Minstrel Show-Plakat, Detail, 1936
© Walker Evans Archive, The Metropolitan Museum of Art/ courtesy Schirmer/Mosel
Ungeheuer genau und gewissenhaft beobachtend nähert sich Alpers subtil formulierend Walker Evans (1903 – 1975) und seinem Werk – einem Höhepunkt der künstlerischen Fotografie des 20. Jahrhunderts und zugleich der amerikanischen Kunstgeschichte. Evans war sprachlich begabt und wollte ursprünglich selbst Schriftsteller werden. In sieben Kapiteln spürt Alpers dessen literarischen und visuellen Leitbildern Gustave Flaubert und Charles Baudelaire sowie Eugène Atget nach und schildert, wie der „Akt des Fotografierens“ zur Leidenschaft von Walker Evans wurde, nachdem er in jungen Jahren nach einem Jahr Aufenthalt in Frankreich nach New York zurückgekehrt war.
Die erste Auftragsarbeit und Evans‘ einzige außerhalb der USA – die 31 Bilder für das Buch ‚The Crime of Cuba‘ und die über 400 Aufnahmen, die er 1933 in nur einem Monat auf Kuba machte – legte sein Lebensmotto der „subventionierten Freiheit“ fest: bezahlt, aber mit größtmöglicher Unabhängigkeit zu reisen und zu fotografieren.
Straßenbettler mit ausgestrecktem Arm, Havanna, 1933
© Walker Evans Archive, The Metropolitan Museum of Art/ courtesy Schirmer/Mosel
In den USA sollte die Dokumentation des amerikanischen Alltags in den Jahren der Depression zu Walker Evans‘ Lebensthema werden: Die Bergbaugebiete des Nordens, Läden und Hütten der Schwarzen in den Südstaaten, drei weiße Pächterfamilien in Alabama, die Tradition der Minstrel-Shows, der Bürgerkrieg und seine Spätfolgen, Subway-Pendler in New York, die Große Depression.
Die Tingles beim Singen von Kirchenliedern, Hale County, Alabama, 1936
© Walker Evans Archive, The Metropolitan Museum of Art/ courtesy Schirmer/Mosel
Drei 35mm-Filmbilder: Frau mit Glockenhut und Pelzkragen, Fußgänger,
Fulton Street, New York City, 1929
© Walker Evans Archive, The Metropolitan Museum of Art/ courtesy Schirmer/Mosel
1938 gipfelte diese Schaffensphase in American Photographs, der ersten Einzelausstellung, die das Museum of Modern Art (MoMA) einem Fotografen widmete. Diese sollte zu Walker Evans‘ Visitenkarte werden und für eine letztlich abgesicherte Zukunft als Journalist, als Lehrender in Yale, vor allem aber als Fotograf, der sein Medium für das literarischste unter den bildenden Künsten hielt, werden. Das Buch endet mit insgesamt 117 Bildtafeln aus dem Schaffen von Walker Evans.
Der 2018 mit dem Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) ausgezeichnete Kunsthistoriker Wolfgang Kemp (geboren 1946) hat Svetlana Alpers‘ Text fachkundig übersetzt sowie ein Nachwort zu dem Buch beigesteuert.
H.-G. v. Zydowitz
Svetlana Alpers
Walker Evans – America. Leben und Kunst
Aus dem Amerikanischen übersetzt und mit einem Nachwort von Wolfgang Kemp
416 Seiten, mit 37 Bildern in den Texten sowie 117 Duotone-Tafeln
Format: 16×24 cm
München, Schirmer / Mosel Verlag
ISBN: 978-3-8296-0910-4;
Preis 48 Euro