Um dem eindringlichen Appell an die Zunft ein wenig die Drohung eines Untergangszenarios zu nehmen, berichten wir hier zuerst über den Vortrag, den André Hunziker, Gründer und CEO PNA International am Ende der zweitägigen Kassandra-Rufe im Kongress-Zentrum Ost der KoelnMesse hielt: Er forderte die Teilnehmer eindringlich dazu auf, den digitalen Wandel endlich zu akzeptieren und die damit verbundenen Herausforderungen anzunehmen. Das Gleiche haben nicht nur die übrigen 13 Referenten auf dem BFI 2019 sondern auch alle vor ihnen auf den inzwischen 10 vorangegangenen Kongressen immer wieder geradezu gebetsmühlenartig gefordert, um die Branche vor dem drohenden Untergang zu bewahren: Der Zug sei zwar schon abgefahren aber er hat noch nicht so viel Fahrt aufgenommen, das nicht noch jeder gefahrlos aufspringen könne. Wer zurückbleibt sei selber schuld.
André Hunziker, CEO PNA International verspricht mehr Umsatz durch Digitalisierung.
Diese Essenz verdeutlichte André Hunziker indem er die drei Dauerausreden vieler Zukunftsverweigerer auseinanderpflückte: Keine Idee, Keine Zeit und kein Budget. Das stimme so ganz und gar nicht. Der Fachberater für Digitalisierungsfragen legte dar, dass zu viele Unternehmen aus Industrie und Handel das Digitalisierungsproblem aus eigener Kraft lösen wollten und dabei allzu oft Gefahr liefen, vermeidbare Fehler zu machen. Sie überheben sich dabei, weil sie auf keinerlei Erfahrung zurückgreifen könnten. Seine Alternative ist gleichzeitig auch die Basis seiner eigenen Beraterfirma PNA International, die den Zeitaufwand für die Ideenfindung durch Intensivberatungen minimiert und das Budget dafür in vielen Fällen sogar selbst aus staatlichen Fördergeldern generiert.
Also Ausreden dafür, am digitalen Wandel aufgrund fehlenden Know-hows, mangelnder Zeit oder des nötigen Kleingelds zu scheitern, ließ André Hunziker nicht gelten. Nach seiner Aussage hat sein Unternehmen tausendfach bewiesen, wie sich durch Digitalisierung und Automatisierung im Handel 4.0 in praktisch jeder Branche mehr Umsatz generieren lässt. Das glauben Sie nicht? Dann nehmen Sie doch hier selbst mit ihm Kontakt auf.
Schelte zum Auftakt
Aber von nun an der Reihe nach: Die Grußworte an die exklusive, internationale Teilnehmerschar aus Industrie und Handel von BFI Gründer und Programmgestalter Thomas Blömer war nicht nur eine Aufforderung, sich den Herausforderungen des Wandels zu einer „smarten Gesellschaft“ zu stellen, sondern auch eine unüberhörbare Schelte der Kamerahersteller, die mit ihren Entwicklungen noch immer nicht auf den disruptiven Wandel in den Bedürfnissen der Kunden reagiert und aus dem Smartphone-Erfolgen keine Lehren gezogen hätten. Sie machten ihre Produkte besser und besser und besser und vergäßen dabei, darauf zu achten, was sich ihre Kunden wirklich wünschten.
Thomas Bloemer, Moderator, Ideengeber und Programmgestalter des BFI.
Das will man beim Fotodienstleister Cewe ganz anders machen. Dr. Ralf Wieting, Leiter Applikationsentwicklung bei Cewe, erläuterte, wie „smart“ das Geschäft selbst mit analogen Fotoprodukten sein kann. Mit der zunehmenden Anzahl der Aufnahmen fiele es den Menschen immer schwerer, die wichtigsten, besten oder relevanten Fotos aus den unterschiedlichsten Quellen herauszufiltern und zu hochwertigen Bildprodukten zusammenzuführen. Er führte auf beeindruckende Art und Weise vor, wie neue Technologien von Cewe genutzt würden, darunter zunehmend auch Künstliche Intelligenz, um Motive zu identifizieren, sie Orten oder Personen zuzuordnen und automatisch in entsprechende Seiten- bzw. Buchlayouts einzupassen. Auch neuartige Nutzer-Maschine-Schnittstellen wie beispielsweise Sprachsteuerung, zur Erstellung visueller Tagebücher aus Fotos und Texten gaben einen faszinierenden Einblick in den Wandel visueller Kommunikationsmöglichkeiten.
Dr. Ralf Wieting Leiter der Applikationsentwicklung bei Cewe.
Neue Technologien erweitern nicht nur die Möglichkeiten der klassischen Fotografie, sondern führen auch zu ganz neuen Anwendungen. Bildern kommt dabei eine immer größere Rolle als universales Kommunikationsmittel zu. Davon musste Dr. Ralf Wieting die rund 200, vom Veranstalter gezählten, Branchenexperten, Industrievertreter, Fachhändler und Dienstleister nicht überzeugen. Was auf dem Forum in Köln dagegen intensiv thematisiert wurde, sind die notwendigen Konsequenzen dieser Entwicklungen für das Imaging-Geschäft von heute und morgen.
Neben etablierten Unternehmen aus der Branche wie Canon, Cewe und Fujifilm präsentierten sich auch digitale und mobile Vorreiter wie Google und LG Electronics auf der Bühne des Kongresszentrums. Es war weniger überraschend als vielmehr bezeichnend, dass mit David Montanya, European Product Manager, Mobile Communications, LG Electronics, kein Vertreter der klassischen Kameraindustrie über die Innovationen in der Bildgebung sprach, sondern ein Produktmanager für Smartphones. David Montanya erläuterte, wie mit den neuen Smartphone-Kameras von LG Electronics und der ThinQ-Plattform die Smartphone-Fotografie durch neuartige Optik, gesteigerter Rechenleistung und Künstlicher Intelligenz (KI) auf ein neues Niveau gehoben wird.
David Montaya, LG Electronics.
Manfred Rau, Leiter Marketing bei Fujifilm Imaging Products und Solutions/Fujifilm Imaging Systems legte den Fokus seiner Präsentation auf den Menschen in der Fotografie, der trotz bahnbrechender Entwicklungen in der künstlichen Intelligenz, die sich die Industrie zunutze mache, vor allem seinen Emotionen folge, die anzusprechen und zum Kaufentscheid zu mobilisieren, verlange mehr als Digitalisierung.
Am Beispiel des Erfolgs des instax Sofortbildes erläuterte Manfred Rau
die Bedeutung emotionaler Komponenten in der Produktentwicklung
und im Marketing.
Ohne auf den gern zitierten Nostalgie-Express aufzuspringen, machte er klar, dass der Erfolg des instax Sofortbildes und des darum gestalteten Lebensgefühls durch Zubehör und erweiternde Produkte keinesfalls einen Retrotrend dokumentiere sondern eine Folge der Sehnsucht vieler Menschen nach haptischen Erfahrungen und Erinnerungen darstelle. Der Wunsch nach Bildern könne zwar mit smarten Techniken einfacher erfüllt werden, doch Produkte zu entwickeln, die diesen Wunsch stärken und wirtschaftlich relevant werden lassen, erfordere ebenso viel emotionale wie intelligente Kompetenz. Das Fazit von Manfred Rau: „Every picture is a hero“ und damit wert, gedruckt zu werden. Erst das gedruckte Bild mache seinen Inhalt zu einer bleibenden Erinnerung.
Don Franz leitet zum Gespräch von Hans Hartmann und Thomas Bloemer
mit Anna Dickson, Visual Lead, Google über.
Zuvor hatte Hans Hartmann von Visual 1st in einer Podiumsdiskussion mit Ziv Gillat (Vice President, Strategic Partnerships & Mobile, Athenthech), Sofi Shvets (CEO & Co-Founder of Let‘s Enhance.io), Philipp Mühlbauer (Co-Founder & Managing Director, Picanova) und Qian Lin (Distinguished Technologist, HP) darüber diskutiert, wie Imaging-Unternehmen Kunden dazu motivieren können, ihre visuellen Inhalte nicht zu vergessen, sondern zu nutzen. Denn allzu oft landet die Flut von Bildern und Videos im sprichwörtlichen digitalen Schuhkarton – dabei sind die Möglichkeiten der Verarbeitung und Verwendung heute ebenfalls nahezu grenzenlos.
Neue Wege für mehr Umsatz mit Fotoprodukten diskutierte
Hans Hartmann mit seinen Gästen Ziv Gilat, Philipp Mühlbauer,
Quian Lin und Svis Shvets.
Genau hier setzte auch Christina Teng, Senior Product Manager, Future Solutions, Kodak Moments an. Sie sieht das wichtigste Ziel von Kodak Moments darin, es Konsumenten einfach zu machen, ihre Erinnerungen neu zu erleben. Mit Applikationen von Kodak Moments könnten sie einfach und schnell von ihren Mobilgeräten aus, hochwertige Bildprodukte bestellen, gestalten und im Geschäft gleich mitnehmen. Dazu setzt das Unternehmen seine eigene Moments Finder Technologie ein und nutzt Künstliche Intelligenz, damit Kunden möglichst ohne Aufwand ihre wichtigsten Bilder finden können. Treu nach der Devise von Kodak Gründer George Eastman: „You push the Button. We do the rest“.
Christina Teng, Kodak Moments.
Thorsten Tourbier, Leiter Marketing, allcop, stellte die strategischen Hintergründe des ersten Bildproduktes vor, mit dem Kunden direkt aus WhatsApp heraus Bilder bestellen können. Gemeinsam mit der Drogeriemarktkette dm hatte allcop Ende 2018 das Produkt gelauncht und konnte jetzt erste Erfahrungswerte mit Instrumenten wie dem smarten ChatBot Zoé und den Reaktionen der Kunden teilen.
Fotoprodukte per WhatsApp: Thorsten Tourbier von Allcop zeigt, wie es geht.
Markus Kick, Strategic Insights, Consumer Electronics & Photo Market, GfK, machte in seinem Vortrag mit dem Titel: „Von Nachfrageflauten, Wachstumssegmenten und ungesehenen Möglichkeiten“ auf die Bereiche der Imaging-Branche aufmerksam, die dem Fachhandel aktuell eine hohe Wertschöpfung versprechen.
Markus Kick, GfK, zeigte Wachstumschancen im schrumpfenden Fotomarkt.
Am zweiten Tag stand vor allem der Wandel im stationären Fachhandel im Fokus. Ein Highlight der gesamten Veranstaltung war der Vortrag von Professor Dr. Aunkofer, Direktor iSCM-Institut, Hochschule für angewandtes Management, Ismaning, zum Thema „Der vernetzte Konsument“. Das Institut für Information & Supply Chain wurde in Kooperation mit dem Stiftungslehrstuhl des GfK Vereins gegründet, um Forschungsvorhaben zu handelsnahen Feldern zu stärken. Thema von Prof. Dr. Aunkofer waren die Informationswege der Konsumenten, über die sie sich über Dienstleistungen und Produkte informieren. Dabei ging er den umgekehrten Weg seiner Vorredner. Seine Forschungsergebnisse zeigten weniger auf, wie Produkte oder Dienstleistungen den Konsumenten näher gebracht werden können, als vielmehr wo, wie und was Konsumenten suchen. Nicht zuletzt ging es darum, welche Kriterien am Ende der sogenannten „Customer Journey“ die Kaufentscheidung beeinflussen.
Was Konsumenten wirklich wollen und wie sie es finden, erläuterte
Prof. Dr.Aunkofer vom iSCM Institut.
Eine Antwort auf den wachsenden Bedarf an umfassenden Informationen im Netz ist die speziell dafür entwickelte IT-Plattform „loadbee“, die multimediale Informationen der Hersteller nicht nur in Echtzeit in die Online-Shops der Händler, sondern auch an den stationären PoS bringt. Marc Mombauer (PR Manager, loadbee) demonstrierte auf dem BFI 2019, wie „loadbee“ eine konsistente Produktkommunikation für Kunden und Verkaufspersonal ermöglicht und welche Effekte damit in der Praxis beim Verkauf erzielt werden können.
Relevante, tiefgreifende Informationen für das Web und den POS vermittelt
die Plattform Loadbee, über die PR-Manager Marc Mombauer referierte.
Das Startup LiSA Retail Innovation aus Düsseldorf wiederum entwickelt Lösungen, die es Einzelhändlern und Marken möglich machen, ihre Kunden online per Live Video zu beraten und zu begeistern.
Traditionelle Fixpunkte waren für die Besucher, Sponsoren und Referenten auch beim 2019 zum zehnten Mal über die Bühne gehenden BFI in Köln die Netzwerkzone im Foyer des Kongresszentrums sowie die traditionelle, in den Rheinterrassen stattfindende Abendveranstaltung als Gelegenheit zum Netzwerken und kommunikativen Austausch.
Das Start-up LISA entwickelt Lösungen für den Live-Videoverkauf
im Fachandel, die Christian Underwood erläuterte.
Unser Fazit: Trotz der berechtigten, und seit zehn Jahren immer lauter werdenden Kassandra-Rufe der Referenten, endlich auf die Herausforderungen des digitalen Wandels zu reagieren, stellt das Forum immer wieder aufs Neue die hohe Dynamik des Marktes unter Beweis und vermittelt für Handel und Industrie wichtige Anhaltspunkte für Entwicklungen und Trends.