Klaus Tiedge, Kurator Umweltfotofestivals horizonte zingst
dasfotoportal: Herr Tiedge, was sind eigentlich die Aufgaben eines Kurators bei der Erlebniswelt Fotografie Zingst?
Klaus Tiedge: Am besten trifft das vielleicht ein Vergleich mit dem „Best Boy“, der für alles zuständig ist, was Verbindungen schafft, denn Einzelaspekte allein ergeben kein Festival. Ich bezeichne es meist als Katalysator der internen Vernetzung. Dabei muss man höchst kommunikativ unterwegs sein. Du musst die Protagonisten der Fotografie, mit den Protagonisten der Medien mit den Protagonisten des Publikums zusammenzubringen und deren Bedürfnisse auch irgendwie in dir tragen, um diese Vermittlungsrolle spielen zu könnnen.
dasfotoportal.de: Das Wort für die Berufsbezeichnung Kurator kommt aus dem Lateinischen und beinhaltet ja auch die Bedeutung eines Heilers, einer Person, die sich sorgt und kümmert…
Klaus Tiedge: Ja schon, die Aufgabe birgt den Vorteil, dass man an vielen Stellschrauben justieren kann, aber sie hat auch den Nachteil, dass man sehr oft auch nein sagen muss, um einen Qualitätsstandard wahren und besser noch steigern zu können.
Bild: David Doubilet zeigt während des Festivals
in einer Multivisionshow den Zauber der Weltmeere
dasfotoportal.de: Der Kurator prägt also durch seine eindeutige, dadurch auch selten demokratische Handschrift, die Ausprägung eines solchen Events, wie das der horizonte zingst?
Klaus Tiedge: Der Kurator ist der, der sich selbst in die Pflicht nehmen muss. Das muss man auch machen mögen, denn ist keineswegs nur ein Einzelkampf, sondern ein konzertierte Aktion, die es zu betreiben gilt. Es beschränkt sich nicht darauf, ein paar bunte Bilder auszusuchen.
dasfotoportal: Dazu gibt es ja hier in Zingst für diese Aufgabe ein sehr engagiertes, großes Team, dass vielleicht nicht unbedingt immer, den gleichen Gedankengängen folgt?
Klaus Tiedge: Nein, es ist ein sehr komplexes Thema, das es zu steuern gilt. Und sich diese Komplexität ständig neu bewusst zu machen, das sehe ich als die wichtigste Aufgabe, um auch Dinge, die auf den ersten Blick vielleicht gar nicht zusammengehören, letztendlich doch zusammenzubringen. Das ist eine um so schwierigere Rolle, wenn man dies in der Funktion des Beraters macht. Da gibt es auch Schwellen einer gewissen Beratungsresistenz, die man in vielen Richtungen überwinden muss. Kuratieren ist nicht unbedingt ein Job für sensible Gemüter.
dasfotoportal: Ein hochkarätiges Festival für die Fotografie und den Umweltschutz in einem Kurort zu etablieren, hat ja seine besonderen Herausforderungen. Es geht schließlich darum, ein breites Publikum zu unterhalten, zu begeistern aber gleichzeitig auch aufzurütteln. Wie geht das denn, wie schafft man diesen Spagat?
Klaus Tiedge: Na ja, gut und gut passt immer gut zusammen. Das ist zunächst einmal ein Patentrezept, mit dem man umgehen kann. Man kann super amateurfotografische Leistungen haben und ganz herausragende künstlerische Leistungen haben und diese ohne Bruch zusammenbringen. Es sind ganz einfach die starken Bilder, die sprechenden Bilder, jene Bilder die sich selber erklären – es sind Maßstäbe da, die sich zugrunde legen lassen. Ich halte mich nicht lange mit verwaschenen Kunstbegriffen auf. Das ist mir nicht nur zu langweilig, sondern ich halte das auch für ein sehr glattes Parkett, auf dem man sehr leicht ausrutschen kann. Meine Orientierung ist die Kommunikation. Ich möchte Botschaften vermitteln.
dasfotoportal: Botschaften welcher Art?
Klaus Tiedge: Unser Festival heißt Umweltfotofestival, das beinhaltet das Thema Natur. Diese Gedankenketten rund um Fotografie, Natur und Umwelt haben wir hier aufgebaut Verknüpft mit dem Ziel der Begegnung. Das ergibt schon einen Wertekanon, an dem es sich ganz gut entlang balancieren lässt.
dasfotoportal: Jetzt gibt es die horizonte zingst bereits zehn Jahre. Sie sind von Jahr zu Jahr größer und besser geworden. Geht da nicht irgendwann der Stoff aus?
Klaus Tiedge: Erstens es ist ja nicht allein mein Verdienst. Es sind ja viele, die da mitwirken und die Fotografie ist ein ideales Medium zum Transport der Botschaften. Ich sage immer, die Fotografie ist ein Haus mit vielen Zimmern, die es sich anzueignen und gut zu möblieren gilt. Die Fotografie gibt das her und genau das ist auch das Fantastische daran. Sonst wäre uns längst die Puste ausgegangen.
dasfotoportal: Zum 10. Jubiläum haben Sie ein eminent wichtiges Problem thematisiert, das die gesamte Menschheit berührt, die Vergiftung der Weltmeere…
Klaus Tiedge: Wie ich schon sagte, ein Kurator sollte auch ein Kommunikator sein. Die Plastikvermüllung der Meere ist einfach eine brutale, alarmierende Tatsache. Man muss nur die Medienberichte verfolgen, dieses Problem dominiert die Schlagzeilen, so entsetzlich und gefährlich ist das, was da passiert.
dasfotoportal: Ist das ein Thema, mit dem man in einem Seebad während des Urlaubs konfrontiert werden möchte?
Klaus Tiedge: Genau darum geht es! Man muss es auch für dieses Publikum kommunizierbar gestalten. Ich glaube mit „SOS Save Our Seas“ einen Claim gefunden zu haben, einen Hilferuf an die Welt, der funktioniert.
Die Gehimnisse der Welt entdecken, das bieten die Ausstellungen bei horizonte zingst
Bild: Island copyright Iuri Bellugurschi
dasfotoportal: Können wir also zum 10. Jubiläum, so etwas wie ein Meisterstück des Kurators der Erlebniswelt Fotografie Zingst erwarten?
Klaus Tiedge: Davon muss man sich ein wenig frei machen. Wir haben mit SOS eine weitere Marke gesetzt, die wir auch längerfristig verfolgen wollen. Diese Marke hat sich als stark erwiesen, sodass einzelne Künstler und Gruppierungen dazu gestoßen sind und unter dieses Dach SOS eigene Aktionen gestalten. Wir haben mit der deutschen Elite der Fotografie dem BFF (Bund Freischaffender Fotografen und Filmgestalter), die wunderbare Aktion „Mensch ist Meer“ gestartet und zehn Studenten und Studentinnen von sieben Hochschulen gefunden, die unter den Fittichen der Gruppierung sich aufgrund eines intensiven Briefings abgearbeitet haben, dieses Thema zu visualisieren. Wir haben nun die Ergebnisse vorliegen, die fabelhaft sind. Es ist echt beglückend zu sehen, wie sich das jetzt zusammenfügt.
dasfotoportal: Wie schafft man es denn, dass eine solche fotografische Elitetruppe wie der BFF und Hochschulen aus ganz Deutschland sich derart für ein Umweltfotofestival engagieren?
Klaus Tiedge: Das ist ein Ergebnis zehn Jahre langer Arbeit aber auch das Zusammentreffen, günstiger Umstände. Die Umbenennung von Bund Freischaffender Fotodesigner in Bund Freischaffender Fotografen und Filmgestalter hat auch eine interessante Neuausrichtung mit sich gebracht, die sich nicht zuletzt auch in einem neuen Engagement und in der Verantwortung für das Niveau in der Fotografie äußert. Da sehe ich eben auch die Aufgabe eines Kurators, solche Trends aufzuspüren und da wo Aufwind ist, da muss man mitsegeln.
dasfotoportal: Ist das nicht ein bisschen das eigene Licht unter den Scheffel stellen? Hat nicht auch Zingst ein Niveau erreicht, das die Veranstaltung für solche Gruppierungen interessant macht?
Klaus Tiedge: Ein Kurator verfehlt seine Aufgabe sofort, wenn er meint, Trends setzen zu können. Er kann nur Spiegelbilder aufrichten, in denen sich die Szene wiederfindet.
dasfotoportal: Bei dem Projekt „Mensch ist Meer“, wurde allerdings von diesem Konzept, radikal abgewichen?
Klaus Tiedge: Das Wesen des Experiments ist, das es scheitern kann. Wir haben den Mut besessen, etwas zu tun, was der Kurator fürchtet, wie der Teufel das Weihwasser. Wir haben nämlich von Konzepten und Bildern gesprochen, die es noch gar nicht gab. Normalerweise entscheidet man nach Ansicht vorhandener Qualitäten, wie man die Werke an die Wand oder den Bildschirm bringt. Hier war eine Grundidee vorhanden und wir haben erst Selektionsprozesse in Gang setzen müssen, um die vielen Bewerber der unterschiedlichen Hochschulen, die mitmachen wollten, herauszufinden, die Konzepte zu bewerten und aus den ausgewählten Konzepten dann einen Workflow in Gang zu setzen.
dasfotoportal: Jetzt war ja kürzlich eine erste Sichtung des Materials, die bestätigt hat, das dieses Experiment geglückt ist?
Klaus Tiedge: Ja, absolut! Offensichtlich ist die Ausbildungsszene für Fotografie in Deutschland so tragfähig und der BFF in seiner agilen Neuaufstellung so effektiv, dass wir tatsächlich alle Trägheitsmomente deutscher Bildungsbürokratie überwinden konnten, so dass tatsächlich eine wunderbare Kreativgemeinsaft entstanden ist, aus der wir jetzt das größte Open Air Ausstellungsprojekt zum Umweltfotofestival horizonte zingst 2017 realisieren werden.
dasfotoportal: Ist dieses Experiment nicht doch auch irgendwie typisch für die Erlebniswelt Fotografie und das Festival?
Klaus Tiedge: Wenn damit gesagt werden soll, wir gehen mutig auf die Dinge zu und wir trauen uns was, absolut!
dasfotoportal: Herr Tiedge, danke für das Gespräch.