Der amerikanische Fotograf hat eine Technik gefunden, die symbolträchtigsten Orte der Welt in einem neuen Licht erscheinen zu lassen: Er komprimiert natürliche Landschaften ebenso wie Stadtansichten zu außergewöhnlichen Panoramen. Mit seiner speziellen Aufnahmetechnik belichtet er einen ganzen Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang von einem fixen Punkt aus bis zu 2000 Einzelbilder und verarbeitet diese Fülle bildlicher Informationen später in seinem Atelier, indem er diese sorgfältig zu einem einzigen, detailreichen Bild komponiert -mit ebenso viel Liebe wie Geduld.
Der im Taschen Verlag, Köln, erschienene Bildband „Day to Night“ präsentiert60 seiner ultraepischen Panoramen, die zwischen 2009 und 2018 entstanden sind – vom Markusplatz bis zu den Champs-Élysées, von Shanghai bis Coney Island, vom Trafalgar Square bis zum Roten Platz: Orte und Wahrzeichen, die fester Bestandteil unseres kollektiven Gedächtnisses sind. So wartete Wilkes beispielsweise mehr als zwei Jahre auf die Genehmigung, Papst Franziskus bei der Feier der Ostermesse im Vatikan fotografieren zu dürfen. Daraus entstand ein lebendiges Tableau, auf dem der Pontifex insgesamt zehnmal zu sehen ist. Der Band zeigt zudem einige der außerordentlichen Details, die wesentlicher Bestandteil des endgültigen Bildes, ja eigene kleine Kunstwerke sind. Jedes einzelne Bild zeigt einen faszinierenden Trip von der Morgen- bis zur Abenddämmerung- das tägliche Pulsieren natürlicher und künstlicher Sehenswürdigkeiten erlebt man auf diese Weise völlig neu.
Der Schriftsteller und Kurator Lyle Rexer erläutert Wilkes’ Werdegang und Arbeitsweise in seinem, dem Bildteil unter dem Titel „Die ausgedehnte Zeit“ vorangestellten Textbeitrag. Danach fragte sich der Fotograf schon 1987 beim Arbeiten am Strand von Kalifornien, ob es möglich sei, eine Aufnahme zu machen, die alles erfasst: „Wie lässt sich die Kluft schließen zwischen dem, was Auge und Körper erleben und dem, was die Kamera aufzeichnet? Wie fühlt sich der Tag an? Wie wanderte die Sonne über den Himmel, wie veränderte sich das Licht?“ 2005 ermöglichte die Anschaffung einer Panoramakamera mit 4×5-Zoll-Digitalückteil es dem Fotografen, von ein und demselben Ort über die Zeit hinweg eine unbegrenzte Anzahl von Aufnahmen mit hoher Auflösung zu machen und diese später in Photoshop zusammenzufügen.
Davon und von seiner Kunst zeugen die ganzseitig querformatig, meistens aber doppelseitig im Format 85×33 cm sowie zusätzlich zwei dann insgesamt 170 cm breite Ausklappseiten vom Grand Canyon und dem Serengeti-Nationalpark wiedergegebenen Bilder. Stephen Wilkes hat mit seiner Aufnahme- und Bearbeitungstechnik einen verblüffenden Weg kreiert, durch magische ‚Ein-Tag-im-Leben-Porträts‘ die berühmtesten Orte der Welt in einem neuen Licht erscheinen zu lassen.
H.-G. v. Zydowitz
Stephen Wilkes
Day to Night
Mit Beiträgen von Stephen Wilkes, Lyle Rexer
Texte: Englisch, Deutsch, Französisch
260 Seiten
Format: 42 x 33 cm, Hardcover mit Schutzumschlag
Köln, Taschen Verlag
ISBN: 978-3-8365-6269-0;
Preis 100 Euro
