Nach dem Festival ist vor dem Festiaval. Wir haben Edda Fahrenhorst, Kuratorin des Umweltfotofestivals «horizonte zingst» zu ihren Erfahrungen auf dem diesjährigen Fotofestival und die daraus gezogenen Konsequenzen befragt. Mit dabei war auch der Bereichsleiter für Marketing in Zingst, Rico Nowicki. Für Veranstalter, Kritiker und Besucher war das Festival erneut ein voller Erfolg. Wer einen Besuch der «horizonte zingst» 2024 in Zingst an der Ostsee beabsichtigt, kann bereits jetzt planen: Der Termin für die Eröffnungswoche wurde diesmal auf den 8. bis 16. Juni 2024 gelegt. Aber viele der Ausstellungen werden auch im nächsten Jahr wieder den ganzen Sommer über zu sehen sein.
dasfotoportal (FP): Edda, nach „Wasser“ und „Ernährung“ ist „Flora“ in diesem Jahr das dritte Festival „horizonte zingst“, das Du leitest, wann ist Deine Arbeit am anstrengendsten – vor dem Festival oder während des Festivals?
Edda Fahrenhorst: Definitiv davor
FP: Ich habe gehört, dass Du auch viele Kilometer während des Festivals gelaufen bist?
EF: Ja, ich habe gerade eben auch auf meinen Schrittzähler geschaut und festgestellt, dass ich in Zingst in einer Woche 92,8 km gelaufen bin.
FP: Hat das Festival bisher Deine Erwartungen erfüllt?
EF: Ja, sogar übererfüllt. Überrascht und sehr, sehr erfreut bin ich über das Publikum. Alle Vernissagen waren ebenso wie die Führungen richtig gut besucht und das Publikum hat aufmerksam zugehört, hat Fragen gestellt und ist mitgegangen – obwohl meine Führungen oft bis zu zwei Stunden gedauert haben. Selbst das Wetter war uns in diesem Jahr wirklich wohl gesonnen.
FP: Wie kam es zu dem Thema „Flora“?
EF: Das war eine längere Geschichte. Wir haben die letzten drei Jahre angefangen mit den monothematischen Themen und haben da auch schon entwickelt, wie sich das über die Jahre fortsetzen soll. Für dieses Jahr hatten wir eigentlich schon vor Langem ein anderes Thema geplant. Letztes Jahr im September, Oktober stand uns allen aber ein dunkler Winter bevor und da haben wir am großen runden Zingster Tisch gesagt ‚okay, lasst uns vielleicht einfach ein bisschen was leichteres nehmen, damit das nicht zusätzlich noch Salz in die Wunden der Zeit streut und so haben wir uns für das Thema „Flora“ entschieden.
FP: Siehst Du es denn nicht als schwierig an, immer thematisch weiter zu machen? Fällt einem dazu immer genug ein?
EF: Ich weiß, es ist nicht so einfach so ein Thema rund zu bekommen, damit es nicht langweilig wird. Aber die Herausforderung nehme ich gerne an – zumal es noch so viele Möglichkeiten gibt!
FP: Klaus Tiedge, ehemals langjähriger Kurator des Festivals, hat im Umfeld von Naturfotografie immer etwas ironisch von Blümchen- und Piepmatz-Fotografie gesprochen, war das eine Gefahr bei dem Thema „Flora“?
EF: Absolut. Daraufhin habe ich sehr lange recherchiert und bei Kolleginnen und Kollegen und Partnern herumgefragt, da das Thema dann doch schwieriger war als ich ursprünglich dachte – weil wir eben keine Blümchen und Piepmätze bringen wollten, sondern neben leichteren Geschichten auch komplexe und kritische Themen. Wir sind ein Umweltfotofestival, da hat das Thema super gepasst und ich fand es sehr begeisternd, dass man dabei durch die Bilder Sachen erfahren hat, von denen viele nichts wussten.
FP: Wie findest du denn genau die Sachen, von denen man nichts weiß?
EF: Das ist ein langer Prozess. Erstens habe ich eine Liste, die ich schon seit Jahren führe. Da sind Themen drauf, die ich immer wieder rechts und links des Weges finde. Und dann gibt es ein großes Netzwerk an Menschen, die uns unterstützen, wie zum Beispiel Lars Lindemann (ehemals GEO) oder Inas Fayed von LFI und und und…. Und ich recherchiere sehr viel. Ich verbringe wirklich Wochen damit, im Netz, den sozialen Medien, gedruckten Magazinen, auf Plattformen zu recherchieren.
FP: Wie schwierig ist es Fotografen nach Zingst zu bekommen?
EF: Mittlerweile hat sich das tatsächlich ein bisschen geändert – in den Anfangsjahren der Fotografie hieß es noch oft „Zingst wo, wie, was, wer, warum und was soll das sein?“ In der Zwischenzeit – nach 16 Jahren Festival – haben wir natürlich viel mit allen Beteiligten und dem Team gewirbelt und glücklicherweise hat es sich in der Fotografiewelt so weit herumgesprochen, dass die meisten von Zingst mindestens schon gehört haben. Und im Laufe der Jahre konnten wir natürlich auch viele Fotografinnen und Fotografen begrüßen – die dann wiederum die Kunde in die Welt getragen haben.
FP: Bekommen die Fotografen die Reisekosten bezahlt?
EF: Ja, die Reisekosten und ein bisschen etwas oben drauf, das ist uns wichtig. Damit haben wir letztes Jahr konsequent zum Festival angefangen. Bei uns bekommen alle Ausstellenden ein Honorar, auch wenn es nur ein kleines ist. Aber nichtsdestotrotz geht es um die Wertschätzung. Alle bekommen gleich viel, für Einzelausstellungen gibt es einen Satz, für Gruppenausstellungen gibt es einen anderen Satz. Dazu gibt es eben die Einladung für zwei Übernachtung und eine Reisekostenpauschale, die sich danach richtet, woher jemand kommt.
FP: Kannst Du schon etwas zum Thema für das nächste Jahr sagen?
EF: Für das nächste Jahr kann ich noch nichts sagen, weil das Thema noch nicht festgelegt wurde Aber der Termin steht mittlerweile fest: 8.-16. Juni 2024
FP Welchen Stellenwert hat Zingst bei Dir?
EF: Ich habe mein Herz natürlich schon vor vielen Jahren an Zingst verloren. So wie wir alle. Und deshalb schaue ich bei der Arbeit an und um das Festival auch nicht auf die Uhr – ein Festival ist sowieso der falsche Beruf für jemanden, der immer die Uhr im Blick hat. Mein Ziel ist es, dass die Ausstellungen immer so aussehen, als hätten sie überhaupt gar keine Arbeit gemacht…
FP: …das ist aber doch das, was am meisten Arbeit macht. Wie viel Hilfe kommt von außen? Ist die Unterstützung mehr ideell als finanziell?
EF: Da ist die Geschichte, von Jennifer Marktwirth ein gutes Beispiel, deren Arbeit „Flora Obscura“ am Strand steht: Im Vorfeld des Festivals traf ich mich mit Andreas Trampe vom Magazin Stern und habe ihm die Festivalthemen gezeigt. Jennifers Arbeit kannte er noch nicht, fand sie super und hat sie mitgenommen in die Redaktion. Und sie ist kurz vorm Festival auf 11 Seiten im Stern erschienen. Natürlich mit Hinweis auf das Festival. Im Netzwerk – auch mit allen anderen Partnern – gibt es eine großartige, unterstützende und wertschätzende Zusammenarbeit, von der alle Beteiligten etwas haben.
Bei unserem Interview mit Edda Fahrenhorst war auch Rico Nowicki, Bereichsleiter für Marketing in Zingst, dabei.
FP: Die Frage ist an Euch beide: Wie setzt sich denn das Publikum zusammen? Welche Menschen kommen nach Zingst? Urlauber mit ihrem Camper, Fotointeressierte? Wie viele Leute davon interessieren sich dann auch für Fotografie? Die meisten Ausstellungen sind ja auch noch länger nach dem Festival zu sehen.
Rico Nowicki (RN): Das kann ich ganz klar beantworten. Das Interesse von allen ist groß. Ich fahre oft durch das Zentrum am Postplatz und jeden Tag an der Jordanstrasse vorbei. Und da sehe ich immer Leute vor den Bildern stehen. Ich glaube, dass einige im Laufe der Jahre davon überrascht werden, die diese Ausstellungen zum ersten Mal sehen. Es gibt auch Leute, die wissen, was wir hier tun, und sich auch darauf freuen, dass sie dann die Ausstellung auch später noch mal sehen können. Das Interesse ist da. Im Herbst kommt natürlich vor allem das Publikum das sehr naturinteressiert ist und Kraniche, Hirsche und Landschaft insgesamt sehen will. Die Ausstellung am Strand wird jetzt dann bald abgebaut, da einfach der Platz gebraucht wird für das Urlaubspublikum. Am Strand muss man die Kinder immer im Blick behalten können und wenn da etwas davor steht wie die riesigen Bilder, ist das schlecht. Wenn dann später der Strand wieder eher zum Flanieren genutzt wird, stellen wir die Ausstellung wieder auf.
FP: Wie ist die Belegung von Besuchern beim 2023er Festival? Habt Ihr schon ein Gefühl dafür?
RN: Wir hatten über 90 Prozent Belegung in diesem Jahr. Das ist einfach schön und die Fotografie trägt dazu bei.
FP: Edda, ist denn für Dich das ganze Jahr von Zingst bestimmt?
EF: Nicht das ganze Jahr. Jetzt habe ich erst einmal eine Atempause und Sommerferien – da freue ich mich darauf. Dann habe ich noch drei vier andere Dinge zu tun – etwa unsere Agentur Fotogloria in Hamburg.
FP: Das bekommst Du nebenbei geregelt?
EF: Nun, meine Tage sind lang. Aber da ich hier mein Herz verloren habe, arbeite ich auch von mir aus nachts dafür, um alles zu schaffen. Ab etwa September beginnt die Vorbereitung – Festlegung des Oberthemas, Themenrecherche, Anfrage Fotografinnen und Fotografen und so weiter. Die heftige Hardcore-Arbeit am Festival dauert dann etwa von Dezember bis zum Festival. Und darüber hinaus gibt es ja auch noch den Fotoherbst und das Fotografie-Frühjahr – zu den Zeiten wechseln wir zweimal jeweils 3-4 Ausstellungen.
RN: Wir haben dazu auch die Gesamtsaisonvorbereitung bis über den Herbst hinein dazu kommt das Marketing und so weiter. Es fließt ja alles ineinander.
FP: Bleibt der Fotomarkt zum Festival zeitgleich und verkürzt?
RN: Die Reaktion darauf ist unterschiedlich ausgefallen. Mancher fand es super, dass man alles auf einmal erleben kann, andere meinten es war für sie stressig zum Beispiel drei Workshops zu machen, die Vernissagen zu besuchen usw. Das sind die Besucher, die sich schon immer zehn Tage Zeit genommen hatten. Für die war das natürlich ein anderes Tempo. Spannend ist da allein schon eine Terminplanung für das nächstes Jahr. Wir haben immer gesagt, wir spielen nicht zu Pfingsten, also nicht zu Feiertagen und auch nicht in den Ferien, dafür haben wir einfach nicht die Kapazitäten.
FP: Welche Rolle spielt Epson für das Festival?
RN: Ich wüsste nicht was wir täten ohne Epson. Sie sind beteiligt an der Qualität der Ausstellungen und der Druck von ihnen ist einfach klasse, da stimmen wir alles zusammen ab. Bei Epson weiß man genau, was die Bilder brauchen, damit die Bilder auch genauso wirken, wie sie wirken sollen. Beispielsweise, um sie in dieser Größe am Standort Strand, wo viel Licht ist, zu präsentieren. Das ist ein sehr komplexes Thema.
FP: Wallpaper-Präsentationen sind ja sehr beliebt, passt auch manchmal gut, vor allen Dingen natürlich im öffentlichen Raum. In der Leica Galerie bei der Ausstellung „Before It’s Gone“ von M’hammed Kilito, finde ich es verfehlt.
EF: Ich liebe Fototapete und ich finde es toll, wenn sich die Geister zu Ausstellungen scheiden. Ich mag das, wenn Leute sagen es geht gar nicht und andere sagen das ist total toll – wenn das nicht bei der einen oder anderen Ausstellung passiert, habe ich etwas falsch gemacht. Wir haben lange darüber nachgedacht wie wir die Ausstellung in der Leica Galerie präsentieren, aber ich finde das Thema braucht Größe und die Größe kannst du anders nicht herstellen. Ich spreche natürlich auch immer mit den Fotografinnen und Fotografen die Ausstellung ab und auch bei M’hammed war es so – er war superhappy mit der Idee.
FP: Besucht man auch andere Festivals, um zu sehen was dort geschieht?
EF: Gerne so viel wie es irgendwie geht– im letzten Jahr war ich sehr viel unterwegs, vor allem auch bei internationalen Veranstaltungen. Ich schaue auch immer gerne hinter die Bilder und gucke, wie sind die angebracht – damit ich vielleicht noch eine Idee mit nach Hause bringe.
FP: KI gehört inzwischen bei jeder Veranstaltung dazu, auch Ihr habt das Thema aufgegriffen.
EF: Jeder hat mittlerweile von KI gehört, aber es ist nicht einfach, sich umfassend zu informieren und die neuesten Anwendungen in der Fotografie zu testen. Wir haben das Projekt also auch etwas didaktisch aufgebaut und in den Führungen habe ich mich bemüht, KI zu erklären – was ist das? Was muss man tun? Wie setzt sich das zusammen und so weiter. Ich denke gerade bei KI und der momentanen Unsicherheit dazu sollte man möglichst wissen worüber man redet, um sich ein Bild machen zu können, um selber zu wissen welche Verantwortung man hat und wie der Stand der Technik ist.
FP: Ihr habt dann vier Fotografen zu dem Event „FlorAI“ eingeladen. Zwei Fotografinnen und zwei Fotografen unterschiedlicher Generationen und in verschiedenen Genres zu Hause haben sich um einen Tisch versammelt – jeder mit einem Rechner vor sich. Wie lief das ab?
EF: Unser 87-jähriger Walter Schels, der einfach zum Festival gehört, war sofort mit Begeisterung dabei. Dabei dann Mäuschen zu sein, das hat Spass gemacht! Es war schon toll, wie ausführlich die vier wirklich miteinander diskutiert haben. Als Kind habe ich mir gewünscht, dass es eine Maschine gibt, die in der Lage ist, Bilder aus den Köpfen, so zu produzieren, dass auch andere sie sehen können. So bin ich letztlich zur Fotografie gekommen. Die KI fügt jetzt eine weitere Ebene hinzu und ich fand die Auseinandersetzung von den vier Kolleginnen und Kollegen mit den Ebenen der Bilderzeugung hochspannend.
FP: Liebe Edda, lieber Rico, vielen Dank für das Gespräch, wir freuen uns schon auf das Umweltfototofestival «horizonte zingst» 2024.
Das Interview hat Brigitte Henninges geführt