefunden. Das in den damaligen Zeiten noch relativ unbekannte Heilbad auf dem Darß hat durch seine vielen ehrgeizigen Kultur- und Naturprojekte, vor allem aber wegen des engagierten, hochkarätigen Umweltfotofestivals »horizonte zingst« auch internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung erreicht. Konzentrierten sich die Gründerväter, darunter Peter Krüger und Klaus Tiedge sowie – nicht zuletzt – auch unterstützt durch den weltbekannten Naturfotograf Norbert Rosing als langjähriger Schirmherr, auf die für unser Überleben wichtigste Ressource, eine gesunde Natur, so engten die Nachfolger das breite Spektrum der Umwelt und Naturfotografie von Festival zu Festival nur noch auf – wie es hieß – „monothematische“ Teilbereiche ein. Seit 2021 interpretierte das Ausstellungsprogramm Themen wie Wasser, Ernährung, Flora oder Fauna.

Immer ein ‚Blickfang: die fantasievollen Key Visuals für die «horizonte zingst» vergangener Jahre von Jan van Holleben.
Achtzehn Jahre später, sozusagen zum Erreichen der Volljährigkeit, ist die Natur, zwar nach wie vor einer der Hauptanziehungspunkte der Halbinsel Fischland-Darß, und eine wesentliche Ressource von Zingst für seinen Tourismus. Doch allerdings im Rahmen des Festivals als Thema fast schon eine Randerscheinung. Klima und Umwelt werden weniger relevant ins Zentrum des Programms gestellt als gesellschaftliche Missstände.

Vernissage der Gruppenausstellung zum Thema „Ressource Zeit“ mit Rico Nowicki, Teamleiter Fotografie «horizonte zingst», Kuratorin Edda Fahrenhorst, den Fotografinen Irina Werning und Deana Dikeman sowie Tourismus Direktor Bert Balke, Geschäftzsführer Kur- und Tourismus GmbH Zingst.
Es mag Spekulation sein, dass die breite Interpretation des Themas in der „Vor-Corona-Ära“, die Nachfolger der Gründungsorganisatoren und ihre Förderer zu sehr herausgefordert hat. Zumindest scheinen die dafür erforderlichen Ressourcen wie Zeit und Geld, nicht mehr in dem Maße zur Verfügung zu stehen wie in den Jahren des Aufbruchs. Von so ehrgeizigen Plänen der Gründerväter, wie beispielsweise der Errichtung eines Themenhotels, das Fotografie im besonderen Maße erlebbar machen sollte, ist jedenfalls nichts mehr zu hören.

Noch bis Ende Oktober zu sehen Die „OFF-Festivval „Ausstellung PASSION des langjährigen Schirmherrn der «horizonte zingst» Norbert Rosing.
Von in den Glanzzeiten bis zu über zwanzig Ausstellungen sind die «horizonte» – so hatte der frühere Kurator Klaus Tiedge die Orte für die Bilderschauen betitelt – auf ein Dutzend reduziert worden. Fanden früher im „Kunsthotel“ Vierjahreszeiten bis zu fünf Bilderschauen statt, so fehlt dieser «horizont» inzwischen. Auch die festliche Eröffnungsfeier mit geladener Prominenz, die traditionell dort stattfand, wurde auf eine Strandparty reduziert. Ausstellungsorte wie der Marinekomplex oder das angrenzende Atelier wurden zur „Volljährigkeit“ ebenso wenig bespielt, wie die vom BFF-Förderpreis wiederbelebte alte Turnhalle oder die vom Nachwuchsfotografen und Fotostudenten bespielte Galerie im Hotel Stone. Den Leerstand dieses Juwels nutzten der Kurator und Hoteldirektor Florian Schmidt des Stone zusammen mit dem weit über Deutschlands Grenzen bekannten Naturfotografen Norbert Rosing für eine Werkschau mit Schwerpunkt auf die jüngsten Schwarzweiß-Arbeiten des langjährigen Zingst-Liebhabers. Sehenswert, aber nicht im Festival Programm integriert.

Tony Reynard (rechts) und Christian Pauli, in einem der Hochsicherheitstresore des Freihafens von Singapur. Tony Reynard ist der Vorsitzende des Freihafens von Singapur und Christian Pauli ist der Generaldirektor der Fine Art Logistics NLC, die neben Singapur auch Tresore in Genf, Monaco und Luxemburg unterhält. Der Freihafen von Singapur, der von einem Team Schweizer Geschäftsleuten entworfen, konstruiert und finanziert wurde, ist einer der weltweit führenden Hochsicherheitstresore, in dem Kunst, Gold und Bargeld in Milliardenhöhe gelagert werden. Der Freeport liegt direkt neben der Landebahn des Flughafens von Singapur und ist ein steuerliches Niemandsland, in dem sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen vertraulich Wertgegenstände außerhalb der Reichweite des Finanzamts sammeln können.
Den offensichtlich auch das Festival so erdrückend beeinflussenden Ressourcen Zeit und Geld, widmete die Kuratorin Edda Fahrenhorst zwei «horizonte»: Eine Gruppenausstellung in der Multimediahalle, in der es um die Visualisierung von „Zeit“ geht und eine Ausstellung in der Epson Galerie im Max Hünten Haus, wo die Macht des Geldes im Fokus steht. Der Premium Sponsor Epson, der im Max Hünten Haus neben der Galerie auch das Epson Print-Servicecenter fördert, war übrigens in Zingst allgegenwärtig. Ein beispielhaftes Engagement, das sich in den hochkarätigen Prints aller der in Zingst gezeigten Fotoinstallationen und Fotoausstellungen auf einzigartige Weise manifestierte. Die Ausstellung unter dem Titel „The Heavens“ von Gabriele Galimberti und Paolo Woods hat die Ressource Geld und ihre in den Steueroasen sichtbar werdende, maßlose Gier in Bilder gefasst. Diesmal zeigt sie das Künstlerpaar nicht nur, wie erwartet, lokalisiert auf die paradiesischen Tropeninseln, sondern in den Niederlanden, in Luxemburg oder noch fremdartiger wirkend, in der „City“ einer Stadt in der „City of London“.

Ausstellung über Steuerparadiese von Gabriele Galimberti und Paolo Woods in der Epson Galerie im Max Hünten Haus, Zingst.
Der zur Schau gestellte, dekadente Überfluss der Superreichen, wirkt, wie es im Katalog heißt, merkwürdig seelenlos. Die Aufnahmen widerlegen nicht die Klischees von Reichtum, aber ergänzen sie um Aspekte, die ansonsten im Dunklen bleiben: Armut auf den Cayman Inseln, das Elend der sozial Schwachen in Singapur oder Hongkong. Hier geht es auch um eine gigantische Umverteilung, denn die Milliarden in der Hand von Wenigen fehlen für gesellschaftliche Aufgaben des Gemeinwohls“.

Mr. Neil M. Smith ist der Finanzminister der Britischen Jungferninseln, hier fotografiert in seinem Büro in Road Town, Tortola. Die Inseln sind eines der wichtigsten Offshore-Finanzdienstleistungszentren der Welt und weltweit führend bei der Gründung von Unternehmen. Mehr als 800.000 Unternehmen haben hier ihren Sitz, aber es gibt nur 28.000 Einwohner. Die British Virgin Islands sind die zweitgrößten Direktinvestoren in China, gleich nach Hongkong.
Die Gruppenausstellung in der Multimediahalle mit Bildern von Deana Dikeman, Irina Wernig und Katja Chemnitz, visualisiert das Thema Zeit in drei teils erheiternden, teils nachdenklich stimmenden Präentationen auf eine auch amüsant Weise. Die im Wallpaper Stil präsentierten Fotografien unter dem Titel „Leaving and Waving“ (Winken zum Abschied) “ zeigt leise das Erwachsenwerden und den zwar schleichenden aber dennoch unausweichlichen Abschied von den Eltern“.

Deana Dikeman und ihr Sohn im Interview mit der Kuratorin Edda Fahrenhorst vor der Bildserie „Leaving and Waving“ in der Multimediahalle Zingst.
Die Bilder von Irina Werning „Back to the Future“ ist ein humorvoller Blick auf den Lauf der Zeit und wie sie uns verändert. Was Zeit bewirkt zeigen die nüchternen aber in der Gegenüberstellunmg um so berührenderen Stillife-Fotografien von Katja Kemnitz, aus ihrer Serie „Zerliebt“, die Kuscheltiere der Kindheit mit all ihren Gebrauchsspuren den neuwertigen Produkten gegenüberstellt.

Irina Wernig in einem bei der Bilderflut am Strand gezeigten Interview zu Ihrer Ausstellung „Back to the Future“ in der Zingster Multimediahalle.
Als Festivalbesucher hätte man sich gewünscht, dass sich auch die Veranstalter zu ihrem Event mehr Gedanken über die Kostbarkeit der Ressource Zeit gemacht hätten. So fanden die Vernissagen, der vielen großartigen Installationen und Ausstellungen sowie die Eröffnungsparty und auch die erste Bilderflut am Eröffnungswochenende des Festivals statt. Danach pausierte das Festival erstmal kurz bis zum folgenden Donnerstag, dem Start zu seinem nächsten Höhepunkt, dem Fotomarkt, wo die Fotooindustrie das breite Spektrum der Werkzeuge, die großartige Fotografie erst ermöglichen, zum Anfassen präsentierte.

Der Gründungskurator Klaus Tiedge bei der Vernissage zu einer seiner legendären „One World“ Bilderschauen in Kunsthotel Vierjahreszeiten in Zingst.
Nicht jedem Besucher ist es möglich die gesamte Festvalwoche über in Zingst zu bleiben. Doch der Spagat zwischen Kunst und Kommerz von dem die Urväter immer sprachen, also zwischen der Fotokunst und den zur Verfügung stehenden, teilweise zukunftsweisenden Werkzeugen für die Schaffung außergewöhnlicher Fotografien hätte sicherlich auch ein Großteil der kunstaffinen Besucher, die ausstellenden Profis und die Teilnehmer an den fraglos hochkarätigen Workshop-Programm interessiert.
Hochkarätig sind auch viele der gezeigten Ausstellungen von Pablo E. Piovanos „Mapuche“ im Martha-Müller-Grählert-Park über Tom Hegens „Terra Extract“ an der Jordanstraße und den UNICEF Fotos des Jahres 2024 in und um die Peter-Pauls-Kirche bis zu „Homo Détritus“ mit Bildern von Stéphan Gladieu und „Wish You were here“ von Sarah Palmer am Postplatz. Manche dieser Ausstellungen haben wir eigene Artikel gewidmet.
Ein Ausflug nach Zingst lohnt sich auf alle Fälle, wobei die meisten Ausstellungen bis Ende Oktober geöffnet sind und eine Reihe sogar bis zum März nächsten Jahres.