Das Jenaer Glaswerk Schott & Gen. um 1940. Es gehörte bereits damals
zu den führenden Spezialglasherstellern weltweit. Foto:Schott
Am 25. und 26. Juni jährt sich beim internationalen Spezialglashersteller SCHOTT der sogenannte „Zug der 41 Glasmacher“ von Jena in den Westen Deutschlands zum 75. Mal. Diese im Sommer 1945 nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs von der amerikanischen Militärführung in Europa angeordnete Aktion endete 1952 in Mainz mit der Eröffnung eines neuen Hauptwerkes und brachte analog zur Teilung Deutschlands auch für SCHOTT die Spaltung in Ost und West. Erst mit der Wiedervereinigung Deutschlands überwand das Unternehmen die Jahrzehnte lange Teilung.
„Der Zug der 41 Glasmacher und die nachfolgende Spaltung war der tiefste Einschnitt in unserer über 130-jährigen Firmengeschichte“, erklärte Dr. Frank Heinricht, Vorsitzender des Vorstandes der SCHOTT AG, mit Blick auf den Jahrestag.
In zwei solchen amerikanischen Militärkonvois wurden die „41 Glasmacher“ und ihre
Familien am 25. und 26. Juni 1945 von Jena in den Westen gebracht.
Foto:Schott
Mit dem Einmarsch amerikanischer Truppen in Jena am 13. April 1945 endete am Gründungsstandort von SCHOTT der Zweite Weltkrieg und die Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus, wenige Wochen vor dem offiziellen Kriegsende. Weil aber die Alliierten zuvor vereinbart hatten, dass Thüringen nach Kriegsende zur sowjetischen Besatzungszone gehören sollte, mussten sich die US-Truppen wieder aus der Region zurückziehen. Allerdings wollten die Amerikaner das Know-how von SCHOTT als einer der führenden Spezialglashersteller weltweit für sich und den Westen sichern. Nach dem Motto „We take the brain“ entschieden sie deshalb kurzerhand, die Geschäftsleitung und ausgewählte Spezialisten mit in den Westen zu nehmen. Die Betroffenen hatten keine Wahl, sich dem Befehl des amerikanischen Hauptquartiers zu widersetzen.
Das westalliierte Oberkommando SHAEF in Paris ordnete im Juni 1945 die Verbringung
von Führungskräften und Spezialisten der Stiftungsunternehmen SCHOTT
und Carl Zeiss in den Westen Deutschlands an. Foto:Schott
Am 25. und 26. Juni 1945 setzten sich zwei Trecks mit amerikanischen Militärlastwagen mit unbekanntem Ziel in Bewegung. An Bord waren 41 SCHOTT Mitarbeiter und ihre Familien, insgesamt 145 Männer, Frauen und Kinder. Dazu gehörte auch Geschäftsleiter Erich Schott, der Sohn des Firmengründers Otto Schott. Die amerikanischen Soldaten brachten die „41 Glasmacher“ zunächst in ein Lager nach Heidenheim an der Brenz in Württemberg, von wo aus sie später auf Ortschaften in der Umgebung verteilt wurden.
„Wir können heute nur erahnen, was das für die betroffenen Mitarbeiter und ihre Familien damals bedeutete. Sie hatten zwar den Krieg und den Nationalsozialismus überstanden, mussten nun aber ihr Zuhause, ihre Heimat, Angehörige und Freunde verlassen, und hatten eine völlig ungewisse Zukunft vor sich. Das muss eine extrem schwierige Zeit gewesen sein“, so Heinricht.
Im Juni 1946 begannen aus Heidenheim verlegte Glasmacher aus Jena
im Werk Zwiesel wieder optische Gläser zu produzieren.Foto:Schott
In Heidenheim begann für die „41 Glasmacher“ eine Zeit der Ungewissheit und der Provisorien, zunächst durchaus mit der Hoffnung, wieder nach Jena zurückkehren zu können. Ab Sommer 1946 nahmen sie in den bestehenden SCHOTT Werken Zwiesel im Bayerischen Wald, Mitterteich in der Oberpfalz und Landshut bei München schrittweise die Glasproduktion wieder auf.
In Jena hatten nach dem Rückzug der Amerikaner sowjetische Truppen das Kommando übernommen. Sie ließen wichtige Teile des SCHOTT Werkes demontieren und in die Sowjetunion abtransportieren. Auch sie zwangen SCHOTT Mitarbeiter, Jena zu verlassen. Sie verbrachten 14 Spezialisten in die Sowjetunion, wo sie am Wiederaufbau der demontierten Fabrikationsanlagen aus Jena mitwirken mussten.
Mit einem Guss optischen Glases wurde am 10. Mai 1952 das neue Hauptwerk
in Mainz eröffnet. Damit endete der „Zug der 41 Glasmacher“. Foto:Schott
Als das Stammhaus in Jena schließlich 1948 enteignet und in einen volkseigenen Betrieb umgewandelt wurde, und ein Jahr später die beiden deutschen Staaten gegründet wurden, war nicht nur Deutschland geteilt, sondern auch das Unternehmen SCHOTT. Mit dieser Entwicklung stand für die „41 Glasmacher“ im Westen fest, dass eine Rückkehr nach Jena ausgeschlossen war. Daraufhin entschied die Geschäftsleitung unter Führung von Erich Schott, im Westen Deutschlands ein neues Hauptwerk aufzubauen. Mit der Eröffnung des neuen Werkes in Mainz im Mai 1952 war der „Zug der 41 Glasmacher“ nach sieben Jahren an seiner Endstation angekommen.
Der Fall der Berliner Mauer und des „Eisernen Vorhangs“ 1989 und die staatliche Wiedervereinigung Deutschlands 1990 boten auch für SCHOTT die Chance zur Überwindung der Spaltung. Das Unternehmen nutzte diese: SCHOTT Mainz übernahm die Geschäftsanteile des Stammhauses in Jena und machte das alte Werk zu einem zukunftsfähigen Standort des SCHOTT Konzerns.
Das neue Mainzer Werk im Jahr 1952 aus der Vogelperspektive. Foto:Schott
SCHOTT ist ein international führender Technologiekonzern auf den Gebieten Spezialglas, Glaskeramik und verwandten Hightech-Materialien. Mit der Erfahrung von über 130 Jahren ist das Unternehmen ein innovativer Partner für viele Branchen, zum Beispiel Hausgeräteindustrie, Pharma, Elektronik, Optik, Life Sciences, Automobil- und Luftfahrtindustrie. SCHOTT ist weltweit präsent mit Produktions- und Vertriebsstandorten in 34 Ländern. Im Geschäftsjahr 2018/2019 erzielte der Konzern mit über 16.200 Mitarbeitern einen Umsatz von 2,2 Milliarden Euro. Die SCHOTT AG hat ihren Hauptsitz in Mainz und ist zu 100 Prozent im Besitz der Carl-Zeiss-Stiftung. Diese ist eine der ältesten privaten und größten wissenschaftsfördernden Stiftungen in Deutschland. Als Stiftungsunternehmen nimmt SCHOTT eine besondere Verantwortung für Mitarbeiter, Gesellschaft und Umwelt wahr