Japan während der Corona-Pandemie: In Japan ist das Frühjahr die Zeit der Kirschblüte, eine Zeit, die gleichzeitig ein Symbol für die Vergänglichkeit und Fragilität des Lebens ist. Im Jahr 2020 fiel diese mit dem Beginn der Covid-Pandemie zusammen. Just zu dieser Zeit befand sich der in Paris ansässige Fotograf Alexandre Morvan in dem ostasiatischen Land und dokumentierte dort die unsichtbare Bedrohung des Alltags durch das Virus. Das im Kehrer Verlag, Heidelberg, erschienene Buch „Cherry Trees“ mit den im Frühjahr 2020 in Japan entstandenen Fotografien zeigt, wie Morvan im Laufe seiner Arbeit begann, Verbindungen zwischen den seltsamen Alltagssituationen und japanischen Fernsehserien zu erkennen, die er als Jugendlicher gesehen hatte – einige davon hatten sich als visionär entpuppt, da diese große ökologische und humanitäre Krisen thematisierten.
Das Buch handelt von Übertragung – die Übertragung eines Virus, aber auch die von fiktiven Lebenswelten der Vergangenheit in unsere heutigen Lebenswirklichkeiten. Dabei verbindet der Fotograf die Zeit der Kirschblüte in Japan mit dem Alltag während der Pandemie und erkannte dabei auch eine gewisse Art von Endzeitstimmung.
In seinem Vorwort warnt Julien Bouvard, Professor für Japanstudien an der Jean-Moulin-UniversitätLyon, unter dem Titel „Blüten inmitten von Ruinen“: „Die Darstellung des täglichen Lebens in der Zeit, als die Fotografien entstanden, also im Frühling mit den für Japan während der Kirchblüte so typischen bunten Farbtönen, zeigt eine Art Widerstand gegen jedwedes Unheil. Denn die Pflanzen belegen überall, dass sie trotz der schwierigen Umstände entschlossen sind zu überleben – und zwar unabhängig davon, welche gesundheitlichen Probleme die Menschheit gerade zu bewältigen hat.“
Der japanische Fotokritiker und Fotografie-Historiker Iizawa Kōtarō stellt in seinem Text unter dem Titel „Wer sind wir?“ fest, wie wichtig es ist, dass die Fotografien von einem Fremden stammen, der sich unter ganz anderen Voraussetzungen mit dem Thema befasst hat, als ein einheimischer Fotograf es getan hätte: „Die japanische Bevölkerung befand sich in der Tat am Rand einer Periode umfangreicher Veränderungen im Zusammenhang mit den Folgen der Covid-19-Krise und musste sich immer wieder die Frage stellen: Wer sind wir, wo wollen wir hin.“ Alexandre Morvan hat sich engagiert mit diesen Fragen beschäftigt und versucht, mit seinen Fotografien Antworten zu finden.
H.-G. v. Zydowitz
Alexandre Morvan
Cherry Trees
Text: Julien Bouvard, Iizawa Kōtarō
Format: 17×22 cm, Hardcover
128 Seiten mit 108 Farbabbildungen
Sprache: Englisch
Heidelberg, Kehrer Verlag
ISBN: 978-3-96900-166-0;
Preis 38 Euro