Retrospektive des deutschen Fotografen Horst H. Baumann
Der Fotograf Horst H. Baumann (1934 – 2019) zählte ab Ende der 1950er Jahre zu den Shooting-Stars seiner Generation. Schon in jungen Jahren mehrfach ausgezeichnet avancierte der Autodidakt bald zu einem in den gedruckten Medien omnipräsenten, höchst erfolgreichen Fotografen.
Als Horst H. Baumann verstarb, übergab seine Tochter Carolin dessen gesamten bildnerischen Nachlass, der etwa 3.500 Schwarzweiß-Fotografien und 750 Farbabzüge sowie ungezählte Dias, zahlreiche Dokumente, Zeitschriften und Bücher umfasst, zur Bearbeitung den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim. Hans-Michael Koetzle (DGPh) hat für das im Steidl Verlag, Göttingen, erschienene große Katalogbuch „Apropos Visionär. Der Fotograf Horst H. Baumann“etwa 400 Werke aus dem künstlerischen Nachlass des Fotografen ausgewählt.
In seiner ausführlichen Einleitung präsentiert der Herausgeber unter dem Titel „Unmittelbarkeit – das war mein ganzes Plädoyer“ anhand von Beispielen das umfangreiche Werk des „Kleinbildmenschen durch und durch“. Auf etwa 180 Seiten erhärtet er dies anhand von vielen seiner freien Arbeiten, die von Eleganz, Schönheit und Dynamik geprägt sind und gleichzeitig belegen, dass sich Baumanns frühe Schwarzweiß-Fotografie durch ein hohes Maß an Empathie und ehrlichem Interesse an sozialen Themen auszeichnet.
Markant wird sein Werk auch durch seine konsequente Suche nach einem eigenen Ausdruck in der Kamerakunst: Noch aus dem vermeintlich banalsten Sujet wusste Baumann durch den gezielten Einsatz partieller Schärfe, durch kühne An- oder Ausschnitte, dynamische Perspektiven oder ein Spiel mit Vorder- und Hintergrund seine Art von Bildgestaltung zu extrahieren. So überraschte und irritierte er immer wieder und wusste sich vom eher journalistischen Zugriff seiner Zeitgenossen abzusetzen.
Hinzu kam Baumanns frühes Interesse für die Farbe, die der Fotograf bald als zusätzliche große künstlerische Herausforderung begriff. Berühmt machten ihn vor allem seine Farbfotografien von Autorennen, wie der Journalist Eberhard Reuss in seinem Beitrag unter dem Titel „Licht und Geschwindigkeit“ am Beispiel von Baumanns 1965 erschienenem Buch „Die neuen Matadore“ belegt. Denn ganz im Sinne von „New Color“ fotografierte dieser nicht nur farbig, er dachte in Farbe und nutzte sie als Stil- und Ausdrucksmittel. Daraus wiederum entwickelte er später die Lichtkunst, mit der er sich beispielsweise 1977 auf der documenta 6 in Kassel präsentierte.
Schließlich beschäftigt sich Christoph Wiegand unter dem Titel „Eine Archäologie fotografischer Karrieren“ mit den „Lesarten des Archivs von Horst H. Baumann“ und kommt dabei zu dem Schluss, dass „Archive keine Inseln sind, sondern vielmehr Knotenpunkte in einem Geflecht fotografischer Kultur“.
Der große Katalogband belegt somit das Credo von Horst H. Baumann: „Unmittelbarkeit – das war mein ganzes Plädoyer, immer. Dass der Fotograf, und das macht für mich den Reiz von Fotografie aus, dass man Partizipant des Geschehens ist. Und nicht irgendwie distanzierter Beobachter.“
H.-G. v. Zydowitz
Hans-Michael Koetzle (DGPh)
Apropos Visionär – der Fotograf Horst H. Baumann
Texte: Hans-Michael Koetzle, Eberhard Reuss, Christoph Wiegand
336 Seiten mit 317 Abbildungen
Format: 30×24 cm, Hardcover
Göttingen, Steidl Verlag
ISBN: 978-3-96999-174-9; € 48.-
Ausstellung noch bis 25. Juni 2023 im Zephyr – Raum für Fotografie der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheimsowie ab 25. August im Museum für angewandte Kunst, Köln (MAKK)