CAMPING ist der sinnlich-intellektuell-pragmatische Versuch Verena Andrea Prenners, den Lebens-Unzustand Flüchtlingslager künstlerisch zu begreifen und uns alle zu Komplizen ihrer gesellschaftspolitischen Untersuchungen zu machen.
Nach Abschluss des Studiums der Soziologie zog Verena Andrea Prenner in den Nahen Osten. Während ihres Aufenthaltes erhielt sie eine Förderzusage für ein Projekt in der palästinensischen Westbank. Aus soziologischem Interesse nahm sie die Möglichkeit, in einem Flüchtlingslager zu wohnen, an. Neben ihrem eigentlichen Projekt, die Auswirkungen des Baus der israelischen Sicherheitsmauer auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der palästinensischen Taxifahrer zu untersuchen, bekam Verena Andrea Prenner die Möglichkeit, als Fotografin für muslimische Hochzeiten zu arbeiten. Gleichzeitig begann sie, das Leben im Camp zu studieren: Wie wirken sich die prekären Lebensumstände auf die Individuen aus? Wie ist die Gesellschaft organisiert, welche Strukturen finden sich? Und wie wirkt sich ein Leben vor Ort auf sie persönlich aus?
Der Tagesablauf wird durch die muslimische Kultur und Religion, ein Leben zwischen Haram und Halal, dem Verbotenen und dem Erlaubten geprägt. Der individuelle Spielraum dazwischen ist minimal, vor allem für Frauen. Der Einzug in das Camp als alleinstehende Frau stieß auf große Verwunderung bei den Bewohnerinnen und Bewohnern. Schnell galt sie als israelische oder palästinensische Spionin oder aber als minderwertige Frau. Unzählige Augen waren auf sie gerichtet, sobald sie das Haus verließ.
Kurze Zeit nach ihrem Einzug begann im Juni 2014 der Krieg im Gazastreifen. Das öffentliche Leben erstarrte. Was blieb waren Protestaktionen und Militäroperationen im Camp. Leid, Elend und Tod waren allgegenwärtig. In dieser Zeit entstand eine eigenwillige Beziehung zu der Campgesellschaft. Einerseits waren ihr viele kulturelle und gesellschaftliche Paradigmen unverständlich, andererseits fühlte sie sich ihr auf einer Gefühlsebene nahe. Nach Monaten vor Ort und zwei weiteren Aufenthalten in den folgenden Jahren baute sich nach und nach gegenseitiges Vertrauen auf.
Irgendwann war sie keine Fremde mehr, und so entschied sich Verena Andrea Prenner, nicht nur außerhalb des Camps, sondern auch im Flüchtlingslager eine fotografische Arbeit zu realisieren. Doch dann kam die große Frage: Was zeigt man?“
„Wer oder was umgibt mich? Wo bin ich? Mit welchen Herausforderungen bin ich konfrontiert? Was stelle ich als Fremdkörper in dem geschlossenen Sozialgefüge dar? Vom Pendeln zwischen Kulturen und unterschiedlichen Gesellschaften: Was entsteht? Was war prägend? Spontane Momente, Projektidee, ad-hoc Aussagen. Nach langen Überlegungen, Gesprächen und Beobachtungen vor Ort unternahm ich den Versuch, meine subjektiv wahrgenommene Stimmung in fotografischen Arbeiten wiederzugeben.
„Am Ende meines mehrmonatigen Aufenthaltes waren Schauplätze gefunden, die Verkleidungen gebastelt; es ging nur noch darum, Laien zu motivieren, sich damit fotografieren zu lassen. Es erwies sich schnell als größte Herausforderung, Männer mit Kostümen im öffentlichen Raum zu inszenieren. Sofort wurde das als Bloßstellung der Männer durch eine Frau angesehen“. Verena Andrea Prenner
Verena Andrea Prenne ist Soziologin und Fotografin. Für ihre künstlerische Arbeit unternimmt sie lange soziologische Feldforschungen und setzt sich mit Randgruppen auseinander, da Ränder bekanntermaßen die Mitte definieren. Daraus entwickelt sie Ideen, individuelle Reflexionen und Ansichten über Gesellschaften, die sie mit Hilfe von Laien und Passanten vor Ort in Form von inszenierter Fotografie darstellt.
https://festival-lagacilly-baden.photo/de/fotografen-2022/verena-anderea-prenner
CAMPING
Verena Andrea Prenner
22,5 Å~ 27,5 cm
144 Seiten
60 Fotos
Deutsch, Englisch
Hardcover
ISBN 978-3-903101-81-4
Preis 49,90 Euro
Juni 2022