Wie lebt es sich an peripheren Orten dieser Welt? Eine Frage, die den Fotografen Beat Schweizer seit langem umtreibt. Dazu ist er immer wieder in den äußersten Norden Russlands gereist, um polarnahe Orte zu erkunden und Antworten dafür zu finden, was die Menschen trotz der offenkundig schwierigen Lebensumstände dort hält. Eis und Schnee, Dunkelheit, Einsamkeit, Langeweile, extremes Klima und geografische Isolation sind die Alltagsbedingungen, denen sich die Menschen stellen müssen. Beat Schweizer gelingt es eindrucksvoll, sich den Bewohnern des Nordens zu nähern und dem Betrachter einen intensiven Einblick in das menschliche Zusammensein von Gemeinschaften zu gewähren, die mit zahlreichen Hinderlichkeiten kämpfen. Dazu nimmt der Fotograf drei ganz unterschiedliche Orte in den Blick. Norilsk ist auf Permafrost-Boden gebaut und die nördlichste Großstadt der Welt. Ein Ort, der extreme Umweltschäden verzeichnen muss, weil dort Nickelerze abgebaut werden. Der Industriestandort bietet für seine Bewohner Wohlstand und birgt zugleich große Gesundheitsrisiken.
Dikson ist die nördlichste Siedlung Sibiriens mit ein paar hundert Bewohnern an der Mündung des Jenissei. Einst befand sich hier der Angelpunkt für die Nordostpassage und Dikson war Ausgangsort vieler Polarexpeditionen. Die verbliebenen Menschen, die heute in der Geisterstadt leben, verdingen sich als Mechaniker oder Grenzschützer, um ihren Lebensunterhalt zu sichern oder sie übermitteln Wetterdaten nach Moskau. Dass der Ort noch nicht ganz aufgegeben ist, ist den geopolitischen Interessen des Staates im Norden zu verdanken. Teriberka ist schließlich die dritte Ansiedlung, die Beat Schweizer im Rahmen seines Langzeitprojekts aufgesucht hat. Die kleine Stadt leidet seit dem Niedergang der Küstenfischerei unter starkem Bevölkerungsrückgang. Die Erschließung des Stockmann-Felds in der Barentssee, einem immensen Gasvorkommen, könnte Tausende neuer Arbeitsplätze bringen, wird aber Jahr für Jahr verschoben. Mit warmherzig-poetischem Blick zeigt und Schweizer das Leben von Menschen, für die die widrigen Umstände normaler Alltag sind. »Mikhailova Called« präsentiert uns einen Lebensraum in seiner Härte und Schönheit zugleich, mit Situationen, die mal komisch-absurd scheinen, mal weit über das Anekdotische hinausgehen und dem Betrachter sensible Einblicke in das menschliche Zusammenleben unter Extremen bieten.
Beat Schweizer (Jahrgang 1982) arbeitete beim Archäologischen Dienst, als er dort das erste Mal mit der Fotografie in Berührung kam. Seitdem hat ihn die Faszination für das Medium nicht mehr losgelassen. Nach einer Ausbildung zum Fotografen arbeitete er zunächst bei einer Schweizer Tageszeitung, und ist seit 2009 freiberuflich im redaktionellen und kommerziellen Bereich tätig. Daneben verfolgt er seine Langzeitprojekte, die ihn vor allem in osteuropäische Länder führen. Er hat mehrere Magazine und Zeitungen herausgegeben. Zuletzt erschien seine Monographie »Mikailovna Called«. Seine Arbeiten sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und in Ausstellungen in der Schweiz und im Ausland gezeigt worden. Die FREELENS Galerie präsentiert mit »Mikhailovna Called« Schweizers erste große Einzelausstellung in Deutschland.
Freelens Galerie, Alter Steinweg 15, Hamburg