Foto Anja Engelke
Anja Engelke wurde von der Jury als Hauptpreisträgerin des Vonovia Award für Fotografie 2020 für eine ganz besondere Hommage an den wegweisenden Fotokünstler Stephen Shore ausgezeichnet. Dessen 1973 in einem trostlosen Motel in Idaho entstandenes Foto »Room 125« hat sie akribisch als Raum nachgebaut, um selbst darin zu leben, ihn sich anzueignen und sich davon inspirieren zu lassen. Ihre so entstandenen ebenso minimalistischen wie poetischen, gleichzeitig dokumentarischen wie auch fiktionalen Bilder sind eine Verbeugung vor einem großen fotografischen Vor-Bild, das sie in ihrer eigenen Fantasie weiterentwickelt und mit neuem Leben füllt. In lapidarer Selbstverständlichkeit verwandelt sie Stephen Shores wunderbar atmosphärische Studie über die Heimatlosigkeit und Verlorenheit irgendwo in den Weiten der USA in ein eindrückliches Bild von ihrem eigenen künstlerischen Zuhause.
Foto Valentin Goppel
Der diesjährige Preis für die »Beste Nachwuchsarbeit« geht an Valentin Goppel, der in Hannover den Studiengang für Fotojournalismus und Dokumentarfotografie absolviert. In seiner Reportage »allá en la pampa« begleitet er Jugendliche in dem argentinischen Provinzdorf Maria Susana, die allein auf ihren Mobilgeräten oder auch zusammen in der Gruppe von einem anderen, vermeintlich besseren Leben in der Ferne – allá, en Alemania! – träumen. Gleichzeitig offenbart sich die ländliche Idylle, die abgeschlossene, in sich ruhende Welt der Jugendlichen fernab der westlichen Großstadtversprechen – allá, en la pampa! – aber auch selbst als eine Projektion der Sehnsuchtsidylle für uns als Betrachterinnen und Betrachter.
Foto Ingmar Björn Nolting
Mit dem 2. Preis in der Kategorie »Beste Fotoserie« wurde Ingmar Björn Nolting ausgezeichent. Er hat mit seiner Foto-Reportage »Neuland« auf seiner Reise quer durch Deutschland während des Lockdowns in der Corona-Krise Bilder und Eindrücke einer dystopischen Welt gesammelt: Messehallen voller Reserve-Intensivbetten, verbarrikadierte Grenzen, leere Aussegnungshallen, Auto- Gottesdienste auf dem Parkplatz, ratlose, maskierte Politiker, Krankenpfleger in Schutzkleidung, hilflose Intensivpatienten. Bilder, die von Distanz und Einsamkeit, von Ausgrenzung, von Ratlosigkeit, Angst und tiefer Verunsicherung, aber auch von poetischen Momenten wie etwa von einem musizierenden Paar auf einer grünen Wiese mitten in der Natur erzählen – es sind Bilder, die in unsere gemeinsame Erinnerung eingehen und unser künftiges Bild dieser verstörenden Zeit nachdrücklich prägen werden.
Foto Tine Edel
Tine Edel, die den 3. Preis in der Kategorie »Beste Fotoserie« belegte, schafft, im Gegensatz zu Nolting, der die Kamera benutzt, um die Wirklichkeit in denkbar dichtester Form dokumentarisch festzuhalten, eine ganz eigene, aus abstrakten Formen konstruierte Welt. Ihre spezielle ‚fotografische‘ Technik kommt ganz ohne Kamera aus: Edels Schwarz-Weiß-Bilder entstehen mit Hilfe von Papierschablonen, die auf silberbasiertem Fotopapier belichtet werden und Formengebilde generieren, die an Fotogramme in der Manier von Christian Schad oder Man Ray erinnern. Aus geometrischen Flächenarrangements im Stil des Konstruktivismus erschafft sie so raffinierte Raumillusionen, die an Wohnsituationen erinnern, sich aber gleichzeitig auch im Diskurs abstrakter Form- und Flächenkompositionen bewegen.
Foto Moritz Küstner
Moritz Küstner landete mit „Silence is the Sound of Fear“ auf der Shortlist „Beste Fotoserie“. Seit der Annexion der Krim durch Russland ist die völkerrechtliche Zugehörigkeit der Halbinsel umstritten. Diewirtschaftliche Lage der Krim hat sich erheblich verschlechtert. Ihre Haupteinnahmequelle, der Tourismus, ist in den ersten Jahren nach der Annexion um fast 50 % eingebrochen. Außerdem verursacht die neue Staatsgrenze eine Abschottung vom Festland, was immer wieder zu Versorgungsengpässen für die 2,3 Millionen Krimbewohner führt. Viele von Russland eingeführte Sanktionen sowie die Einschränkungen der Meinungsfreiheit und Pressefreiheit verändern das Leben der Bewohner der Halbinsel. Insbesondere die Krimtataren, die nun ins Visier der russischen Behörden geraten sind, bekommen den Machtwechsel zu spüren. Die Krimtataren sind eine muslimische Minderheit, die als die ‚Ureinwohner’ der Krim gelten. Aufgrund ihres Boykotts des Referendums zum Anschluss an Russland und aufgrund ihrer speziellen Geschichte gelten sie als russlandfeindlich. Sie unterliegen in besonderem Maße den Einschüchterungen durch die russischen Behörden und fühlen sich zugleich so stark mit ihrer Heimat verbunden, dass es für sie schwer vorstellbar ist, diese zu verlassen.