Verantwortungsvolle unternehmerische Risikobereitschaft zählte zu den Erfolgsfaktoren der Industriellenfamilie Leitz in Wetzlar. Das bekannteste Beispiel dafür ist die Entscheidung von Ernst Leitz II aus dem Jahr 1924, die von Oskar Barnack entwickelte Leica, ausgestattet mit einem von Max Berek gerechneten Hochleistungsobjektiv, in das Fertigungsprogramm aufzunehmen und damit ein neues fotografisches System auf den Markt zu bringen. Denn die Risiken für den Mikroskophersteller waren groß. Leitz fehlte die Vertriebsstrecke für Amateurkameras. Der für die Kleinbildfotografie mit der Leica vorgesehene Kinofilm mit seiner geringen Filmempfindlichkeit und seiner Grobkörnigkeit war nur begrenzt einsetzbar. Die Hyperinflation hatte die Geldvermögen in Deutschland vernichtet. Damit fehlte die Kaufkraft für die Anschaffung einer teuren Kamera wie der Leica. Der Fotohandel war nicht geneigt, das florierende Geschäft der Herstellung von Kontaktkopien von großen Negativen durch eine neue, aufwändige Vergrößerungstechnik mit Negativen in der Größe einer Briefmarke zu ersetzen. Ernst Leitz ging dennoch das Risiko ein, weil er an die Zukunft der Kleinbildfotografie glaubte, vor allem aber, weil er die Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter in seinem Unternehmen absichern wollte. Die Entscheidung war richtig. Die Leica revolutionierte die Fotografie.
Kazuo Tashima, Präsident von Minolta, und Knut Kühn-Leitz, Geschäftsführer von Leitz,
im April 1971 nach Unterzeichnungdes Vertrages zur Kooperation
zwischen beiden Unternehmen.
Etwa 50 Jahre später, in den Krisenjahren der deutschen Wirtschaft und insbesondere der deutschen fototechnischen Industrie, begann Leitz eine Partnerschaft mit Minolta, einem bedeutenden Mitbewerber auf dem Fotomarkt. Heiner Henninges vom Fotoportal sprach mit Dr. Knut Kühn-Leitz, Anfang der 1970er Jahre einer der Geschäftsführer der Leitz-Werke und Wegbereiter der Kooperation mit Minolta, über die Gründe und Erfolge der Zusammenarbeit der beiden Kamerahersteller von Weltruf.
Herr Dr. Kühn-Leitz, Ihr Großvater hat vor über 90 Jahren mit seiner risikovollen Entscheidung, ein neues fotografisches System einzuführen, den Grundstein für den Weltruhm der Leica, der angesehensten Kameramarke überhaupt, gelegt. Das Traditionsunternehmen Leitz und heute die Leica Camera AG mussten immer wieder große unternehmerische Risiken eingehen, um überleben zu können und seine Mitarbeiter vor drohender Arbeitslosigkeit zu bewahren. Sie als damaliger, junger Geschäftsführer von Leitz haben ebenfalls eine solche Risikobereitschaft gezeigt, als Sie es vor 45 Jahren übernahmen, eine auf Dauer angelegte, technische Zusammenarbeit mit einem der größten japanischen Wettbewerber anzubahnen und aufzubauen. Wie ist es dazu gekommen?
1971 wurde zu einem Schicksalsjahr für die deutsche fototechnische Industrie. Angesichts exorbitanter Lohnerhöhungen in Deutschland und der um die Hälfte niedrigeren Produktionskosten der japanischen Konkurrenz konnte die Leica in Wetzlar nicht mehr zu kostendeckenden Preisen hergestellt werden.
Die Geschäftsführung von Leitz fällte daher in diesem Jahr zwei weitreichende Entscheidungen:
– Eine Zusammenarbeit in Entwicklung und Fertigung auf Augenhöhe mit einem bedeutenden japanischen Unternehmen der fototechnischen Industrie sollte angebahnt werden.
– Insbesondere zur Montage von Kameragehäusen sollte gleichzeitig ein Standort in einem Niedriglohnland gesucht und dort ein eigenes Zweigwerk aufgebaut werden.
In einer Sitzung der Geschäftsführung im Januar 1971 erklärte ich mich dazu bereit, die Möglichkeiten einer Kooperation mit Minolta auszuloten, während mein Onkel Ernst Leitz III es übernahm, eine eigene Fertigungsstätte in einem Niedriglohnland aufzubauen.
Welche Folgen hatte die Wirtschaftskrise Anfang der 1970er Jahre für die Firmen der deutschen fototechnischen Industrie?
Die Folgen für die deutsche Fotoindustrie waren gravierend.
Die Rolleiwerke verlagerten ab 1970 schrittweise ihre gesamte Fertigung nach Singapur. Deren Geschäftsführung hatte mit der Regierung des Stadtstaates vereinbart, bis 1980 10.000 Arbeitsplätze zu schaffen. Dafür erhielt Rollei das Recht, dort alleiniger Hersteller fotografischer Geräte zu werden. Rollei hatte aber weder in Singapur noch in Braunschweig das Potential, für eine derart große Fertigungskapazität genügend neue Produkte entwickeln zu können. Das gesamte Projekt scheiterte und Rollei musste 1980 Konkurs anmelden.
Zeiss Ikon stellte 1972 die Fertigung hochwertiger Kameras ein. Auch Voigtländer musste aufgeben. Der größte deutsche Hersteller von Kameraverschlüssen, die Firma Friedrich Deckel, schloss 1973 ebenfalls die Tore ihrer Fabrik für Verschlüsse und konzentrierte sich ganz auf die Herstellung von Werkzeugmaschinen.
Auch musste Leitz ab 1972 einige Jahre mit hohen Verlusten hinnehmen, bis das Unternehmen die Früchte einer umfangreichen strategischen Neuausrichtung auf dem Kamerasektor ernten konnte.
Hätte Leitz zu Beginn der Wirtschaftskrise nicht teilweise auch an Massenentlassungen denken können?
Eigentlich schon – aber das kam für Leitz nicht in Frage. Die Senioren in der Geschäftsführung, Ernst und Ludwig Leitz, fühlten sich ganz der Tradition ihres Vaters Ernst Leitz II verpflichtet, der 1924 in der Wirtschaftskrise in Deutschland trotz hoher Risiken mit der Einführung eines neuen fotografischen Systems begann – nicht zuletzt, um Entlassungen zu vermeiden.
Hätte die Geschäftsführung von Leitz nicht früher in Erwägung ziehen können, Teile der Kamerafertigung in ein Niedriglohnland zu verlagern?
Die Bedenken bei Leitz in Wetzlar, in einem anderen Land produzieren zu lassen, waren groß. Denn damit wäre nach Meinung vieler das Qualitätssiegel „Made in Germany“, das gerade für die Marke Leica besonders wichtig war, verwässert worden. Die anspruchsvollen Konstruktionen der Spiegelreflexkameras waren zudem nur für die Montage durch besonders qualifizierte Feinmechaniker entwickelt worden und nicht für angelernte Frauen in einem Niedriglohnland. Eine Verlagerung war daher nur mit einer neuen Kamerakonstruktion möglich.
Lassen Sie mich auf die Kooperation von Leitz und Minolta zurückkommen. Die damals öfter gestellte Frage war, ob es sich hier wirklich nur um eine technische Kooperation handelte oder ob seitens Minolta auch an eine Beteiligung am Stammkapital von Leitz gedacht wurde?
Es bestand zu keinem Zeitpunkt von Minolta die Absicht, die Kapitalverhältnisse zu verändern, um auf die Geschäftspolitik von Leitz Einfluss nehmen zu können.
Bitte geben Sie uns einige Informationen zu Minolta. Wann wurde das Unternehmen von wem gegründet und wie hatte sich das Werk bis Anfang der 1970er Jahre entwickelt?
Der Gründer von Minolta, Kazuo Tashima, war eine beeindruckende Unternehmerpersönlichkeit. Nach seinem Studium arbeitete er im väterlichen Handelsunternehmen und lernte dabei England, Frankreich und Deutschland kennen. Gegen den Widerstand seiner Eltern gründete er mit zwei deutschen Freunden 1928 das erste Kameraunternehmen Japans. Zunächst wurden nur einfache Sucherkameras gebaut, später folgten hochwertige Spiegelreflex- und Filmkameras. Von 1928 bis 1970 hatte Minolta Millionen von Kameras hergestellt und sich eine Spitzenposition auf dem Gebiet der Spiegelreflexkameras erobert.
Wie nahmen die Führungskräfte von Leitz damals die Entscheidung der Geschäftsführung auf, eine Zusammenarbeit mit einem bedeutenden japanischen Wettbewerber anzubahnen und, wenn möglich, langfristig auszubauen?
Es gab – wie nicht anders zu erwarten – viele Vorbehalte. Dabei wurden insbesondere die Sprachprobleme, die unterschiedliche Kultur und die große Entfernung angeführt. Sorgen bereitete auch das Problem einer schnellen Kommunikation zwischen den beiden Firmen. Es gab damals weder Fax noch E-Mails, sondern nur einen langsamen Fernschreiber mit Lochstreifen. Der Postweg nahm viele Tage in Anspruch. Es gab auch keine Erfahrungen, wie gemeinsame Entwicklungen patentrechtlich behandelt werden sollten.
Aber wie war es dann möglich, dass die Kommunikation über 25 Jahre gut funktionierte?
Ein großer Vorteil war, dass Minolta in ihrer deutschen Vertriebsorganisation und in Osaka eine Reihe von Mitarbeitern hatte, die ausgezeichnet deutsch sprechen und schreiben konnten. So wurden alle Kooperationsvereinbarungen zwischen Leitz und Minolta in deutscher Sprache abgefasst. In Wetzlar erledigte außerdem eine Mitarbeiterin von Minolta die tägliche Korrespondenz per Fernschreiber. Ein halbes Dutzend Führungskräfte aus Entwicklung und Fertigung von Leitz gingen für Monate nach Japan, um eine enge Zusammenarbeit aufzubauen. Wichtig ist hier auch zu erwähnen, dass Deutsche und Japaner eine Reihe von Gemeinsamkeiten haben, wie beispielsweise der ausgeprägte Sinn für Ordnung und Disziplin. Nicht zu Unrecht werden die Japaner als „Preußen Asiens“ bezeichnet. Die Mitarbeiter von Leitz stellten bei ihren Besuchen in Osaka immer wieder fest, wie gut die japanischen Kollegen über Deutschland informiert waren. Deutsche Lieder und deutsche Literatur waren bei den älteren Führungskräften hochgeschätzt.
Die Fertigung der von Leitz entwickelten Leica CL (Compact Leica) in Japan
war das erste Kooperationsprojekt mit Minolta. Die CL war die leichteste und
handlichste Leica, die je gebaut wurde. Das Objektivsystem bestand
aus einem kompakten 40-mm-Standard-
und einem handlichen 90-mm-Teleobjektiv.
Kommen wir nun zu dem ersten Kooperationsprojekt. Können Sie mir dazu einige Informationen geben?
Das erste Projekt war die Fertigung der kleinen und kompakten Messsucherkamera Leica CL (Abkürzung für Compact Leica) in Japan. Diese war in Wetzlar unter der Leitung des Leitz-Chefkonstrukteurs Willi Stein entwickelt worden. Die Kamera war die leichteste Leica, die je entstand, besaß das M-Bajonett und hatte eine CdS-Belichtungsmessung durch das Objektiv. Das Objektivsystem bestand aus einem kompakten Standardobjektiv Summicron-C 1:2/40 mm und dem handlichen Teleobjektiv Elmar-C 1:4/90 mm. Als die Entwicklung der kleinen Leica 1970 abgeschlossen war, sah Leitz auf Grund der exorbitant gestiegenen Löhne keine Möglichkeit mehr, diese kostengünstig in Deutschland fertigen zu können. Der Aufbau eines eigenen Zweigwerks in einem Niedriglohnland würde Jahre dauern. Daher sollte ich es übernehmen, die Fertigung des Kameragehäuses der Leica CL durch Minolta in die Wege zu leiten. Minolta war dazu bereit und es wurde vereinbart, dass Leitz die Leica CL mit Objektiven aus Wetzlar weltweit vertreiben sollte. Nur in Japan sollte der Vertrieb dieser Kamera mit in Japan hergestellten Objektiven dem künftigen Partner unter der Produktbezeichnung „Leitz Minolta CL“ vorbehalten bleiben.
Der eigentliche Schwerpunkt der Kooperation mit Minolta lag bei der gemeinsamen Entwicklung von Spiegelreflexkameras und in der Fertigung einzelner Baugruppen für Leitz in Japan. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?
Der 1963 bei Leitz in der Fotokonstruktion arbeitende Ingenieur Peter Loseries hatte die Aufgabe, für eine neue Generation von Spiegelreflexkameras einen Metall-Lamellenverschluss zu entwickeln, der als separates, getestetes und vorjustiertes Modul schnell und einfach an das Spiegelgehäuse einer Kamera montiert werden konnte. Zudem sollte das Verschlussmodul klein sein, um den Bau einer kompakten Spiegelreflexkamera zu ermöglichen. Diese Entwicklung sollte die Fertigung in einer Großserie zu niedrigen Stückkosten erlauben und die Montagekosten für das Kameragehäuse deutlich senken.
Dem 35 Jahre alten Leitz-Konstrukteur gelang mit seinem Kreisschieberverschluss eine Meisterleistung. Durch eine genial konzipierte Geometrie ziehen die führenden Metalllamellen in einer kombinierten Dreh- und Schiebebewegung über das ganze Bildfenster, während die abdeckenden Lamellen diesen in einer Drehbewegung folgen. Weiterhin gelang es Loseries, den Drehpunkt der den Schlitz für die Belichtung bildenden Lamellen mit einer ausgeklügelten Antriebsgeometrie virtuell weit nach außerhalb des Verschlusskörpers zu verlagern, womit diese wiederum nur über einen relativ kleinen Winkel schwenken mussten. Diese Anordnung war der Schlüssel zu einem besonders kleinen und leichten Kameraverschluss und wird daher auch als Hauptanspruch in dem Leitz-Patent Nr. 1904751 vom 14. September 1972 genannt.
Wie kam es, dass Minolta bereits 1971 bei den ersten Gesprächen mit Leitz großes Interesse an diesem neuen Verschluss zeigte?
Auch Minolta wollte sich von einem in das Spiegelgehäuse eingebauten Tuchverschluss trennen und einen kostengünstigen, leicht montierbaren Metall-Lamellenverschluss von einem Hersteller wie Copal oder Seiko beziehen. Der seit Jahren angebotene Copal Square kam dafür aber nicht mehr in Frage. Denn dieser hatte eine Bauhöhe von 62 mm und war damit für die Konstruktion einer kompakten Spiegelreflexkamera, die seinerzeit im Trend lag, nicht geeignet. Auch war dieser „Oldtimer“ sperrig und laut. Da kam Leitz mit seinem Vorschlag gerade rechtzeitig, mit seinem neuen Verschluss gemeinsam eine neue Generation von SLR-Kameras zu entwickeln.
Der von dem Konstrukteur Peter Loseries entwickelte und patentierte Kreisschieberverschluss war eine Meisterleistung. Der Prototyp wurde von Copal, Tokio in Lizenz für die Serienfertigung reif gemacht und exklusiv an Minolta und Leitz geliefert. Er trug die Bezeichnung Copal Leitz Shutter (CLS). Das Bild zeigt ihn mit der elektronischen Verschluss-Steuerung.
Der Prototyp des Verschlusses, den Minolta begutachtet hatte, sollte dazu von Copal, dem bekannten japanischen Hersteller von Kameraverschlüssen, für die Großserienfertigung optimiert werden. Er erhielt den Namen „Copal Leitz Shutter“ (CLS) und sollte exklusiv für Leitz und Minolta gefertigt werden.
Minolta hatte für seine XM, die 1972 auf den Markt kam, bereits eine elektronische Verschlusssteuerung entwickelt. So entstanden in relativ kurzer Zeit die Schwesterkameras Minolta XE-1 und Leica R3. Diese Art der Zusammenarbeit zwischen einem japanischen und einem deutschen Großunternehmen der Fototechnik war neu und sorgte in der internationalen Presse für großes Aufsehen.
Wurde die geschützte Geometrie des Kreisschieberverschlusses von Leitz später auch von anderen Wettbewerbern genutzt?
Der weltbekannte Uhrenhersteller Seiko nutzte später das von Peter Loseries bei Leitz entwickelte und patentierte Bauprinzip zur Realisierung eines weiter verbesserten Metall-Lamellenverschlusses, dem MFC (Metal Focal-plane Compact). Dieser war mit einer Höhe von nur 51 mm niedriger und mit nur 31 Gramm leichter als der CLS-Verschluss und löste bei den bedeutenden Herstellern von Spiegelreflexkameras eine große Nachfrage aus. So wurde der MFC-Verschluss außer von Minolta und Leitz auch von weiteren Fotofirmen, wie Asahi Pentax und Nikon, eingesetzt. Die Produktionsstückzahlen gingen über die Laufzeit verschiedener Kameramodelle unterschiedlicher Hersteller in die Millionen.
Die filmseitige Ansicht des CLS-Verschlusses mit den bogenförmigen Führungen
lässt erkennen, welche Geometrie dafür sorgt, dass sich bei geringem Platzbedarf
die Lamellen in der geforderten Weise bewegen. Dieses Prinzip wurde
später auch von Seiko zur Realisierung des noch kompakteren
MFC-Verschlusses (Metall Focal-plane Compact) angewandt. Der MFC-Verschluss
wurde außer an Minolta und Leitz auch an andere bedeutende japanische Hersteller
von Spiegelreflexkameras in großen Stückzahlen geliefert.
Für die Montage gemeinsam entwickelter Baugruppen, die in Japan kostengünstig in Großserie gefertigt werden sollten, brauchte Leitz zeitnah ein eigenes Werk in einem Niedriglohnland. Warum fiel die Wahl des künftigen Standorts gerade auf Portugal?
Eine Standortanalyse hatte ergeben, dass die Produktionskosten in Portugal damals mit denen in Japan durchaus vergleichbar waren. Alle bisherigen Lohnerhöhungen wurden zudem durch Abwertungen des portugiesischen Escudo mehr als kompensiert. Besonders wichtig war für Leitz auch die Tatsache, dass der vorgesehene Standort in der Nähe von Porto in nur drei Flugstunden erreicht werden konnte. Somit konnten beispielsweise technische Probleme schnell durch Entsendung von Experten aus Wetzlar gelöst werden. Der Flug nach Fernost hätte 12 Stunden gedauert.
Wichtig für die Standortwahl war auch die Möglichkeit, gute Mitarbeiter, vor allem Frauen, für anspruchsvolle Anlernberufe zu finden. Andere deutsche Firmen, wie Siemens oder Grundig, hatten hier bereits einige Jahre zuvor positive Erfahrungen gesammelt.
Im Neubau des Zweigwerks von Leitz in der Nähe von Porto waren 1976 bereits
500 Mitarbeiter beschäftigt. Hier wurde die Leica R3 mit der Zulieferung
von Baugruppen aus Osaka und Wetzlar montiert.
Wie entwickelte sich der Aufbau des Zweigwerks in der Nähe von Porto?
Bereits 1974 waren dort in gemieteten Räumen 100 Mitarbeiter beschäftigt. Ende 1975 war der erste Bauabschnitt des neuen Werks fertig. Die Belegschaft stieg auf 175 Personen, die in Vorfertigung, Rund- und Planoptik sowie in der Montage tätig waren. Ging es anfangs nur um die Herstellung von kompakten Ferngläsern sowie von Studenten- und Labormikroskopen, so begann 1976 die Montage der Leica R3 mit der Zulieferung von Baugruppen aus Osaka und Wetzlar.
Bis 1994 stieg die Zahl der in Vila Nova de Famalicao Beschäftigten auf über 500. Das Zweigwerk von Leitz war ein großer Gewinn für den Ort und die umliegenden Gemeinden, die unter Arbeitslosigkeit litten.
Können Sie mir aus der langen Reihe der in Zusammenarbeit mit Minolta entwickelten Spiegelreflexkameras zu einigen Leica R-Modellen Angaben machen?
Die Leica R3, die zur photokina 1976 auf den Markt kam, war mit ihrer elektronischen Verschlusssteuerung das erste Modell einer neuen Serie von Spiegelreflexkameras aus dem Hause Leitz. Ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal waren die von Leitz entwickelten umschaltbaren Belichtungsmessmethoden – selektiv und integral.
Die kompakte Leica R4, die 1980 folgte, war der erste Multiautomat von Leitz. Er bot Zeit-, Blenden- und Programmautomatik.
Die Leica R7, die 1992 im mittlerweile klassischen Design der Leica R erschien, war in Bezug auf die Elektronik eine völlig neue Kamera: Die Hauptfunktionen wurden durch einen Mikroprozessor gesteuert.
Die Leica R3 war das erste Ergebnis der gemeinsamen Entwicklung
einer neuen Generation von Spiegelreflexkameras von Leitz
und Minolta. Das wichtigste Alleinstellungsmerkmal für Leitz
waren die umschaltbaren Belichtungsmethoden selektiv und integral.
Die Kooperation zwischen Leitz und Minolta dauerte ein Vierteljahrhundert. Wie war das ohne Kapitalverbund möglich?
Der Erfolg von mehreren Generationen von Spiegelreflexkameras von Leitz und Minolta, die in vielen Varianten auf den Markt kamen, war groß, insbesondere, wenn man die verkaufte Stückzahl einer breiten Palette von Wechselobjektiven einbezieht. Hinzu kamen die kompakten Messsucherkameras Leica CL von Leitz und CLE von Minolta.
Nicht vergessen werden darf die erfolgreiche Zusammenarbeit bei der Entwicklung neuer Wechselobjektive. Hier setzten Leitz und Minolta Computer der jeweils neuesten Generation ein, tauschten Forschungsergebnisse zur Entwicklung neuer optischer Gläser aus und halfen sich gegenseitig mit neu erworbenem Know-how in der Fertigung. Im Ergebnis war die Kooperation auf beiden Seiten ein ständiges Geben und Nehmen.
Beide Partner verfolgten aber zunehmend unterschiedliche Verkaufsstrategien. Und so lief die langjährige, erfolgreiche Zusammenarbeit nach und nach aus. Nichtsdestoweniger waren die Geschäftspartner aber in der langen Zeit der Kooperation zu Freunden geworden, so dass die guten zwischenmenschlichen Kontakte auf auer erhalten blieben.