From Custom House, 1878
Der reich illustrierte Band belegt das breite Spektrum fotografischer Techniken, von Daguerreotypien aus dem 19. Jahrhundert über Ferrotypien und Alben hin bis zu ikonischen Werken von Alfred Stieglitz, Lewis Hine, Brassaï, Man Ray, André Kertész, Diane Arbus, Lisette Model oder Vivian Maier sowie eher zeitgenössischen Fotografen, wie Walker Evans, Édouard Boubat, Robert Doisneau, Bruce Davidson, Duane Michals, Jim Goldberg, Mary Ellen Mark oder Fazal Sheikh.
Portrait of two youn women, ca. 1850
In ihrer Einführung stellen Paul Roth, der Direktor des Ryerson Image Centre (RIC) in Toronto (Kanada), Gaëlle Morel, Kuratorin beim RIC, und Charlene Heath, Doktorin an der Ryerson/York University, in einem ausführlichen Interview Carole und Howard Tanenbaum und deren Sammelleidenschaft vor. Über Stücke aus der Sammlung, die aus den ersten 60 Jahren Fotografie stammen, berichtet Charlene Heath unter dem Titel „Silber, Kupfer, Zinn und Glas“. Viele davon sind original einmontiert in verschließbare Klappetuis oder in ihre historischen Bilderrahmen. Was die Tanenbaums zum Sammeln von mittlerweile etwa 1000 Bildern gebracht hat, beantwortet der Essay von Anthony Bannon, ehemals Direktor des George-Eastman-Museum in Rochester. Beide waren von ihren jeweiligen Eltern beeinflusst und damit gewissermaßen vorbelastet: Caroles Vater Max Granick war einer der angesehensten Bilderrahmer in New York, Howards Eltern sammelten im Auftrag der National Gallery of Canada landestypische Objekte, so auch frühe Fotos, beispielsweise rund um die Niagarafälle. Thema des Beitrags von Brian Wallis, Kurator der Walther Collection, New York/Ulm, ist die in der Sammlung stark vertretene amerikanische Porträtfotografie mit Beispielen aus allen historischen Perioden von der Daguerreotypie über professionelle Studioaufnahmen des frühen 20. Jahrhunderts bis zu politisch angehauchten, dokumentarischen Porträts der 1970er und 1980er Jahre.
Portrait of a chil on a rocking horse, ca. 185
Denise Birkhofer, Kuratorin am Ryerson Image Centre in Toronto, berichtet, dass dort das Sammeln von Fotografie in 1968 begann und dass die Tanenbaums diese nach und nach durch Schenkungen regelmäßig unterstützt und damit letztlich in hohem Maße zur heutigen Bedeutung der Sammlung des RIC beigetragen haben. Der im Hirmer Verlag, München, erschienene Katalog enthält hervorragende Beispiele aus der vielfältigen und außergewöhnlichen Sammlung von Howard und Carole Tanenbaum. Mit der großen Anzahl von Abbildungen anonymer Daguerreotypien bis zu ikonischen Aufnahmen des 20. Jahrhunderts verbunden mit den wissenschaftlichen, dennoch sehr zugänglichen Beitragen präsentiert der Band somit die Geschichte der Fotografie auf umfassende Weise. Zugleich veranschaulicht er den spezifischen Ansatz des Sammlerpaares, deren sehr persönlicher Blick sich mit einer hohen Aufmerksamkeit für soziale Fragen verbindet.
H.-G. v. Zydowitz
Ausstellung im Ryerson Image Centre, Toronto (Kanada), bis 7. April 2019
TRUE TO THE EYES
The Howard and Carole Tanenbaum Photography Collection
Hrsg. Gaëlle Morel
Mit Beiträgen von Paul Roth, Gaëlle Morel, Charlene Heath, Denise Birkhofer, Anthony Bannon und Brian Wallis
Texte: Englisch
232 Seiten, mit etwa 200 Abbildungen
Format: 24,5 x 28,5 cm, gebunden, Hardcover
München, Hirmer Verlag
ISBN: 978-3-7774-3203-8
Preis 45 Euro