Und dann fing das Leben an
Kavacik, Istanbul. 2021. Fotoalben von Atiye Yavas.
Ausgagspunk der Ausstellung «Und dann fing das Leben an» ist die Familiengeschichte von Ayse Yavas. Ihr Vater vermittelte 70 Männern aus der Türkei Stellen in Schweizer Industriebetrieben. Die Kuratorinnen haben Verwandte und Freund:innen aus drei Generationen in der Schweiz und der Türkei getroffen und einen Schatz von Erzählungen und privaten Fotografien geborgen.
Brugg, AG. Mitte 1960er-Jahre. Vor der Graugiesserei Georg Fischer AG. Stehend v.l.n.r. Ömer Sen; 3. Osman; 5. Hüseyin Yilmaz; 7. Rayif Özgür; 9. Ruhi Akarslan. Sitzend v.l.n.r. 1. Hasan Karaboga; 4. Ibrahim Kiran.
In den 1960er Jahren suchten grosse Firmen im Aargau günstige Arbeiter*innen. Viele Menschen, auch aus der Türkei, folgten dem Ruf und verliessen ihre vertraute Lebenswelt. Die Fotografin Ayse Yavas hat gemeinsam mit der Ethnologin Gaby Fierz die Migrationsgeschichte(n), die ein Stück weit auch ihre eigene ist, recherchiert. Die Ausstellung gibt einen Einblick in die generationenübergreifende Migrationserfahrungen.
1970er-Jahre. Rast auf der Fahrt in die Türkei.
Ayse Yavas’ Vater, Hüseyin Yavas, wollte auswandern, der Armut, der Enge und den Verpflichtungen in der Grossfamilie entkommen. Er war neugierig und wollte etwas sehen von der Welt. Eher zufällig wurde es dann die Schweiz. Gemeinsam mit zehn Freunden kam er 1963 im Bahnhof Brugg an. In den folgenden Jahren vermittelte er 70 Männern aus dem Dorf Dogancili am Schwarzen Meer und Anadolu Hisari, einem am Bosporus gelegenen Quartier in Istanbul, eine Arbeitsstelle in den Aargauer Industriebetrieben.
Brugg, AG. 1969. Meryem und Hüseyin Yavas mit Frau Gärtner und dem Hund Jimmy.
50 Jahre später beginnt sich die Fotografin Ayse Yavas, seine Tochter, für die Geschichte(n) ihrer Eltern und deren Freund*innen und Bekannte zu interessieren: Sie will wissen, wer sie waren, was sie erlebten, sich wünschten, wie sie sich fühlten und wie sie heute über ihre Migration denken. Und so entstand die über mehrere Jahre angelegte Recherche, bei der Ayse Yavas und die Ethnologin Gaby Fierz Verwandte und Bekannte aus drei Generationen in der Türkei und in der Schweiz interviewten. Zusammengekommen sind viele Bilder und Erinnerungen – zwischen Windisch, Brugg, Baden, Zürich, Anadolu Hisari und Dogancili. Die individuellen, intimen Erfahrungen beleuchten die kollektive Geschichte von Arbeitsmigrant*innen und sind Teil der Schweizer Geschichte.
Participant Observer: Lena Sinclair
Eine Art Freiheitsstatue mit Gewehr und irrsinnig gemustertem Blumenhemd:
MC5-Gitarrist Wayne Kramer vor der US-Flagge, 1969 in East Lansing, Michigan
Leni Sinclair, 1940 in Königsberg geboren, verlässt die DDR kurz vor dem Mauerbau und lässt sich in den frühen 60er Jahren in Detroit USA nieder. Sie heiratet den Poeten, Anarchisten und Musikproduzenten John Sinclair und wird Aktivistin und Fotografin.
Iggy Pop, Grande Ballroom, Detroit, 1968
Dennis „Machine Gun“ Tompson und Wayne Kramer beim Fotoshooting für die erste LP
„Kick out the Jams“ von MC5, 1968 (c) Leni Sinclair
Sie hält einige der grössten Musiker:innen ihrer Generation sowie den rebellischen Kampf für die Bürgerrechte in Detroit in prägenden Bildern fest. Ihre Fotografien zeigen, wie die Musik und der Kampf um Freiheits- und Bürgerrechte in den USA der 60er und 70er Jahre untrennbar miteinander verknüpft sind.
Rock – Chole and Chaos
Heinz Meier am Out In The Green Festival
Heinz Meier (18.10.1951 – 21.12.2021) war ein Pionier der Schweizer Rock-Szene. Er und sein Partner Harry Sprenger, auch bekannt unter dem Namen «Die Blues Brothers der Schweiz», organisierten mit ihrer Konzert-Agentur FREE & VIRGIN und unzähligen Partnern gut 3500 Konzerte.
Generationen von Musikfans konnten fast all abendlich durch die gesamten 1970er bis und mit 1990er Jahre Gitarren-Musik aller Genres live erleben: Anfangs der 1970er mit Blues, Jazz, Kraut- und Progressiv-Rock, ab der zweiten Hälfte der 1970er mit Classic- und Hardrock, Punk und New Wave. Ab den 1980er mit Heavy Metal, Industrial, Shoegaze und Reggae und in den 1990er mit Alternative, Crossover, Grunge bis zu seichtem Pop. Sprich, diese Kontinuität über all die Jahrzehnte ist einmalig hierzulande und kann ihnen nicht hoch genug angerechnet werden.
Nach 26 Jahren hatte Heinz Meier genug vom hektischen Musikbusiness und verkaufte seine Anteile an die Agentur. Vor einigen Jahren fing er, an einem Buch über seine Zeit bei Free & Virgin zu arbeiten. Unermüdlich kontaktierte und interviewte er «Freund und Feind». Im April 2021 erlitt er einen schweren Herzinfarkt, der diesem Unterfangen jäh eine Ende setzen sollte.
Die Gedenkausstellung und Publikation free & virgin – heinz meier «rock, chole & chaos», kuratiert und herausgegeben von Lurker Grand, präsentiert Fragmente von einigen Texten aus der Feder von Heinz Meier und etliche Gastbeiträge. Angereichert mit Photographien, Plakaten und weiteren Artefakten vervollständigen sie das Bild. Wer weiss, vielleicht entsteht darüber hinaus doch noch das Buch, das sich Heinz Meier so sehr gewünscht hat.
Photobastei, Sihlquai 125, Zürich