Die Lizenz
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verschafft den Plattformbetreibern Rechtssicherheit in einem der wichtigsten, aber auch fragmentiertesten Werkbereiche,
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verschafft den Urheber*innen und Rechteinhabern eine kollektiv verwaltete Vergütung in einem bislang weitgehend brachliegen- den Markt,
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verhindert effektiv die Notwendigkeit von Upload-Filtern, da sie als erweiterte Kollektivlizenz ausgestaltet sein wird und damit auch Außenstehende umfassen wird, die nicht widersprechen,
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kann ausgeweitet werden auf das Weltrepertoire der bildenden Kunst sowie auf andere Bereiche des stehenden Bildes (Illustrati- on, Design, Karikatur etc.).
Die Lizenz adressiert Fotografien und ggf. weitere Bildwerke, die von Privat- personen auf OCSSP-Plattformen hochgeladen werden, ohne dass eine Rechteklärung stattgefunden hat. Die eigenen Fotografien von Privatnutzern werden nicht umfasst.
Das Hauptanliegen dieser Stellungnahme besteht darin, auf die im Refe- rentenentwurf enthaltene Diskriminierung des Bildbereiches hinzuweisen und auf deren Beseitigung zu drängen.
Der Entwurf des UrhDaG hat erkennbar nur die Bereiche Film und Musik im Blick.
Weil das Bildrepertoire einige Besonderheiten aufweist, die im Referenten- entwurf außer Acht gelassen werden, wird die Lizenzierung von OCSSP- Plattformen unnötig erschwert. Das ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, als gerade in den sozialen Medien (deren Betreiber die Hauptadressaten des UrhDaG sind) die Nutzung von (fremden) Bildern rasant zunimmt und das Bild zunehmend zum Hauptinformationsträger wird, das Text nicht nur illustriert, sondern eigenständig ergänzt und teilweise ersetzt1. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2016 zeigt dies eindrucksvoll:
Alle Beteiligten wissen, dass Nutzer nicht nur fremde Bildwerke in die Netzwerke hochladen, sondern auch viele eigene Fotos/Bilder.
Diese eigenen Bilder sollen nicht Gegenstand einer Lizenzierung an Diensteanbieter sein, denn die Rechte an den eigenen Werken ihrer Nutzer werden wohl im Verhältnis zwischen Nutzer und Diensteanbieter durch de- ren allgemeinen Nutzungs-/Geschäftsbedingungen geregelt sein. Den ge- nauen Umfang der Nutzung geschützter Bild-Werke Dritter werden wir in Zusammenarbeit mit den wichtigsten europäischen Bild-Verwertungsgesellschaften und in Abstimmung mit den Foto-/Bildagenturen Anfang 2021 in einer europaweit einheitlichen Nutzerstudie ermitteln.
Die geplanten Lizenzen im Bildbereich werden keine Filter erfordern und für den Bildbereich ein Pre-Flagging durch die Nutzer weitgehend überflüssig machen. Gemeinsam mit den europäischen Bild-Verwertungsgesellschaften und den Bildagenturen wollen wir (kollektive) Lizenzen (mit erweiterter Wirkung) anbieten, die nicht auf eine Einzelbild-Vergütung abzielen, sondern eine Pauschalvergütung für das lizenzierte Repertoire (alle Nutzungen von Bildwerken, die einer Genehmigung bedürfen, also nicht eigene Werke der Nutzer) vorsehen. Mit einer solchen Pauschallizenz müssen die Dienstean- bieter keine Filter einsetzen, um das lizenzierte Material zu identifizieren. Im Gegenteil: sie können ihren Nutzern maximale Sicherheit im Hinblick auf die Nutzung fremder Bildwerke anbieten. Auch ein Pre-Flagging wäre damit allenfalls noch für die Frage der Verletzung von Persönlichkeitsrechten er- forderlich.
Allerdings ist eine Korrektur der im Referentenentwurf enthaltenen Behinde- rungen der Lizenzverhandlungen für den Bildbereich dringend erforderlich, weil sonst:
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erst in jahrelangen Rechtsstreitigkeiten die Gerichte klären müssten, ob die Diensteanbieter Lizenzen für den Bildbereich erwerben müs- sen,
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der Wille des Unions-Gesetzgebers, sämtliche Urheber*innen in das veränderte Haftungsregime für OCSSPs einzubeziehen, verfehlt wür- de und
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die Diensteanbieter für den in sozialen Medien so wichtigen Bildbe- reich Upload-Filter einsetzen müssten/werden.
Probleme bereiten für die Lizenzierung des Bildrepertoires insbesondere die folgenden Punkte:
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1) § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhDaG: „mit Online Diensteanbietern um diesel- ben Zielgruppen konkurrieren“
Dieses Abgrenzungskriterium stammt nicht aus dem Text der Richtlinie selbst, sondern aus Erwägungsgrund 62, der aber ausschließlich Audio- und Video-Streamingdienste wie Spotify und Netflix im Blick hat. In Art. 2 Ziffer 6 Unterabsatz 1 DSM-Richtlinie sind die Kriterien abschließend aufgeführt, welche Diensteanbieter unter Art. 17 der Richtlinie fallen. Die Einführung weiterer Kriterien, selbst wenn sie in den Erwägungsgründen beispielhaft erwähnt werden, engt den Anwendungsbereich der Regelung richtlinienwidrig ein. Darüber hinaus gibt es im Text- und Bildbereich keinen vergleichbaren Markt, in dem die Diensteanbieter weitestgehend identische Geschäftsmodelle verfolgen. Insofern ist vollkommen unklar, nach welchen Kriterien entsprechende Konkurrenzsituationen ermittelt werden sollen. Absehbar wären langwierige Diskussionen zwischen den Beteiligten, ob dieses Kriterium nun im Einzelfall vorliegt oder nicht. § 2 Abs. 1 Nr. 3 und 4 UrhDaG sind daher zu streichen.
2) § 4 Abs. 2 Nr. 1 UrhDaG: „Typischerweise hochgeladene Inhalte“
Auch dieses Abgrenzungskriterium findet sich nicht in der Richtlinie. Art. 2 Ziff. 6 verlangt lediglich, dass es sich um eine „große Menge“ von ur- heberrechtlich geschützten Werken handelt, zu denen die Diensteanbie- ter der Öffentlichkeit Zugang verschaffen, wobei die Bewertung, ob es sich um große Mengen handelt, nach Erwägungsgrund 63 im Einzelfall getroffen werden soll. Dieses Merkmal ist mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhDaG umgesetzt. Eine „große Menge geschützter Werke kann auf sehr großen Plattformen aber auch mit untypischem Material erreicht werden. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, wenn es sogar in der Begrün- dung zu § 4 Abs. 2 Nr. 1 ausdrücklich heißt, Diensteanbieter, „die haupt- sächlich audiovisuelle Inhalte öffentlich wiedergeben“, nicht verpflichtet seien, auch Fotografien oder andere Abbildungen zu lizenzieren. Auch bei Diensten, deren Inhalt „typischerweise“ aus audiovisuellen Werken besteht, sind in diesen audiovisuellen Inhalten zwar nicht „typischer- weise“, aber doch regelmäßig vorbestehende Bildwerke eingebettet oder eingeblendet, besteht der visuelle Anteil am audiovisuellen Material teilweise sogar ausschließlich aus stehendem Bild.
Die gesamte Bildbranche, also die visuellen Verwertungsgesellschaften und die im BVPA zusammengeschlossen Bildagenturen möchten auch für diese Nutzungen mit einer Lizenz den Nutzern dieser Plattformen zu ma- ximaler Rechtssicherheit verhelfen – was aber nur gelingen kann, wenn die entsprechenden Plattformen auch der Verpflichtung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UrhDaG unterliegen. § 4 Abs. 2 Nr. 1 ist daher zu streichen.
3) § 5 UrhDaG: „maschinell nicht überprüfbare gesetzlich erlaubte Nut-zungen“ und § 7 Abs. 2 UrhDaG: „Angemessene Vergütung für gesetz- lich erlaubte Nutzungen“
Wir begrüßen, dass im Referentenentwurf nun auch ein Vergütungsan- spruch für Pastiche vorgesehen ist. Wir sind jedoch nach wie vor mit ei- ner Reihe wesentlicher Autoren aus der Wissenschaft der Ansicht, dass alle gesetzlich erlaubten Nutzungen vergütet werden sollen, damit die damit verbundenen Erlöse aus der Kommerzialisierung der von den Nutzern hochgeladenen Inhalte Grundlage der Vergütung der Urheber*innen und Interpret*innen sind.
4) § 6 UrhDaG: „maschinell überprüfbare gesetzlich erlaubte Nutzungen“
Die in § 6 vorgesehene De-minimis-Regelung halten wir für europa- rechtswidrig. Sobald ein Bild-Inhalt erkennbar ist, handelt es sich um ei- ne urheberrechtsrelevante Nutzung. Auf die Untauglichkeit der Datei- Größe zur Bestimmung, ob eine Nutzung schädlich ist oder nicht, haben wir und andere Stellungnahmen zum Diskussionsentwurf bereits aus- führlich hingewiesen. Auch der Generalanwalt beim EuGH Maciej Szpunar hat in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C-392/19 (VG Bild-Kunst gegen Stiftung Preußischer Kulturbesitz) festgehalten, dass die Größe einer Abbildung keine Rolle spiele für die Frage, ob eine öffent- liche Wiedergabe vorliegt, solange die Originalelemente des Werkes er
kennbar sind (Rn. 120)3. Er weist an dieser Stelle auch darauf hin, dass die Größe eines Bildes immer relativ ist, da sie von der Bildauflösung und der Größe des Bildschirmes abhängt, auf dem eine Seite gezeigt wird.
Eine ähnliche De-minimis-Schranke war auch bei der Umsetzung des Art. 15 der DSM-Richtlinie in § 87g Abs. 3 Nr. 2 UrhG vorgesehen – die aber nach der Konsultation der beteiligten Kreise gestrichen wurde. Die Frage, wann eine relevante Bild-Nutzung im Internet vorliegt, kann für Social Media nicht anders beantwortet werden als für Internet-Suchmaschinen.
Darüber hinaus läuft § 6 Abs. 1 UrhDaG auch dem Ziel zuwider, dass die Dienstanbieter Lizenzen erwerben sollen. Denn die im Referentenentwurf vorgesehenen 250 KB liegen weit über den für die gängigen Plattformen empfohlenen Bildgrößen – es würden also nur ganz wenige Nutzungen tatsächlich die 250 KB De-minimis-Grenze überschreiten. Diese Grenze wäre daher eine deutliche Einladung an alle Diensteanbieter, keine Li- zenzen für Bildmaterial zu erwerben, da die Nutzungen ohnehin nicht un- tersagt werden können.
Daher ist § 6 UrhDaG zu streichen, zumindest Abs. 1 Nr. 4.
Zusammenfassung
Mit einfachen Lizenzen für den gesamten Bildbereich, wie sie die VG Bild- Kunst gemeinsam mit ihren europäischen Schwestergesellschaften und dem BVPA als Organisation der Bildagenturen anstrebt, können die Interes- sen der Nutzer der Diensteanbieter mit den Interessen der Bildautor*innen in Einklang gebracht werden:
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– Fremdes Bildmaterial kann ohne Sorge vor rechtlicher Verantwortung genutzt werden.
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– Geschützte Werke bleiben auch im Kontext sozialer Medien sichtbar.
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– Die Autor*innen erhalten eine angemessene Vergütung für die durch
die Diensteanbieter vorgenommene Kommerzialisierung ihrer Werke.
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– Der Einsatz von Upload-Filtern wird auf ein Mindestmaß reduziert.
Das Pre-flagging-Verfahren nach § 8 UrhDaG wird deutlich entlastet und die Verantwortung der Nutzer auf ein Minimum zurückgeführt.
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