New Perspectives from 13 Women Photographers of Magnum.
Vom 24.04. – 21.07.2024 im Kunstfoyer der Versicherungskammer Kulturstiftung in München
(Nah genug – Neue Perspektiven von 13 Fotografinnen der Fotoagentur Magnum)
„Wenn deine Aufnahmen nicht gut genug sind, dann bist du einfach nicht nah genug dran.“
Dieses vieldeutige Zitat des legendären Kriegsfotografen Robert Capa, Mitbegründer der kooperativen Fotografenagentur Magnum liefert den Hintergrund für den Titel der aktuellen Ausstellung von 13 Fotografinnen der renommierten Fotokooperative Magnum. Denn die Besonderheit aller gezeigten Arbeiten ist die Nähe zwischen Fotografien und ihren Sujets, die gerade wegen der fehlenden Distanz auch die Betrachtenden tief berührt. Mit der Ausstellung „Close enough“ ist Isabel Siben, Direktorin und Geschäftsführerin Kunstfoyer
Versicherungskammer Kulturstiftung, wieder ein großer Wurf gelungen – nicht zum ersten Mal, erregten doch vergangene Ausstellungen wie unter anderem die mit Inge Morath, Sebastio Salgado oder Abe Fraindllich immer große Begeisterung beim Publikums.
„Close Enough“ ist weitaus mehr als eine sorgfältig kuratierte, mit Liebe und großem Gespür für effektvolle Präsentationen gehängte Werkschau von dreizehn teils noch unbekannten, teils etablierten Fotografinnen. Es ist ein Zeitzeugnis über den Wandel der Dokumentarfotografie und des Bildjournalismus, vom aktuellen Nachrichtenbild hin zu Langzeitbeobachtungen von Menschen und Zuständen. Sie verdeutlicht die Rollen und Aufgaben, die so nur Frauen übernehmen und bewältigen können. Die in ihrer Bildsprache sehr unterschiedlichen doch künstlerisch gleich anspruchsvoll realisierten Projekte der 13 Frauen dokumentieren die komplexen Beziehungen, die diese sowohl im globalen Zusammenhang, als auch in ihren örtlichen Gemeinschaften und in ihren Interaktionen mit einzelnen Personen herstellen. Jede der 13 vertretenen Fotografinnen schafft es, das Publikum tatsächlich nah genug an ihr Thema heranzuführen. So nah, dass es sehr oft nur schwer zu ertragen ist.
Der Kuratorin der Eröffnungsausstellung Close Enough am International Center of Photography, New York, 2022 Charlotte Cotton ist es mit ihrer Zusammenstellung auch gelungen, einen neuen Blick auf die in ihren Anfängen von Männern dominierte Welt des Bildjournalismus, wie er auch bei Magnum zu finden war, zu ermöglichen, der auch die Veränderungen des Frauenbildes innerhalb des Fotokollektivs verdeutlicht.
Alessandra Sanguinetti
Seit mehr als zwei Jahrzehnten fotografiert Alessandra Sanguinetti das Leben von Guillermina und Belinda, zwei Cousinen auf dem Land in Argentinien. Sie begleitet sie seit der Kindheit und Jugend bis hin zum Frausein. Sanguinettis Aufnahmen porträtieren eine Kindheit, die uns zugleich vertraut wie einzigartig vorkommt. Auf dem Land im Westen der Provinz Buenos Aires begegnet man einer besonderen Mischung aus Moderne und Tradition, wo man ein Leben im Einklang mit dem Vieh und der wilden Landschaft führt. Vor diesem Hintergrund durchlaufen Guille und Belinda die Rituale ihrer Kindheit: Sie verkleiden sich, erkunden dabei die Welt und eignen sie sich zugleich an. Während sie zwischen den Rollen hin- und herspringen, abwechselnd für Sanguinettis Kamera spielen und zugleich von ihr eingefangen werden, ist die tiefe Verbundenheit zwischen den beiden Mädchen unübersehbar. An der Schwelle zur frühen Pubertät beginnen ihre Spiele von der Realität eingeholt zu werden: Träume und Wünsche treten in den Vordergrund.
Nach und nach wird das Spiel von der Realität abgelöst, sobald sie junge Liebe, Schwangerschaft und schließlich Mutterschaft erleben. Wenn auch das Vergehen der Zeit offensichtlich im Mittelpunkt dieser Fotoarbeit steht, lotet Sanguinetti mit An Everlasting Summer zugleich eine zeitlose, universelle Sprache von Intimität und Freundschaft aus.
„Ich lernte Guille und Belinda 1998 kennen, als ich an einem Projekt über Nutztiere auf und in der Nähe der Farm meiner Familie in Argentinien, drei Stunden südlich von Buenos Aires, arbeitete. Sie waren damals 9 Jahre alt, und ich war 28. Sie wuchsen auf benachbarten Bauernhöfen auf und verbrachten einen Großteil ihrer Sommertage im Haus ihrer Großmutter Juana, die ich oft besuchte, um Mate zu trinken, zu plaudern und ihr Vieh zu fotografieren. Anfangs stellten sich Guille und Belinda immer zwischen die Kamera und die Tiere, die ich fotografierte, und ich musste sie jedes Mal verscheuchen. Aber sie waren so fröhlich, sie lebten in ihrer eigenen abenteuerlichen Welt. Nach und nach ließ ich sie bleiben, und so entstand diese Arbeit, die bis heute, 24 Jahre später, andauert. Langfristig mit Menschen zu arbeiten, die man liebt, ist wirklich unglaublich schön. Ich musste lernen, dass wir uns alle drei im Lauf der Zeit veränderten. Ich erkannte, dass die Bilder wirklich unsere ganz und gar eigenen sind.“
Myriam Boulos
Myriam Boulos‘ einfühlsame Geschichten über das Privatleben und die Erlebnisse von Freunden und Fremden sind in den Kontext kollektiver Verluste und Traumata eingebettet. Sie finden inmitten wirtschaftlicher Instabilität, einer gewaltsamen Revolution und der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut im Jahr 2020 statt. Die Auswahl umfasst ein Jahrzehnt der Arbeit von Boulos im Libanon, von 2012 bis 2022.
„Die Fotografie entspricht vor allem meinem Bedürfnis, Menschen näher zu kommen, zu verstehen, was wirklich um uns herum geschieht, präsent zu sein. In meinen ersten Jahren als Fotografin habe ich nur nachts fotografiert. Ich denke, das Nachtleben ähnelt Revolutionen: Man benennt die Dinge schonungslos beim Namen, man verdrängt sie nicht länger.
Im Oktober 2019 begann die Revolution im Libanon: Sie fühlte sich für mich wie der kollektive Ausbruch aus einer missbräuchlichen Beziehung an. Endlich traute man sich zu sagen: Nein, das ist nicht normal, das darf einfach nicht sein. Das war der Moment, als ich anfing, auch tagsüber zu fotografieren. Am 4. August 2020, als die Explosion in Beirut passierte, versteckten wir uns im Badezimmer, umarmten uns und warteten darauf, zu sterben. Am nächsten Tag begann ich, die Folgen zu dokumentieren. Ich halte es für einen Akt des Widerstands, persönlichen Geschichten Raum zu geben; auf diese Weise kann ich der üblichen Repräsentation unserer Heimat trotzen und zurückfordern, was uns gebührt.“
Sabiha Çimen
Sabiha Çimens Hafiz, in den Jahren 2017 – 2020 entstanden, offenbart uns eine Welt, die vielen unbekannt ist. Sie zeigt das Leben junger islamischer Frauen in der Türkei. Die Serie webt ein emotionelles Narrativ, wobei Çimen ihre eigenen persönlichen Erfahrungen mit gesammelten Vignetten von Tagträumen, stillen Rebellionen und Melodramen der Schülerinnen an Koranschulen für Mädchen verknüpft.
„Der Begriff Hafiz und sein weibliches Äquivalent, Hafiza, bezeichnet Menschen, die den gesamten Text des Korans auswendig gelernt haben. Ich sehe Hafiz als ein autobiografisches Projekt – es eröffnete mir die Möglichkeit, aufzufrischen und zu erforschen, was in meiner eigenen Kindheit angelegt wurde. Meine Zwillingsschwester und ich besuchten eine Koranschule in Istanbul, wie unsere ältere Schwester vor uns war, und diese Erfahrung blieb mir immer in Erinnerung.
Ich war neugierig, was sich verändert hatte und was für die neue Generation gleich geblieben war. Eine meiner damaligen Klassenkameradinnen, vor fast 25 Jahren, hatte die Leitung der Schule übernommen, sie gewährte mir den Einstieg zu diesem Fotoprojekt.
Ich begann damit, mich den Schülerinnen im Hauptgebetsraum der Schule vorzustellen. Ich vermute, dass sie alle wussten oder spürten, dass ich mit ihrer Hilfe nach meinem jüngeren Ich suchte. Ich hatte den Eindruck, die Mädchen arbeiteten zusammen, um mir zu helfen, mich selbst zu erkennen. Mich beeindruckte, dass es ihnen egal zu sein schien, wie sie im Vergleich zu den sogenannten Schönheitsidealen der sozialen Medien aussahen. Das sagt etwas über ihre Selbsteinschätzung und das bedingungslos rebellische Auftreten ihrer Generation aus. Genau das ist es, was ich dem Betrachter von Hafiz deutlich vor Augen führen wollte. Die Medien zeichnen muslimische Frauen nämlich oft auf ziemlich karikaturistische Art und Weise; aber als Insiderinnen – als muslimische Frauen und Mädchen – können wir, so hoffe ich, die Wahrnehmung dank ungeschminkter Beobachtungen unseres Lebens positiv beeinflussen.
Ich war mir der potenziellen Gefahr, die mein Projekt für diese Mädchen mit sich brachte, ständig bewusst. Immerhin stellte ich die Intensität ihrer Beziehungen zur Schau und machte Realitäten und Details ihres Lebens sichtbar. Aber ich denke, die Art, wie ich fotografiere, ist gleichzeitig offen genug, um Einblicke zu gewähren, und kommt ihnen nah genug, um ihnen in einem so besonderen Moment ihres Lebens Sicherheit zu bieten.“
Olivia Arthur
In einer größeren Auswahl verschiedener Arbeiten der letzten Jahre stellt Olivia Arthur menschliche Intimität und körperliche Präsenz in den Mittelpunkt. Ihre Serie In Private (2016-2018) zeigt zum Beispiel Arthurs aktuelle Fotografien, sowie Arbeiten aus ihrem Archiv: Eine visuelle „Mind Map“ über Körperlichkeit und Intimität sowohl im privaten als auch im öffentlichen Raum. Im Zusammenhang gesehen, laden die Arbeiten auch zu einer Diskussion über Technologie ein und wie sie eingesetzt werden könnte, um unsere Körper zu vervollkommnen oder physische Nähe über große Entfernungen hinweg zu ermöglichen.
„Diese Installation zeigt kein Einzelprojekt, sondern Ausschnitte aus verschiedenen Arbeiten der letzten Jahre. Sie alle gehen auf eine Faszination für den eigenen Körper zurück, die begann, als ich mit meinen Töchtern schwanger war.
Mein Körper wurde gleichsam zur ‚Maschine‘, die diese schier unglaubliche Arbeit verrichtete, und ich dachte über ihn in einer Weise nach, wie nie zuvor. Und so begann ich, Menschen und ihre Beziehung zu ihrem eigenen Körper zu fotografieren. Ich wollte herausfinden, was dafür verantwortlich ist, dass wir uns in unserer Haut wohl fühlen, und wie wir dieses Gefühl zum Ausdruck bringen. Diese Suche führte mich dazu, mit jungen Menschen zu arbeiten, wobei sowohl Berührungen, als auch das Fehlen physischer Nähe während der Pandemie im Mittelpunkt standen. Die Arbeiten kreisen um Sexualität, Körperlichkeit und Intimität im privaten, wie im öffentlichen Raum. In jüngster Zeit wächst mein Interesse am technologischen Fortschritt und wie er eingesetzt werden kann, um unsere Körper zu vervollkommnen oder physische Nähe über große Entfernungen hinweg zu ermöglichen. Das sind die Untersuchungen und Ideen, die mich in letzter Zeit angetrieben haben. Meine Installation zeigt eine ‚Mind Map‘ all der Richtungen, die ich bisher erforscht habe. Sie ermöglicht es mir, zu erkennen, wie sich dies alles potenziell zu einem breit angelegten Narrativ und einer facettenreichen Reise zusammenfügen könnte. Ich arbeite immer noch daran, alles besser zu verstehen und zugleich auszuloten, wie dabei ein allumfassender Fokus auf unsere körperlichen Erfahrungen zustande kommen könnte.
Nanna Heitmann
In der Form eines Akkordeonbands präsentiert Nanna Heitmann zwei Langzeitprojekte, in denen sich die Fotografin mit ihrer Wahlheimat Russland auseinandersetzt. Inspiriert von einem slawischen Märchen, mit dem sie als Kind aufgewachsen ist, begann Nanna Heitmann 2018 die Serie Hiding from Baba Yaga. Sie dokumentiert das Leben in abgelegenen Regionen Russlands und zeigt Menschen, die am Rande der modernen Zivilisation oder in sozialer Isolation leben, etwa an den Ufern des Jenissei, einem der längsten Flüsse der Welt. Ähnlich wie die Märchenfigur Vasilisa, die in einem von ihr erschaffenen Wald Zuflucht vor der Hexe Baba Yaga sucht, sind Heitmanns Protagonisten und Protagonistinnen durch die Abgeschiedenheit der weiten Taiga geschützt.
Doch als die Schatten der Repression immer länger werden und Russland in die Ukraine einmarschiert, verändert sich Heitmanns Wahrnehmung ihrer Wahlheimat grundlegend. Seit Februar 2022 dokumentiert sie den krassen Gegensatz zwischen der Realität des Krieges in der Ukraine und seiner verzerrten Wahrnehmung in der russischen Gesellschaft.
Während ganze ukrainische Städte in Schutt und Asche liegen, scheint das Leben in Moskau weitgehend intakt. Es sind vor allem die verarmten und abgelegenen Regionen des Landes, in denen oft große ethnische Minderheiten leben, die Putins Kriegsmaschinerie antreiben. Gleichzeitig wird in Russland die Geschichte umgeschrieben und die junge Generation mit militaristischem Patriotismus indoktriniert.
„Mit dieser Installation will ich einen Einblick in die Gegenwart geben, in der die Mehrheit der Russen in einer alternativen Realität lebt: Die russische Armee wird bei ihrer sogenannten ‚Befreiung‘ der Donbas-Region und der ‚Entmilitarisierung‘ der ‚faschistischen Kräfte‘ in der Ukraine als triumphierend dargestellt. Doch inmitten dieser verzerrten Darstellung dringen die düsteren Folgen des Krieges still und leise in die Haushalte ein, sobald die ersten Särge in die Heimat zurückkehren und einen Schatten auf den Alltag werfen.“
Lúa Ribeira
Lúa Ribeiras Serie Agony in the Garden (2022) spiegelt die Extreme Hedonismus und Nihilismus wider, wie sie in der aufkommenden Trap- and Drill-Musikszene in Spanien reflektiert werden. Hautnah erleben wir die Begegnung mit jungen Menschen, die Teil einer weltweiten,vielschichtigen kulturellen Welle sind, einer Welle, die sich – auf lokaler Ebene – in einzigartiger Weise ausbreitet.
„Meine Arbeit beginnt fast immer mit einem Anliegen, das mir sehr nahe geht. Ich höre Trap and Drill Music und bemerke, dass diese kulturelle Bewegung die Prekarität des Lebens in Zeiten unentwegter Krisen reflektiert, gepaart mit einer Euphorie, alles auf eigene Faust lösen zu wollen: Alles zu teilen, unter Umgehung der Zensur dazwischengeschalteter Plattformen oder globaler Konzerne. Die kulturelle DNA dieses frenetischen und ungehobelten Ausdrucks – Hedonismus versus Nihilismus, Dunkelheit versus Freude, Verherrlichung von Reichtum und Banalisierung von Gewalt – findet nicht umsonst weltweiten Anklang. Ich wollte die Aufmerksamkeit auf eine Szene lenken, die in aller Unschuld auf das reagierte, was wirklich geschah, und ich wollte darüber nachdenken, wie sie es schaffte, so ungemein viel Energie freizusetzen.
Wenn hier etwas dokumentiert ist, dann sind es die Beziehungen, die ich zu den Menschen aufgebaut habe, die ich fotografierte. Ich weiß, Bewegungen wie Trap-and-Drill wurden in der Vergangenheit von den Medien, dem Fotojournalismus und traditionellen Dokumentarfilmen als Subkultur abgestempelt. Mir aber ist es wichtig, mich diesen Konventionen zu widersetzen. Ich akzeptiere die Tatsache, dass meine Arbeit einem primitiven Bedürfnis nach Liebe und Verbundenheit entspringt, und ich versuche, über das Anekdotische oder rein Zeugenschaftliche hinauszugehen. Fotografie und unsere Gesellschaft können beide zutiefst widersprüchlich sein, zugleich erotisch wie gewalttätig, subtil wie auch sanft. Ich glaube, es ist wichtig, Bilder zu machen, die in sich widersprüchlich und offen für Interpretationen sind, um einen Raum zu schaffen, der es erlaubt, sich selbst wiederzuerkennen.
Carolyn Drake
Carolyn Drakes Knit Club (2012-2020) ist eine Meditation über die Mythologien und die suggestive Präsenz der Southern Gothic-Kultur, die aus Drakes Zusammenarbeit und Freundschaft mit einer geheimnisvollen Gruppe von Frauen und Mädchen entstanden ist. Das Werk stellt eine Mischung aus Gang, Mystery-Kult und einem Kreis von Freundinnen dar, die durch Geheimnisse verbunden sind, die nur sie teilen.
„Vor Knit Club arbeitete ich fast ein Jahrzehnt lang an Projekten außerhalb der Vereinigten Staaten. Dann beschloss ich, zurückzukehren und herauszufinden, wie ich als Künstlerin in meinem eigenen Land Fuß fassen könnte. Ich denke, dass meine Arbeit mit den Mitgliedern des Knit Clubs ein entscheidender Moment in meiner Hinwendung zur Zusammenarbeit und in meinem Bemühen war, Probleme der bildlichen Darstellung zu überdenken. Wie viele Künstler und Künstlerinnen kämpfe auch ich mit dem Machtverhältnis zwischen Autor und Subjekt und stelle es in Frage.
Teil des Knit Clubs zu sein und mit den Frauen dort zusammenzuarbeiten, ermöglichte es mir, persönliche und kollektive Fragen zu Konzepten von Weiblichkeit und Mutterschaft auszuloten. Ich hatte Mitstreiterinnen, die sich an der Entwicklung der Geschichte beteiligten und mit mir gemeinsam die Möglichkeiten erforschten, die wir als Frauen haben, wenn wir uns der Kontrolle des patriarchalischen Systems entziehen. Gemeinsam suchten wir Locations und Requisiten aus und entschieden, was wir tun wollten. Die Einen halfen beim Setzen des Lichts, oder beim Tragen, oder gaben Ratschläge, und Andere standen vor der Kamera. Das änderte sich jedes Mal, wenn eine Aufnahme entstand.
Bieke Depoorter
Bieke Depoorter reiste nach Beginn der Revolution des Jahres 2011 regelmäßig nach Ägypten und fotografierte für ihr Projekt As It May Be ägyptische Familien in ihren Häusern. Jeden Abend versuchte sie, eine Familie zu finden, die bereit war, sie bei sich willkommen zu heißen und sie bei sich übernachten ließen, um ihre intimen Aufnahmen zu machen. Im Jahr 2017 kehrte sie nach Ägypten zurück – mit einer ersten Fassung des Buches, das aus diesen Begegnungen hervorgegangen war. Sie lud nun ganz andere Menschen im Land ein, unmittelbar auf ihre Fotos Kommentare zu schreiben. Dadurch entstanden zwischen Leuten, die einander sonst vielleicht nie begegnen würden, gegensätzliche Ansichten über ihr Land, die Religion, die Gesellschaft und die Fotografie.
„Ich bin seit 2011, als der Aufstand gegen die Regierung von Präsident Mubarak seinen Höhepunkt erreichte, regelmäßig nach Ägypten gereist. Jedes Mal versuchte ich, in diesen Zeiten des Aufruhrs und des Misstrauens, das Vertrauen von Menschen zu gewinnen, die ihr Privatleben eher abschirmen wollten. Ich fragte Leute, denen ich zufällig begegnete, ob ich bei ihnen übernachten könnte. Die Frauen, ihre Männer und Kinder teilten ihren Alltag, ihr Essen und sogar ihre Betten mit mir. Sieben Mal kehrte ich in das Land zurück, doch das Fotografieren wurde immer problematischer – das Misstrauen gegenüber Außenstehenden nahm in der Zeit nach der Revolution rasch zu.
Engagement ist mir sehr wichtig, aber die Einsicht, eine Außenseiterin zu sein – sowohl kulturell als auch als Fotografin – begann zuzunehmen. Im Jahr 2016 habe ich das erste Dummy für mein Buch As It May Be gemacht, und während dieses Prozesses wurde mir meine Rolle in der Geschichte immer klarer. War ich nur ein weiterer westlicher Besucher, der gekommen war, um die ‚Anderen‘ abzulichten?
Ich verschob die Buchveröffentlichung und beschloss, ein letztes Mal zurückzukehren. Ich versuchte, die komplexe Natur der Region einzufangen, bereiste das Land und bat Ägypter und Ägypterinnen, die ich nicht fotografiert hatte, ihre Reaktionen unmittelbar auf die Bilder im Buchentwurf zu schreiben. Das Ergebnis ist ein schriftlicher Dialog zwischen Ägyptern aus unterschiedlichen sozialen, kulturellen und religiösen Schichten. Auf diese Weise werden auch Menschen einbezogen, die sich nicht fotografieren lassen würden. So entstanden unterschiedliche Ansichten über das Land, die Religion, die Gesellschaft und die Fotografie.“
Hannah Price
Die Serie City of Brotherly Love von Hannah Price aus dem Jahr 2009 besteht aus Porträts von Männern auf den Straßen von Philadelphia, die auf ihren täglichen Wegen hinter ihr herpfiffen. Indem sie ihre Kamera auf diese Männer richtete, rekonfigurierte Price das Geschehene und schuf eine Serie, die auf ihre täglichen Begegnungen als Neuankömmling in der Stadt eingeht.
„Ich habe City of Brotherly Love vor mehr als zehn Jahren realisiert. Ich war in einem Vorort von Colorado aufgewachsen und in meinen Zwanzigern gerade nach Philadelphia gezogen, um hier zu leben und zu arbeiten. Es war eine Übergangsphase in meinem Leben und der Moment, da ich zum ersten Mal verstand, wie ich meine Kamera einsetzen konnte, um auf Fremde zuzugehen und mit ihrem Einverständnis komplizierte Situationen menschlich zu lösen. Auf meinem Arbeitsweg, hin und zurück, wurde ich bis zu fünf Mal am Tag von Männern angemacht, die mir nachpfiffen oder -riefen. Die Tatsache, dass ich überhaupt reagierte, überraschte sie; ich lenkte das Gespräch von der Anziehung ab und fragte sie, ob ich sie fotografieren dürfe. Ich glaube, einige, die sich fotografieren ließen, sahen in meiner Einladung eine Möglichkeit, die Begegnung zu vertiefen, andere wiederum genossen einfach die Aufmerksamkeit.
Dass mich Männer attraktiv fanden, wurde zum Herzen dieses Projekts. Sie haben mir geholfen, mich als schön zu empfinden, wenn die Situation auch ziemlich frustrierend war. Sie jeweils in einen fotografischen Austausch zu verwandeln, half mir jedoch, damit umzugehen. Ich konnte jemandem auf halbem Weg entgegen kommen und das, was mir geschehen war, menschlich lösen. Nicht selten begegnete ich den Männern in der Stadt wieder, einige wurden sogar zu Freunden. Sicherlich kann City of Brotherly Love als Projekt verstanden werden, das mir in gesellschaftlicher Hinsicht besonders nahe ist. Ich habe auch erkannt, dass ich nicht besonders viele Aufnahmen mache, sondern eher eine Fotografin bin, die sich Zeit nimmt und ihrer Intuition folgen muss, bevor sie entscheidet, ob und wann sie fotografiert.
Ich habe gelernt, meine Kamera immer dabei zu haben, die Zurufe zuzulassen und jeweils zu bestimmen, ob dies nun einer dieser idealen Augenblicke ist, in denen ich entgegne: ‚Hi, darf ich Sie fotografieren?‘“
Cristina García Rodero
María Lionza ist die zentrale Figur einer der wichtigsten Kulte Venezuelas, eine Mischung aus afrikanischem, indigenem und katholischem Glauben, ähnlich der karibischen Santeria. María Lionza wird als Göttin der Natur, der Liebe, des Friedens und der Harmonie verehrt. Cristina García Rodero arbeitete an diesem Projekt während einem Jahrzehnt (1998-2008), fotografierte die Riten, Zeremonien und Bräuche der Verehrer von María Lionza im heutigen Venezuela.
„Nach der Veröffentlichung von España Oculta (Verborgenes Spanien, 1989) wurde mir klar, dass mich die Erforschung menschlichen Verhaltens bei religiösen Ritualen interessierte. Ich wollte Kulte ohne Vorurteile zeigen. Oft hörte ich, der Voodoo-Kult sei zum Beispiel besonders schrecklich, hässlich und grausam. Und das kam von Leuten, die noch nie einem Voodoo-Kult beigewohnt hatten. Also beschloss ich, Voodoo-Rituale zu fotografieren. Und einige Zeit später interessierte ich mich für den Kult von María Lionza und war fasziniert von der Schönheit der Rituale.
Ich verbrachte viel Zeit mit den Gläubigen, lebte mit ihnen zusammen. Manchmal küssten sie mich, manchmal wiesen sie mir die Tür. Aber wenn man in ihre Kreise aufgenommen wird, beachten sie einen nicht länger, und dann kann man fotografieren. Wenn jemand absolut nicht abgebildet werden will, ist das natürlich in Ordnung, dann höre ich auf zu fotografieren. Mit der Zeit gewöhnten sich sogar die Priester an mich. Auf dem Berg Sorte in Venezuela haben sie mir allerdings einmal verboten, mit Blitzlicht zu fotografieren. Weil die Leute Angst hatten, dass sie für den Rest ihres Lebens in Trance verbleiben würden, wenn ein Blitz ihre Augen traf. Also verzichtete ich darauf.
Cristina de Middel
Als Cristina de Middel in den Zeitungen von Rio de Janeiro eine Anzeige schaltete, in der sie männlichen Kunden von Prostituierten anbot, ihnen eine Stunde ihrer Zeit zu bezahlen, war die Resonanz überwältigend. Sie begann, die Freier in örtlichen Hotelzimmern zu fotografieren und zu interviewen. Sie übernahm die Rolle des „Kunden“, die traditionell von Männern eingenommen wurde – sie buchte ein Hotelzimmer für eine Stunde und zahlte den Männern den gleichen Betrag, den sie einer Sexarbeiterin zahlen würden. Ihr Projekt Gentlemen‘s Club (2015-2022) ist an den unterschiedlichsten Orten und in den unterschiedlichsten Kulturen entstanden und gibt intime Begegnungen mit den Männern wieder, die der Middels Einladung gefolgt sind.
„Im Jahr 2015 gab ich in Rio de Janeiro eine Zeitungsannonce auf, in der ich Kunden von Sexarbeiterinnen suchte, die bereit waren, für Geld für mich zu posieren. Zu meiner Überraschung folgten viele Männer in Rio dieser Einladung, ihre Porträts und Interviews bildeten das erste Kapitel von Gentlemen‘s Club. In den letzten sieben Jahren reiste ich in zehn Städte, in denen das Sexgewerbe eine gewisse Rolle spielt und verwirklichte insgesamt 100 Porträts. Einige dieser Städte sind für ihren Sextourismus bekannt, in anderen wird das Sexgewerbe romantisiert, beschönigt oder verschwiegen.
Ich befragte die Männer nach ihren ersten Erfahrungen mit einer Sexarbeiterin, nach ihren Motiven, Gefühlen und Meinungen zum Thema Bezahlung für Sex. Ich habe versucht, dieses Projekt neutral zu gestalten und eine nicht wertende Methodik anzuwenden, um mich über die historische Schieflage hinwegzusetzen, die in den visuellen Darstellungen und Erzählungen über Sexarbeit vorherrscht. Aber natürlich gibt es auch persönliche Beweggründe, die weit tiefer liegen und eine Erklärung für meine fotografische Auswahl bieten. Ich lieferte mich einem Prozess bewusst aus, begab mich immer wieder in ein prekäres und sexuell aufgeladenes Umfeld. Ständig war ich mir dabei meiner Erfahrungen als Frau und Opfer sexuellen Missbrauchs bewusst. Die Verwirklichung meiner Ziele für Gentlemen‘s Club hängt von meiner Handhabung der Situation und meiner Wachsamkeit als Fotografin in einem äußerst intensiven Setting ab. Und von meiner Bereitschaft, diesen Männern unmittelbar zu begegnen und Zeugnis von ihren intimen Aussagen abzulegen.“
Newsha Tavakolian
Newsha Tavakolians eindringlicher Film For the Sake of Calmness (2020) handelt von der Erfahrung des Prämenstruellen Syndroms (PMS) und der schwereren prämenstruellen dysphorischen Störung (PMDS) und basiert auf vier Jahren Recherche und Interviews mit über 100 Frauen.
„For the Sake of Calmness ist vielleicht mein bisher persönlichstes Projekt. An einem Wintermorgen im Jahr 2016 saß ich in meiner Wohnung und litt unter dem prämenstruellen Syndrom, während ich auf den Berg Damavand, den höchsten Vulkan im Iran, blickte. Mir wurde klar, dass vor mir ein prächtiger, wenn auch inaktiver Vulkan lag, der jeden Moment ausbrechen konnte. Ich begann darüber nachzudenken, wie ich das intensive körperliche Erlebnis von PMS auf abstrakte Weise visualisieren könnte. Im Film geht es um den Zustand PMS, er ist aber zugleich eine Analogie für den Zustand eines Landes. Wenn man PMS hat, gibt es zwischen dem Körper und dem Rest der Welt keinen Filter mehr.
Man entwickelt einen ausgeprägten sechsten Sinn. Ich befragte über 100 Frauen, die PMS haben, wie sie die Welt sehen. Danach begann ich, die Erzählerstimme zu schreiben, in der sich die Berichte der Frauen mit der imaginären ‚Stimme‘ des Berges vereinen. Ich drehte das Video 2019, als die Weltordnung noch eine ganz andere war, als heute.
Ich sah meinen Vater zum letzten Mal, als er und meine Mutter vor meiner Kamera saßen. Ich bin froh, dass das letzte Bild, das ich von meinem Vater besitze, eine Videoaufnahme und nicht Fotos sind. Bei einem Film gibt es diese anhaltende Vorfreude auf das nächste Einzelbild. Es ist, als ob in diesen Sequenzen ein Stück Leben enthalten wäre, etwas, das man nicht in Worte fassen kann.“
Susan Meiselas
A Room of Their Own aus den Jahren 2015 und 2016, ist eine vielschichtige, visuelle Story, die Fotografien, Videos, Erfahrungsberichte aus erster Hand, sowie Originalkunstwerke umfasst. Das Projekt entstand infolge eines gemeinschaftlichen und partizipativen Prozesses. Susan Meiselas arbeitete dafür mit der Kunstorganisation Multistory, einer Illustratorin und einer Schriftstellerin, sowie Überlebenden häuslicher Gewalt zusammen, die in Heimen im „Black Country“ leben, einer postindustriellen Region in den West Midlands, in Großbritannien.
„Zu Beginn all meiner Projekte ist es für mich entscheidend, einer bestimmten Spur zu folgen, in ein Thema tief eintauchen zu können. Im Fall von A Room of Their Own entstand die Grundidee als ich unvorhergesehener Weise ein Frauenhaus betrat, dessen Wände mit Kunstwerken dekoriert waren. Ich bemerkte sofort, hier war ein Ort, wo Frauen sich wohl und sicher fühlen konnten; wobei sie so viel oder so wenig zu den Kosten beitrugen, wie sie wollten. Mit Multistory organisierten wir eine Reihe von Workshops, um Frauen zusammenzubringen. Wir luden eine lokale Illustratorin, eine Schriftstellerin und eine Gruppe von Köchinnen ein, mit denen wir zunächst eine Suppe kochten. Während wir um einen Tisch saßen und Gemüse schnitten, kamen nach und nach die Geschichten zur Sprache. An den folgenden Vor und Nachmittagen kamen Frauen aus umliegenden Unterkünften ins Ressource Center, um zu schreiben, zu zeichnen und ihren Lebensweg von der Kindheit bis zum Moment ihrer Notfallaufnahme aufzuzeichnen. Nach und nach erzählten sie, wie sie sich ihr neues Leben vorstellten. Eines Abends, als einer der Workshops zuende ging, wagte ich zu fragen, ob ich mir das Zimmer einer der Frauen ansehen dürfe. Obwohl sie mich einlud, hatte ich zunächst das Gefühl, eine rote Linie zu überschreiten, den kollektiven Raum zu verlassen und mich an den sehr persönlichen Rückzugsort der betreffenden Frau zu begeben. Ich erinnere mich, dass ich ihr Zimmer beim Eintreten als einen Spiegel ihres Lebens empfand. Ich spürte ihre Anwesenheit, obwohl sie abwesend war. Wenn ich auch die Erlaubnis hatte, hier zu fotografieren, vermied ich es natürlich, Orte oder Personen deutlich identifizierbar zu machen. Aber die wahre Herausforderung besteht nicht nur darin, Fotografien zu schaffen, die das Leben der Menschen auf ehrliche Weise widerspiegeln, sondern auch, ein Projekt zu kreieren, das uns anspricht und uns herausfordert, die Frage zu stellen: Was könnten wir noch tun, um zu helfen?“
DIE FOTOGRAFINNEN
Alessandra Sanguinetti wurde 1968 in New York geboren und wuchs in Argentinien auf, wo sie von 1970 bis 2003 lebte. Sie ist bekannt für ihre lyrischen, weich gezeichneten Fotografien, die sich mit Themen wie Erinnerung, Örtlichkeit und den psychologischen Wandlungen in der Jugend beschäftigen. Sie war Stipendiatin der Guggenheim Foundation und der Hasselblad Foundation. Ihre Fotografien finden sich in öffentlichen und privaten Sammlungen wie etwa dem Museum of Modern Art in New York, dem San Francisco Museum of Modern Art, dem Museum of Fine Arts in Houston und dem Museum of Fine Arts in Boston. Zu ihren veröffentlichten Werken gehören On the Sixth Day (2005), The Adventures of Guille and Belinda and the Enigmatic Meaning of their Dreams (2010), Sorry, Welcome (2013), Le gendarme sur la colline (2017), The Adventures of Guille and Belinda and the Illusion of an Everlasting Summer (2020) und Some Say Ice (2022).
Myriam Boulos wurde 1992 im Libanon geboren. Als Sechzehnjährige begann sie, ausgerüstet mit ihrer Kamera, Fragen über Beirut, seine Menschen und ihre eigene Rolle zu stellen. Im Jahr 2015 schloss sie ihr Studium der Fotografie an der L‘Académie Libanaise des Beaux Arts mit einem Master ab. Sie hat an nationalen und internationalen Gruppenausstellungen teilgenommen, darunter Infinite identities im Huis Marseille, Amsterdam (2020-2021), 3ème Biennale des Photographes du Monde Arabe im Institut du Monde Arabe, Paris (2019) und C‘est Beyrouth im Institut des Cultures d‘Islam, Paris (2019). Heute setzt sie die Fotografie dazu ein, die Gesellschaft zu erforschen, herauszufordern und ihr Widerstand zu leisten. Im Jahr 2021 wurde sie mit dem Grand Prix ISEM ausgezeichnet.
Sabiha Çimen wurde 1986 in Istanbul geboren. Sie ist eine autodidaktische Fotografin, die sich auf islamische Kultur, Porträts und Stillleben konzentriert. In ihrer Arbeit erforscht sie die Erfahrungen junger islamischer Frauen in der Türkei und versucht, islamischen Frauen, die in der Fotografie unterrepräsentiert sind, größere Anerkennung zu verschaffen. Ihre Arbeiten wurden u.a. im Time Magazine, der New York Times und der Vogue veröffentlicht. Neben weiteren Auszeichnungen wurde sie mit dem W. Eugene Smith Fund Grant und dem Canon Female Photojournalist Grant bedacht.
Bieke Depoorter wurde 1986 in Belgien geboren. Sie machte 2009 ihren Master in Fotografie an der Königlichen Akademie der Schönen Künste in Gent. Die Beziehungen zu den Menschen, die sie fotografiert, bilden die Grundlage ihrer künstlerischen Praxis. Zufällige Begegnungen sind der Ausgangspunkt, und die Art und Weise, wie sich diese Interaktionen auf natürliche Weise entwickeln, bestimmt das Wesen ihrer Arbeit. Sie hat mehrere Bücher veröffentlicht und zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten, darunter den Magnum Expression Award, den Larry Sultan Award und den Prix Levallois. Für ihre Einzelausstellung A Chance Encounter bei C/O Berlin wurde sie für den Deutsche Börse Photography Foundation Preis nominiert.
Cristina García Rodero wurde 1949 in Spanien geboren. Sie ist bekannt für ihre Fotografien volkstümlicher und traditioneller Feste – religiöser und heidnischer Art – vor allem in Spanien, aber auch im gesamten europäischen Mittelmeerraum. In jüngster Zeit bereiste García Rodero die ganze Welt auf der Suche nach anderen Kulturen mit ihren ureigenen Traditionen. Über einen Zeitraum von vier Jahren besuchte sie mehrmals Haiti, wo sie Voodoo-Rituale dokumentierte und eine Reihe ausdrucksstarker Porträts und bewegender Szenen schuf, die sie mit eindringlichen dokumentarischen Beobachtungen begleitet. García Rodero erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Preis für das Buch des Jahres beim Arles Festival of Photography für ihr Buch España Oculta und den Premio Nacional de Fotografía. Ihre Arbeiten wurden vielfach veröffentlicht und international ausgestellt.
Hannah Price wurde 1986 in den Vereinigten Staaten geboren. Sie ist eine Fotokünstlerin und Filmemacherin, die sich vor allem für die Dokumentation von Beziehungen, Rassenpolitik und sozialer Wahrnehmung und Fehlwahrnehmung interessiert. Price absolvierte das MFA-Programm für Fotografie an der Yale School of Art. International bekannt ist Price für ihr Projekt City of Brotherly Love (2009-2012), eine Serie von Fotografien von Männern, die auf den Straßen von Philadelphia hinter ihr herriefen und -pfiffen.
Carolyn Drake wurde 1971 in den Vereinigten Staaten geboren. Sie arbeitet an langfristigen Fotoprojekten, die versuchen, althergebrachte historische Überlieferungen zu hinterfragen und sich Alternativen dazu vorzustellen. Ihre Arbeit erforscht Gemeinschaften und wie sie interagieren, sowie Barrieren und Verbindungen, die zwischen Menschen, Orten und Wahrnehmungsweisen existieren. Sie wurde unter anderem mit einem Guggenheim Fellowship, dem Lange Taylor Prize, einem Light Work-Aufenthalt und einem Fulbright Stipendium ausgezeichnet.
Newsha Tavakolian wurde 1981 im iranischen Teheran geboren. Im Alter von sechzehn Jahren begann sie professionell für die iranische Frauenzeitung Zan zu arbeiten. Mit achtzehn war sie die jüngste Fotografin, die über den Studentenaufstand 1999 berichtete. Eine suggestive Erzählweise und ein scharfes Auge für die Emotionen, die uns als Menschen prägen, zeichnen ihre Fotografien aus. In ihren Arbeiten verbindet sie oft künstlerische und dokumentarische Elemente und lässt die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verschwimmen. Im Laufe ihrer Karriere erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Carmignac Gestion Award, den Prince Claus Award und andere internationale Fotopreise.
Olivia Arthur wurde 1980 in London geboren. Sie ist bekannt für ihre profunden Fotoarbeiten, in denen sie persönlichen und kulturellen Identitäten nachspürt. Viele beschäftigen sich mit dem Alltag von Frauen in Saudi-Arabien, Indien und in verschiedenen europäischen Ländern. Arthurs Arbeiten sind in Publikationen wie New Yorker, Vogue und Time Magazine erschienen. Zu ihren kommerziellen Kunden zählen British Airways, Capeb und BNP Paribas. Sie wurde mit dem Inge Morath-Preis und dem Photo España and OjodePez Award for Human Values ausgezeichnet und erhielt ein Stipendium des National Media Museum, Bradford, UK. Im Jahr 2010 gründete sie zusammen mit Philipp Ebeling Fishbar, einen Verlag und Ausstellungsort für Fotografie in London.
Nanna Heitmann wurde in Ulm geboren. Sie lebt in Moskau, wo sie über aktuelle Ereignisse wie die Invasion in der Ukraine berichtet. Gleichzeitig verfolgt sie Langzeitprojekte, die sich oft damit beschäftigen, wie Menschen auf ihre Umwelt reagieren und mit ihr in einen Dialog treten. Heitmann hat die Auswirkungen des Klimawandels dokumentiert, etwa die katastrophalen Waldbrände und das Auftauen der Permafrostböden in Sibirien, sowie der Torfgebiete im Kongobecken, dem größten Kohlenstoffvorkommen der Welt. Sie hat unter anderem im National Geographic und dem New Yorker veröffentlicht und übernimmt regelmäßig Aufträge für die New York Times. Ihr Fotojournalismus wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Olivier Rebbot Award für ihre Arbeit über Russlands Erfahrungen mit der Covid-Pandemie, und dem World Press Photo Award für ihre Reportage über Waldbrände. Heitmann wurde 2019 für Magnum nominiert und 2023 als Vollmitglied aufgenommen.
Susan Meiselas wurde 1948 in den Vereinigten Staaten geboren. Ihr erster großer fotografischer Essay befasste sich mit Striptease-Tänzerinnen auf ländlichen Märkten in New England. Bekannt wurde sie vor allem durch ihre Reportagen über den Aufstand in Nicaragua und ihre weltweit veröffentlichten Dokumentationen über Menschenrechtsfragen in Lateinamerika. Für viele ihrer Serien arbeitet Meiselas mit den von ihr Porträtierten zusammen. Sie hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und international in vielen wichtigen Museen und Institutionen ausgestellt. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien, darunter die Robert Capa Gold Medal und den Leica Award for Excellence. Zurzeit ist sie Präsidentin der Magnum Foundation.
Lúa Ribeira wurde 1986 im spanischen Galizien geboren. 2016 schloss sie ihr Studium in Dokumentarfotografie an der University of South Wales ab. Ihre Arbeit zeichnet sich durch einen kollaborativen Ansatz aus, sowie durch umfassende Recherchen und einen eindringlichen Zugang zu ihren Themen. Sie interessiert sich für theatralische Übungen, um gemeinsam mit den Menschen, mit denen sie arbeitet, transformative Erfahrungen zu machen. Ribeiras Arbeiten wurden mit zahlreichen Preisen und Auszeichnungen geehrt, darunter dem Firecracker Grant for Women in Photography und dem Jerwood/Photoworks Award. Ihre Arbeiten wurden international in Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt.
Cristina de Middel wurde 1975 in Spanien geboren. Sie erforscht das ambivalente Verhältnis der Fotografie zur Wahrheit. Indem sie dokumentarische und konzeptuelle fotografische Praktiken miteinander verbindet, spielt sie mit Rekonstruktionen und Archetypen, um ein vielschichtigeres Verständnis jener Themen zu entwickeln, mit denen sie sich auseinandersetzt. Von der Prämisse ausgehend, die Massenmedien verringerten unser eigentliches Verständnis der Welt, in der wir leben, antwortet de Middel mit einer Dringlichkeit, überkommene ästhetische Tropen neu zu erfinden und Meinungen an die Stelle von Fakten zu setzen. Ihre Arbeiten wurden international ausgestellt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem ICP Infinity Award. Sie war Finalistin beim Deutsche Börse Photography Foundation Prize.
Fotoausstellung:
Close Enough (Nah genug)
New Perspectives from 13 Women Photographers of Magnum.
Vom 24.04. – 21.07.2024 (Nah genug – Neue Perspektiven von 13 Fotografinnen der Fotoagentur Magnum)
Kunstfoyer der Versicherungskammer Kulturstiftung, Maximilianstraße 53, München
Der Katalog zur Ausstellung ist im Kehrer Verlag München erschienen.