Brasilien: Maysa spielt im Garten mit dem Schleier ihrer Mutter.
„Auf den ersten Blick scheinen die beiden Serien der Fotografin Luisa Dörr, die wir hier in Baden präsentieren, kaum etwas gemeinsam zu haben“, doziert Lois Lammerhuber, der Direktor des Festival La Gacilly-Baden Photo, das kommenden Freitag um 16:00 Uhr seine Pforten öffnet.
Auf der einen Seite die Flying Cholitas, bolivianische Frauen, die die ausgesprochen männlichen Codes des Ringkampfes verwenden, um die Emanzipation der Frauen voranzutreiben. Auf der anderen Seite die Falleras aus dem spanischen Valencia, Frauen, die das ganze Jahr über ihre Festkleidung vorbereiten, um sie dann während der Festlichkeiten der Fallas in den Straßen ihrer Stadt vorzuführen. Gleichwohl: „Diese Geschichten erzählen davon, wie in zwei völlig verschiedenen Ländern Frauen versuchen, ihre Traditionen zu bewahren, und dafür kämpfen, dass bestimmte kulturelle und soziale Aspekte der Gesellschaften, in denen sie leben, erhalten bleiben“, so Luisa Dörr. „Diese Frauen bestimmen ihr Leben selbst. Meiner Ansicht nach muss Sexismus von der betroffenen Person angezeigt werden, und nicht von Außenstehenden. Sonst verstricken wir uns immer mehr im Wahn der politischen Korrektheit.“
Falleras aus dem spanischen Valencia
Angela, bevor sie in den Ring geht, um in einem der Cholets des Architekten Freddy Mamani in El Alto zu kämpfen.
Dies ist einer der Kämpfe, die für Gringos, Touristen, gemacht sind.
Die Falleras entdeckte Dörr im spanischen Cambrils. „Ich habe ein wenig geforscht und war sofort begeistert von diesen Frauen, von ihrer Geschichte und ihrer Tradition, aber auch davon, wie heute die verschiedensten Gruppen diese Tradition übernehmen. Ich habe Falleras aus China fotografiert, aus Vietnam und sogar aus Äthiopien.“ Schon bald beschloss sie, diese Frauen zu porträtieren.
Die Serie über die Flying Cholitas entstand auf andere Weise: „Als ich einen kurzen Dokumentarfilm über diese Frauen gesehen habe, hat mich ihre Geschichte sofort fasziniert“, berichtet Luisa Dörr. „Weil sie Teil der indigenen Bevölkerung sind, gehörten sie zu den am meisten marginalisierten Gruppen der bolivianischen Gesellschaft. Mit der Zeit konnten sie sich immer mehr Rechte erkämpfen. Auch der Name, Cholitas, ist nicht mehr negativ besetzt, sondern steht für Feminismus. Ringen ist für sie eine kleine Einkommensquelle, sondern vor allem Ausdruck ihrer Unabhängigkeit von den Männern, und ihrer Selbstständigkeit jenseits ihrer Rollen als Ehefrauen und Mütter.“ Für diese Serie hat Luisa Dörr Techniken der dokumentarischen Fotografie mit dem Genre des in die Landschaft eingebetteten Porträts vermischt.
Falleras aus dem spanischen Valencia
Aus der Serie „Flying Cholitas“
Maria Fernandez ist kein Mitglied einer traditionellen Fallera-Familie. Sie schloss sich einer Gemeinschaft an, um sich selbst zu engagieren und sicherzustellen, dass ihre Kinder teilnehmen konnten. Da die Kleider teuer sind, kaufte sie von einem ehemaligen Fallera-Bürgermeister ein aus der Mode gekommenes Gewand und passte es an.
Ihre facettenreiche fotografische Handschrift und die minutiöse dokumentarische Arbeit, die der Anfertigung der Fotografien jeweils vorausgeht, haben der jungen Brasilianerin 2019 einen World Press Photo Award eingebracht. Luisa Dörr gehört einer neuen Generation von Fotografinnen an, die vor allem Frauen ins Licht der Aufmerksamkeit rücken. Diese Künstlerinnen porträtieren ihre Zeitgenossinnen, erkunden dabei sowohl die Elendsviertel der Favelas wie auch den Lebensraum des Großbürgertums und respektieren die Frauen stets in ihrer spezifischen Würde. Immer wieder erstaunt Luisa Dörr dabei durch ihren meisterhaften Umgang mit Farbe und Komposition.
Wunderbar präsentiert die herrlichen Bilder von Luisa Dörr an der Orangerie in Baden bei Wien