Bei WestLicht. Schauplatz für Fotografie in Wien wird vom 19. Juni bis 11. August die spektakuläre Ausstellung „Inside Views – Zeitgenössische Fotografie aus China“ zu sehen sein, die Arbeiten von elf Künstler:innen aus China, die seit der Jahrtausendwende vor dem Hintergrund eines rasanten Wirtschaftswachstums und eines radikalen sozialen Wandels entstanden sind, zeigt. Im Zentrum der Ausstellung steht eine umfangreiche Werkgruppe des Ausnahmekünstlers Ren Hang
Repressive Autokratie, globaler Player, wirtschaftliche Supermacht mit Expansionsdrang – der europäische Blick auf China ist von einer Reihe wiederkehrender Zuschreibungen geprägt. Misstrauen und Neugierde treffen dabei genauso aufeinander wie Kritik und Faszination für die asiatische Volksrepublik. Wie aber sehen sich chinesische Künstler:innen selbst? Welche Bilder finden sie für die Lebensrealitäten vor Ort? Und was erzählen ihre individuellen Innensichten über die Gesellschaft als Ganzes?
Die von Ren Hang gezeigten Fotografien, hat dieser 2015 bei seinem Aufenthalt in Wien angefertigt. Der Fokus aller in der Ausstellung INSIDE VIEWS gezeigten Bildserien liegt auf dem Individuum und dessen Verhältnis zur umgebenden Gesellschaft – seien es private Beziehungen oder Abhängigkeiten von sozialen Makrostrukturen. Ausgangspunkt und Motiv ist oft der Körper. Er fungiert als Experimentierfeld, als Medium, Zeichen und Material.
Das Spektrum der Arbeiten reicht von den an seine Performances anschließenden Körperinszenierungen von Zhang Huan (*1965) über Chen Ronghui (*1989) und seine Serie Freezing Land zu den Folgen des Strukturwandels bis hin zu Luo Yang (*1984), die in ihren Fotografien junger Frauen das Porträt einer selbstbewussten, aber gleichwohl um ihre Identität und ihren Platz ringenden Generation zeichnet.
Im Zentrum der Ausstellung steht eine umfangreiche Werkgruppe von Ren Hang (1987–2017). Seine ebenso expliziten wie kunstvollen Kompositionen ineinander verschlungener nackter Körper in teils akrobatisch anmutenden Posen machten ihn in den 2010er-Jahren nicht nur über Nacht zum Star, sondern auch zum Vorreiter für eine breitere Rezeption zeitgenössischer chinesischer Fotografie in Europa und den USA. In seinem Heimatland geriet Ren Hang indessen immer wieder ins Visier der Zensur. Er verstand seine Fotografie zwar nie als Provokation, schon gar nicht als politisch. Gleichwohl lassen sich seine zumeist mit Freunden und Bekannten im privaten Raum inszenierten Arbeiten mit ihrem gelassenen Umgang mit Sexualität als Akt des Nonkonformismus lesen. In einer konservativen, streng reglementierten Gesellschaft stellten Ren Hangs Fotografien so – auch vor dem Hintergrund seiner Homosexualität – eine Sehnsucht nach Selbstbestimmung und eine Utopie von Freiheit und Gemeinschaft jenseits staatlich sanktionierter Modelle dar.
2015 präsentierte die Galerie OstLicht Ren Hangs erste umfassende Einzelschau in Europa. Während seines Aufenthalts in Wien entstanden Arbeiten, die nun als Teil der Ausstellung INSIDE VIEWS zum ersten Mal prominent zugänglich gemacht werden. Begleitet wird die Serie von einem umfangreichen Making-of, fotografiert von WestLicht-Direktor Peter Coeln, der Ren Hangs Fotoshooting im Wienerwald mit seiner Kamera festhielt und so einen einzigartigen Einblick in die Arbeitsweise des 2017 verstorbenen Ausnahmekünstlers aus China ermöglicht.
Aus Anlass der Ausstellung erscheint die Dokumentation auch als Fotobuch in limitierter Auflage unter dem Titel Ren Hang at Work. Die Ausstellung INSIDE VIEWS ist eine Kooperation mit der Alexander Tutsek-Stiftung, München. Mit Arbeiten von Chen Ronghui, He Chengyao, Liang Xiu, Pixy Liao, Liu Ke und Huang Huang, Liu Tao, Luo Yang, Ren Hang, Silin Liu, Wang Bing und Zhang Huan. Die Publikation About Us. Young Photography in China – zur Ausstellung erhältlich im WestLicht Bookshop – vereint alle Leihgaben aus der Sammlung der Alexander Tutsek-Stiftung.