Allerdings waren die 1940er Jahre eine gute Zeit, um Fotograf zu werden: Es war die Zeit der illustrierten Zeitschriften, vor allem von LIFE und LOOK, aber auch von ‚Fortune‘, ‚Vogue‘ oder ‚Harper’s Bazaar‘ sowie weiteren themenübergreifenden Fotoillustrierten. Der renommierte Filmkritiker Luc Sante stellt zudem in seinem in dem Bildband „Stanley Kubrick: Through a Different
Lens – Photographs“ unter dem Titel „Stanley Kubrick: Sehen lernen“ enthaltenen Essay fest, dass dieser „in der Mitte folgender Reihe New Yorker Straßenfotografen steht: Ted Croner und Louis Stettner (Jahrgang 1922), Diane Arbus und Saul Leiter (1923), Robert Frank und Jerome Liebling (1924), Garry Winogrand, William Klein und Elliot Erwitt (1928), Bruce Davidson (1933) und Lee Friedlander (1934).“ Ähnlich Winogrand wuchs Kubrick in der Bronx auf und verzichtete auf eine Collegeausbildung, um Fotograf zu werden, einen Beruf, den er fünf Jahre ausüben sollte und dessen Ergebnis sich der im Taschen-Verlag erschienene Band in auf die einzelnen Jahre beziehende fünf Kapitel widmet. Vorgeschaltet ist ein einführender Text von Donald Albrecht und Sean Corcoran, beide Mitarbeiter am Museum of the City of New York.
“Philadelphia’s First Beaux Arts Ball”
Copyright: ©SK Film Archives/Museum of the City of New York
Fünf Jahre lang fotografierte Kublick in den Straßen, Klubs und Sportarenen des Big Apple und dokumentierte mit seiner Kamera alles, was das Interesse der Look-Klientel finden mochte: Menschen im Waschsalon, das Treiben an der Columbia University, Sportstars, Showgirls in ihren Garderoben, Artisten im Zirkus, Broadwayschauspielerinnen, die ihre Texte einstudieren, Taxifahrer beim Wechseln eines Reifens, Pärchen, die sich auf dem Bahnsteig küssen, Schuhputzjungen, Boxer, die in der Ringecke noch einmal ihre Berufswahl überdenken, Patienten im Wartezimmer ihres Zahnarztes, prominente Businessmen, Politiker, Kinder im Vergnügungspark und Pendler in der U-Bahn. Bereits diese Fotografien aus Kubricks jungen Jahren lassen ein verblüffendes Gespür für Komposition, Spannung und Atmosphäre erkennen – sie wirken wie Filmstills zu nie gedrehten Noir-Dramen aus dem Dschungel der Großstadt.
Copyright: ©SK Film Archives/Museum of the City of New York.
Dabei kam ihm zugute, dass LOOK im Vergleich zu der 1936 von Henry Luce gegründeten Zeitschrift LIFE nicht wöchentlich sondern nur alle zwei Wochen erschien – bei der Suche nach Human-Interest-Geschichten waren deren Macher daher viel freier. Das großformatige Buch zeigt in einzelnen Kapiteln die zwischen 1946 und 1950 entstandenen Fotoreportagen des späteren Filmregisseurs als genau datierte Reprints aus dem Magazin LOOK sowie jeweils zusätzlich dazu größtenteils bisher unveröffentlichte, etwa 300 Bilder der Arbeit von Stanley Kubrick als Fotograf und damit eine bisher wenig bekannte Seite des großen Regisseurs. (H.-G. v. Zydowitz)
Stanley Kubrick
Through a Different Lens – Photographs
Texte in Englisch, Deutsch, Französisch
328 Seiten mit etwa 300 Photographien
Format: 28×33 cm, Hardcover
Köln, Taschen-Verlag
ISBN: 978-3-8365-7232-3; € 50 Euro