Die in dem großformatigen Band „Gold“ teilweise erstmals veröffentlichten Bilder sind somit ein bedeutendes Geschichtszeugnis, am Leben erhalten durch die herausragenden Aufnahmen des weltbekannten und vielfach ausgezeichneten Fotografen Sebastião Salgado.
Im September 1986 hatte Salgado, der 1973 seine berufliche Karriere als Fotograf begonnen hatte, endlich die Genehmigung erhalten, Serra Pelada zu besuchen – sechs Jahre lang hatten ihm die brasilianischen Militärbehörden den Zugang verweigert. Auf das außergewöhnliche Schauspiel, das ihn auf dieser abgelegenen Bergkuppe am Rande des Amazonas-Regenwalds erwartete, war er allerdings nicht gefasst. Vor seinen Augen tat sich ein gewaltiges Loch auf, mit einem Durchmesser von rund 200 Metern und ebenso tief, in dem Zehntausende notdürftig bekleidete Männer wie Ameisen schufteten. Die Hälfte von ihnen schleppte bis zu 40 Kilo schwere Säcke über hölzerne Leitern nach oben, die anderen sprangen an schlammigen Böschungen hinunter in den höhlenartigen Schlund, Körper und Gesichter ockerfarben von der eisenerzhaltigen Erde, die sie ausgeschachtet hatten.
?Als Salgado diese Aufnahmen machte, dominierten Farbfotos die Hochglanzseiten der Magazine – Schwarzweiß war ein gewagtes Unterfangen. Doch seine Fotostrecke zur Goldmine der Serra Pelada führte zur Rückbesinnung auf die monochrome Fotografie. Denn damit knüpfte er an eine Tradition an, die in den frühen und mittleren Jahren des 20. Jahrhunderts von Meistern, wie Edward Weston, Brassaï, Robert Capa oder Henri Cartier-Bresson, begründet worden war. Als Salgados etwa 10 bis 15 Bilder beim ‚New York Times Magazine‘ vorlagen, geschah etwas Außergewöhnliches: Es herrschte vollkommene Stille. „In meiner ganzen Karriere bei der Times“, erinnerte sich Fotoredakteur Peter Howe, „habe ich niemals erlebt, dass Redakteure so auf eine Serie von Bildern reagierten wie auf die Aufnahmen von Serra Pelada.“
Vor drei Jahren, als Sebastião Salgado aufgrund einer Knieverletzung sechs Monate nicht arbeiten konnte, nahm er sich die Kontaktabzüge wieder vor. „Da wurde mir klar, dass ich eine echte Geschichte hatte. Diese Bilder haben fast 30 Jahre lang geschlafen, und ich habe sie aufgeweckt“, berichtet der Fotograf.
Heute begeistert sein Portfolio, das in dem im Taschen Verlag, Köln, erschienenen Bildband zusammengefasst ist, erneut mit einer geradezu biblischen Qualität sowie einer Unmittelbarkeit, die seinen Bildern etwas ausgesprochen Zeitgenössisches verleiht. Die Mine Serra Pelada ist längst geschlossen, doch das bittere Drama des Goldrauschs springt den Betrachter aus jedem dieser Bilder immer noch an.
H.-G. v. Zydowitz
Sebastião Salgado wird – als erster Fotograf überhaupt – im Oktober mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt.
Sebastião Salgado
Gold
Art-Direktorin: Lélia Wanick Salgado
Texte in Englisch, Deutsch, Französisch
208 Seiten
Format: 34×26 cm, gebunden, Hardcover mit Schutzumschlag
Köln, Taschen Verlag
ISBN: 978-3-8365-7508-9;
Preis 50 Euro