Das Münchner Museum Fünf Kontinente stellt noch bis 18. Mai 2025 in der Sonderausstellung „Der Kolonialismus in den Dingen“ vielfältige Perspektiven auf eine von Gewalt geprägte Epoche, deren Auswirkungen bis heute spürbar sind, vor. »Wann ist ein Kunstwerk kolonial?« Dieser und weiterer Fragen widmet sich das Museum Fünf Kontinente mit dieser Ausstellung, um sich mit der eigenen kolonialen Vergangenheit und auch ihrer Gegenwärtigkeit auseinanderzusetzen. Gezeigt werden einzigartige historische Zeugnisse aus Afrika, Asien und Ozeanien, die während der Kolonialzeit nach München gelangten und heute vielfach als Meisterwerke gelten. Die Ausstellung erläutert, wie diese Dinge im Zuge der kolonialen Expansion geraubt, gekauft, getauscht oder als Geschenk angenommen wurden. Im Fokus stehen Aneignungen, die während der deutschen Kolonialherrschaft (1884–1918) erfolgt sind. Eine hervorragende Gelegenheit bei einem Besuch der Ausstellung dieses interessante Museum kennenzulernen.

Sonderausstellung »Der Kolonialismus in den Dingen« I Ausstellungsansicht
© Museum Fünf Kontinente, Foto: Nicolai Kästner
Die Ausstellung zeigt einzigartige historische Zeugnisse, die in der Kolonialzeit nach München gebracht wurden und heute vielfach als Meisterwerke gelten. Sie dokumentiert, wie diese Dinge in europäisch beherrschten Kolonialgebieten in Kamerun, Tansania, Nigeria, Namibia, Indien, Pakistan, China, Neuguinea, den Philippinen und Samoa geraubt, gekauft, getauscht oder als Geschenke angenommen wurden. Dabei legt die Ausstellung die Gewalt, den Rassismus sowie den Versuch, die Kulturen der Kolonisierten zu verdrängen, frei. Denn all das ging mit kolonialer Aneignung einher.
Das Museum Fünf Kontinente wurde 1868 gegründet, knapp 20 Jahre vor Beginn der deutschen Kolonialherrschaft. Allerdings nahm das Haus schon damals Kulturgut aus Kolonien anderer europäischer Staaten an. Um 1900 wurde es zu einer Einrichtung des deutschen Kolonialismus: Ein kolonialer Eroberer wurde Museumsdirektor. Man präsentierte Trophäen kolonialer Feldzüge, verbrämte brutale Gewalt zu Heldentaten und degradierte herausragende Kulturerzeugnisse zu Belegen vermeintlicher europäischer Überlegenheit. Vergessen blieben die Menschen, die die Werke geschaffen hatten, sie zu deuten wussten und deren Kulturen durch sie tradiert wurden.

Sonderausstellung »Der Kolonialismus in den Dingen« I Kopfaufsatz-Maske
Kopfaufsatz-Maske, Old-Calabar, Nigeria, vor 1905, Holz, bemalt, 35,6 x 17,8 x 19 cm, Provenienz: Max von Stefenelli, Inv.-Nr. 07-85
© Museum Fünf Kontinente, Foto: Nicolai Kästner
In jüngerer Zeit stieg die Wertschätzung für die »Kunst der Welt« erheblich. Zugleich schwand die Erinnerung an die Gewalt des Kolonialismus. Gegenwärtig befindet sich das Museum Fünf Kontinente im Übergang. Den Kolonialismus in den Dingen und die Kolonialgeschichte des Museums in einer Zusammenschau zu dokumentieren, ist ein Baustein des Wandels. Dieser lebt von kritischen Impulsen aus der Zivilgesellschaft und von der Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten aus den Herkunftsgesellschaften, der heute im Museum bewahrten Sammlungen. Ihre Perspektiven erhalten in der Ausstellung breiten Raum. Ihr Wissen um die kulturellen Kontexte, aus denen die Werke stammen, lassen den Reichtum ihrer Bedeutungen aber auch den Verlust und die Traumata der Kolonialzeit verstehen.
Innerhalb dieser Ausstellung wird es am Donnerstag, den 27. Februar 2025 um 19 Uhr eine Podiumsdiskussion mit Dr. Eva Bahl, Sarah Bergh und Modupe Laja geben. Über dem Ausstellungsprojekt Decolonize München aus dem Jahr 2013 im Münchner Stadtmuseum stand eine zentrale Frage: Was soll im Museum dekolonisiert werden – die Gegenfrage dazu lautete: Was muss nicht dekolonisiert werden?
Inzwischen sind Konzepte zu diversitätssensibler Museumsarbeit und dekolonialer Erinnerungskultur »State of The Art«, oder…? Wie geht es weiter in der musealen Praxis und in Räumen der Begegnung in der Stadt?
Dr. Eva Bahl ist Ethnologin und Soziologin und aktuell wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ruhr-Universität Bochum. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Migration und Grenzen sowie post/koloniale kollektive Gedächtnisse.
Sarah Bergh ist Theaterwissenschaftlerin und Pädagogin. Nach Presse- und Organisationsarbeit am Theater und in der Produktion für Tanz- und Performancefestivals, ist sie seit 2002 selbstständig. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf Bildungsarbeit und den Themen Diversity, Diskriminierung und Empowerment.
Modupe Laja ist Literaturwissenschaftlerin. Sie verbindet wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Beschäftigung mit Fragen von Empowerment und Teilhabe. Ihre Fachbeiträge als Autorin und Referentin sowie kuratorischen Arbeiten und Veranstaltungen befassen sich mit Repräsentationen und (De-)Konstruktionen von Schwarzsein und Weißsein sowie der Wirkmächtigkeit postkolonialer Realitäten.
Museum Fünf Kontinente, Maximilianstraße 42, München