Nini & Carry Hess, Alexander Rumnev (Tänzer), 1923, Galerie Berinson, Berlin
Die Arbeit der beiden Schwestern mit Schwerpunkten Porträt- und Theaterfotografie, aber auch Tanz-, Mode- und Architektur wird in dem im Hirmer Verlag, München, erschienenen Katalogbuch „Die Fotografinnen Nini und Carry Hess“ anhand von etwa 120 Vintage-Prints umfassend rekonstruiert und mit aufschlussreichen Texten von Fachleuten vorgestellt.
Das 1913 von den Geschwistern in Frankfurt gegründete Fotostudio gehörte bald zu den angesehensten in Deutschland. Das innovative dortige Bühnengeschehen dieser Jahre hielten sie in Szenenfotos und Rollenporträts fest. Eindrucksvolle Bildnisse von Stars wie Heinrich George und Mary Wigman, Thomas Mann, C. G. Jung oder Max Beckmann belegen die Qualität ihrer Arbeit, in der sie sich der Bildsprache des Neuen Sehens annäherten.
Nini & Carry Hess, Mary Wigman in „Die sieben Tänze des Lebens“, 1921,
Theaterwissenschaftliche Sammlung, Universität zu Köln
Nini & Carry Hess, Irene Weill, 1920–1930, Berlinische Galerie –
Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur,
Foto: Felix Jork / Berlinische Galerie
Leben und Werk von Nini und Carry Hess schildert der Fotohistoriker Eckhardt Köhn in seinem aufschlussreich bebilderten Beitrag „Ein Frankfurter Fotoatelier von Weltruf“. Das von Nini und Carry Hess erstellte Theater-Foto-Buch über die 1917 in Moskau gegründete Theatergruppe „Habema“, die nach zunehmenden Schwierigkeiten in der Sowjetunion 1931 auf Tournee durch Europa ging, steht im Mittelpunkt des Texts von Roland Jaeger. Die Kunsthistorikerin Miriam Szwast stellt in ihrem Essay das von den Fotografinnen 1930 unter den Titel „Das Frauengesicht der Gegenwart“ unter anderem mit Porträts der Sängerin Fritzi Massary, der Florettfechterin Helene Mayer oder der Schauspielerin Tilla Durieux angereicherte, damals revolutionäre Fotobuch vor, während sich Katrin Bomhoff unter dem Titel „Frankfurt – Berlin – Nini und Carry Hess bei Ullstein“ mit der sich auf die 1920er Jahre konzentrierende Zusammenarbeit der beiden Fotografinnen mit dem Ullstein-Verlag befasst. Die Kuratorin Heike Drummer schließlich beschreibt unter dem symbolträchtigen Titel „Da verschiedene Apparate ( . . . ) reparaturbedürftig geworden sind“ das Schicksal der Hess-Schwestern nach dem Novemberprogrom 1938, als SA-Leute deren renommiertes, im fünften Stock des Sigmund-Strauss-Hauses am früheren Rathenauplatz/Ecke Börsenstraße in Frankfurt gelegenes Fotoatelier verwüsteten.
Nini & Carry Hess, Schabtai Prudkin, 1927, Privatbesitz
Nini & Carry Hess, Frauenporträt („Ärztin“), 1920–1930,
Berlinische Galerie –Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur,
Foto: Felix Jork / Berlinische Galerie
Mit dem Band „Die Fotografinnen Nina und Carry Hess“ erfahren auf Anregung der Leitung des Museum Giersch der Goethe-Universität, Frankfurt, zwei bisher weitgehend unbekannte Fotografinnen der Weimarer Republik eine differenzierte Würdigung. Erstmals ist deren Nachlass aufgespürt, akribisch zusammengestellt und damit letztlich ein Schatz gehoben worden.
H.-G. v. Zydowitz
Ausstellung im Museum Giersch der Goethe-Universität, Frankfurt, noch bis Frühjahr 2022
Die Fotografinnen Nini und Carry Hess
Hrsg.: Eckhardt Köhn, Susanne Wartenberg
Beiträge von Katrin Bomhoff, Heike Drummer, Roland Jaeger, Eckhardt Köhn, Miriam Szwast
256 Seiten mit 247 Abbildungen
Format: 22 x 28,5 cm, gebunden
München, Hirmer Verlag
ISBN: 978-3-7774-3696-8; €39,90
