Rebecca Louise Law
Community (Installationsansicht), 2018
Toledo Museum of Art, Ohio, USA
© Rebecca Louise Law
Nein, München ist nicht San Francisco, wo 1967 die Flower Power Bewegung mit den Blumenkindern in der Hippie Hochburg des Stadtteils Haight ihren Höhepunkt erlebte. Doch ab morgen dem 3. Februar wird die bayerische Hauptstadt mit dem Start des „Flower Power Festivals“ bis zum 7. Oktober eine Reihe von über 500 Veranstaltungen zum Thema Blumen und Blüten starten. Das Festival ist eine Initiative des Botanischen Gartens, des neu entstehenden Naturkunde Museums Biotopia, der Gasteig GmbH sowie der renommierten Kunsthalle, die morgen um 10 Uhr mit der Eröffnung der Ausstellung „Flowers Forever. Blumen in Kunst und Kultur“ den bunten Reigen an Veranstaltungen zum Thema Flower Power eröffnet.
Beim Flower Power Festival München 2023 dreht sich alles um die Blüte, im wörtlichen, aber auch im übertragenen Sinn. Wissenschaft, Nachhaltigkeit, Pflanzenvielfalt, Gartenkunst, Klimawandel, Biodiversität, Ästhetik, Lebensqualität, das und vieles sind Themen, die inszeniert werden sollen mit Ausstellungen, Workshops, Spaziergängen, Theateraufführungen, Installationen und mehr. Drinnen, draußen und digital sind die Spielplätze des Festivals.
Schon seit März 2020 hat die Kunsthalle die Münchner Bevölkerung aufgerufen sich bei dem von der britischen Künstlerin Rebecca Louise Law geschaffenen Projekt einer raumgreifenden Skulptur mit dem Titel Calyx (Blütenkelch), die einen der Höhepunkte der Ausstellung zu sehen sein wird, zu beteiligen. Die gestellte Aufgabe lautete: Sammeln und trocknen Sie schöne Blumen und werden Sie damit Teil dieses großen Gemeinschaftsprojekts!
Rebecca Louise Law arbeitet ausschließlich mit Blumen. Sie betont, wie wichtig es in unserer schnelllebigen Zeit ist, im engen und bewussten Kontakt mit der Natur zu leben. Die Menschen in und um München waren eingeladen, während der gesamten Blumensaison des vergangenen Jahres Blumen zu sammeln – seien es gekaufte Sträuße oder Blumen aus dem eigenen Garten – und sie getrocknet bis Herbst 2022 in die Kunsthalle zu bringen. Ziel ist es, mindestens 200.000 Blumen zu sammeln, die sonst weggeworfen worden wären. Im Zentrum ihres künstlerischen Schaffens stehen für Rebecca Louise Law der bewusste und nachhaltige Umgang mit natürlichen Ressourcen sowie die Vernetzung von Menschen aus unterschiedlichsten Kontexten. Interessierte konnten sich zusätzlich zum Sammeln der Blumen auch an der Vorbereitung des Kunstwerks beteiligen, wobei es darum ging, diese große Menge an Blumen zu sortieren, aufzubereiten, zu binden und zusammen mit der Künstlerin im Januar 2023 endgültig zusammenzufügen. Mit diesem partizipativen Gemeinschaftsprojekt wollte die Kunsthalle München Menschen auf außergewöhnliche Weise zusammenbringen.
Blumen sind für Mensch und Natur von immenser Bedeutung. Flowers Forever ist die erste Ausstellung, die sich der Kunst- und Kulturgeschichte der Blume vom Altertum bis heute widmet.
Mit Gemälden, Skulpturen, Fotografien, Design, Mode, interaktiven Medieninstallationen sowie naturwissenschaftlichen Objekten präsentiert die Kunsthalle München einen faszinierenden, thematisch gestalteten und aufwendig inszenierten Parcours: Behandelt wird die Rolle der Blume in Kunst und Wissenschaft, in Mythologie und Religion sowie in Literatur, Politik, Ökonomie und Ökologie.
Die Präsentation versammelt rund 170 Werke aus internationalen Sammlungen sowie eigens für die Ausstellung entstandene Installationen. Bedeutende Positionen der Kunst- und Designgeschichte treten dabei mit neu zu entdeckenden künstlerischen Ansätzen in einen fruchtbaren Dialog.
Die Ausstellung zeigt Werke von Jan Brueghel dem Jüngeren, Abraham Mignon, Barbara Regina Dietzsch, Lawrence Alma-Tadema, Hannah Höch, Andreas Gursky, Miguel Chevalier, Ann Carrington, Patricia Kaersenhout, Kehinde Wiley, DRIFT und vielen weiteren Künstler:innen. Sie alle machen die facettenreiche Kulturgeschichte der Blumen auf eindrückliche Weise erlebbar.
Blumen als Inspirationsquelle
Kunst und Naturwissenschaft haben sich bei der Darstellung von Blumen stets gegenseitig inspiriert. So wurden Forschungsergebnisse in der Naturwissenschaft mit ebenso kunstvollen wie präzisen Illustrationen versehen. Die Beschäftigung mit den mannigfaltigen Erscheinungsformen von Blüten aus aller Welt regten wiederum Künstler:innen zu floralen Kreationen an, die weit über die rein botanisch korrekte Darstellung hinausgingen. Dabei reflektieren sie das Verhältnis von Kunst, Natur und Wissenschaft und feiern zugleich die Pracht und Vielfalt der Farben und Formen
der Blumen.
Vom heiligen Lotus bis zur Nelkenrevolution
Blumen besitzen für uns Menschen seit jeher eine große Symbolkraft – sei es in der Mythologie und Religion, in Kunst und Literatur oder Politik. Dass sich die Sinnbilder regional unterscheiden und über die Jahrhunderte immer wieder verändert haben, zeugt davon, dass Menschen den Blumen immer wieder verschiedenste Bedeutungen zuschreiben. Dabei stehen sie unter anderem für das Leben und seine Vergänglichkeit, werden als Freundschafts- oder Liebesbeweis in der
zwischenmenschlichen Kommunikation verwendet oder repräsentieren Macht und Widerstand in Politik und Gesellschaft.
Der Wert der Blumen
Mit der Tulpenmanie in den Niederlanden wurde der Handel mit Blumen im 17. Jahrhundert erstmals zum großen Spekulationsgeschäft, wovon überaus kunstfertige Möbel und Vasen, aber auch satirische Gemälde zeugen. Heute sind sowohl die Blumenzucht als auch der Handel längst global organisiert, was Künstler:innen zur Beschäftigung mit ökologischen und sozialen Fragen veranlasst. Sie konfrontieren uns mit unserem Konsumverhalten und thematisieren die
Auswirkungen des menschlichen Handelns auf die Umwelt. So auch die als Gemeinschaftsprojekt entstandene Installation Calyx (Blütenkelch) der britischen Künstlerin Rebecca Louise Law (*1980), die mit 200.000 getrockneten Blumen das große Finale des Parcours bildet.
Vertreten sind unter anderem: Jan Brueghel der Jüngere (1601–1678), Abraham Mignon (1640–1679), Barbara Regina Dietzsch (1706–1783), Johann Joachim Kaendler (1706–1775), Dante Gabriel Rossetti (1828–1882), Lawrence Alma-Tadema (1836–1912), Émile Gallé (1846–1904), Hannah Höch (1889–1978), Owanto (*1953), Andreas Gursky (*1955), Ai Weiwei (*1957), Tamiko Thiel (*1957), Miguel Chevalier (*1959), Ann Carrington (*1962), Patricia Kaersenhout (*1966), Kehinde Wiley (*1977), Kapwani Kiwanga (*1978), Viktor&Rolf (gegründet 1993), DRIFT (gegründet 2007) und viele weitere. Begleitend zur Ausstellung erscheint eine umfassende und reich bebilderte Publikation, die den interdisziplinären Ansatz der Ausstellung in drei groß angelegten Interviews mit internationalen Expert:innen aus Botanik, Kunst, Kultur, Literatur und Wirtschaft fortsetzt und inspirierende Einblicke in die Kulturgeschichte der Blumen eröffnet. Darüber hinaus beleuchten Kurztexte die Hintergründe zu ausgewählten Objekten.
Die Ausstellung wurde von der Kunsthalle München konzipiert und organisiert und wird danach in veränderter Form im musée des impressionnismes Giverny gezeigt. Sie ist Ausgangspunkt des stadtweiten Flower Power Festivals München 2023.
Flowers Forever. Blumen in Kunst und Kultur
Februar – 27. August 2023
in der Kunsthalle München, Theatinerstr. 8, 80333 München
www.kunsthalle-muc.de
täglich 10 bis 20 Uhr
Tel. 089 – 224412