Die in der Galerie Julian Sander bis 15.11.2025 präsentierte Ausstellung versammelt nicht nur Motive aus sämtlichen Werkreihen Lisette Models, sondern erlaubt darüber hinaus auch weitere Einblicke in das Schaffen Gerd Sanders. Dieser verhalf ihrem Werk in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren nicht nur durch seine Tätigkeit als Galerist zu neuer Sichtbarkeit. Als versierter Printer übernahm er die Erstellung der Neuabzüge ihrer bekannten Motive aus den 1930er und 1940er Jahren. Anhand von Arbeitsabzügen, die sich in seinem Nachlass erhalten haben, lässt sich zum einen seine persönliche Leistung in der Dunkelkammer veranschaulichen – viele der Negative Models befanden sich am Ende ihres Lebens in einem problematischen Zustand, so dass bei der Produktion der Editionen ein hohes Maß an chemisch-physikalischem Know-How und handwerklichem Können gefragt war.

Lisette Model
Famous Gambler, Monte Carlo, 1937
Gelatinesilberabzug hochglänzend, 1977 von Gerd Sander
„Fotografiere niemals etwas, das dich gleichgültig lässt!“ Diesen Ratschlag, den Lisette Model (1901-1983) zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn von ihrer Freundin, der Fotografin Rogi André bekam, sollte sie zur Maxime ihres gesamten fotografischen Schaffens machen. Geboren 1901 in Wien, hatte Model zunächst eine musikalische Ausbildung absolviert und unter anderem bei Arnold Schönberg Harmonielehre und Tonsatz studiert, bevor sie Anfang der 1930er Jahren zu fotografieren begann. Zu diesem Zeitpunkt lebte sie in Frankreich, in Paris und an der Côte d’Azur entstanden ihre ersten Bilder, die schon bald im Magazin Regards publiziert wurden. In Nizza hielt sie mit ihrer Rolleiflex und dem für sie typischen, sozialkritischen Blick die ebenso betuchten wie selbstgefälligen Müßiggänger auf der Promenade des Anglais fest; in Monte Carlo entstand unter anderem ihre berühmte Aufnahme einer korpulenten Glücksspielerin. Dem hier eingefangenen, großbürgerlichen Wohlstand und unbeschwerten, süßen Leben stehen ihre Aufnahmen des arbeitenden „kleinen Mannes“ und der Clochards, die in den Straßen von Paris ihre klägliche Existenz fristeten, kontrastiv gegenüber. Mit unsentimentalem Blick machte Model in ihren auch formal sorgsam angelegten Bildern das soziale Ungleichgewicht der Gesellschaft sichtbar. Nach ihrer Emigration in die USA im Jahr 1938 blieb sie ihrem Thema treu, fotografierte das Prekariat an der Lower East Side ebenso wie die Gäste luxuriöser Restaurants. Ihre Aufnahmen der Sängerinnen und Sänger, die sie in der legendären New Yorker Bar Sammy’s portraitierte, zeugen von ihrer lebenslangen Leidenschaft für die Musik. Neben ihren Portraits entstanden formal experimentellere Werkreihen, die die Sensation der von Geschwindigkeit und simultanen Sinneseindrücken geprägten Großstadterfahrung thematisieren: In ihren Reflections überführte sie den Blick in spiegelnde Schaufenster in komplexe, sich überlagernde Bildräume; mit ihrer Serie Running Legs, bei der sie die Kamera mitunter dicht über dem Gehsteig positionierte, fing sie die hektische Betriebsamkeit der Straßen New Yorks ein. Ihr unverfälschter Blick und die Ausdruckskraft ihrer Bilder machten sie zu einer gefragten Fotografin, die u.a. viele Jahre für Harper’s Bazaar arbeitete.

Lisette Model
Reflections, Rockefeller Center, New York, c. 1945
Gelatinesilberabzug hochglänzend 1977 von Gerd Sander
Die in der Galerie Julian Sander präsentierte Ausstellung versammelt nicht nur Motive aus sämtlichen Werkreihen Lisette Models, sondern erlaubt darüber hinaus auch weitere Einblicke in das Schaffen Gerd Sanders. Dieser verhalf ihrem Werk in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren nicht nur durch seine Tätigkeit als Galerist zu neuer Sichtbarkeit. Als versierter Printer übernahm er die Erstellung der Neuabzüge ihrer bekannten Motive aus den 1930er und 1940er Jahren. Anhand von Arbeitsabzügen, die sich in seinem Nachlass erhalten haben, lässt sich zum einen seine persönliche Leistung in der Dunkelkammer veranschaulichen – viele der Negative Models befanden sich am Ende ihres Lebens in einem problematischen Zustand, so dass bei der Produktion der Editionen ein hohes Maß an chemisch-physikalischem Know-How und handwerklichem Können gefragt war. Darüber hinaus lenkt ein Vergleich unterschiedlicher Abzüge von ein und demselben Negativ die Aufmerksamkeit auf einen häufig vernachlässigten Aspekt des Mediums Fotografie, bei dem das Negativ zwar die Grundlage, zugleich aber auch nur den Ausgangspunkt für das finale Bild darstellt.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.
Galerie Julian Sander, Bonner Str. 82, Köln







