Cine el Mégano, La Habana Vieja, Havana, Cuba
© Margarete Freudenstadt, VG Bild-Kunst, 2019
Christoph Wagner, Professor für Kunstgeschichte an der Universität Regensburg, betitelt seine Einführung daher mit „Das Kino als Illusionsraum“. In Kuba erlebten die Filmtheater in den 1950er Jahren unter amerikanischem Einfluss einen Boom. Margarete Freudenstadt zeigt in dem im Hirmer Verlag, München, erschienenen Bildband „Cinemas“,was heute von diesem Glanz geblieben ist. Denn dort sind die Lichter längst erloschen – und zwar nicht, weil man sich in der einstigen Unterhaltungsmetropole Havanna seiner Baudenkmäler schämen würde. Es sind vielmehr die Langzeitfolgen des US-Embargos. Entstanden sind daher Bilder von bröckelnden Kinofassaden im Kuba der Gegenwart.
Cine Acapulco Vedado, Havana, Cuba
© Margarete Freudenstadt, VG Bild-Kunst, 2019
Ob prunkvoller Neobarock, verspielter Modernismus oder schlichte Industriearchitektur, hier geben die Kinos die ganze bunt bemalte Formenvielfalt der Epochen vor und nach der Revolution wieder. Michael M. Thoss, Leiter des Goethe-Instituts in Havanna, berichtet dazu über „Havannas vergessene Filmpaläste“ und Peter Krieger, Professor an der mexikanischen Nationaluniversität (UNAM), beschreibt die „Utopie und Melancholie der Illusionspaläste in Havanna“.
Colosseum (Today Uci Filmwelt), Schönhauser Allee, East-Berlin
© Margarete Freudenstadt, VG Bild-Kunst, 2019
Für ihre Serie über Kinos des Sozialismus nutzte Freudenstadt Anfang der 1990er Jahre im Osten Deutschlands die Chance, das dortige Kino mitsamt seiner Architektur und Ästhetik festzuhalten, bevor es den modernen Multiplexen weichen musste. Sie dokumentierte das korallenartige Glühbirnengewölbe über dem Kassenhäuschen im Colosseum an der Schönhauser Allee in Berlin ebenso, wie sie die herbstlichen Vorgärten rund um das Kinohäuschen im sächsischen Großbreitenbach erkundete oder sich behutsam dem verhüllten Foyersofa im Kino an der Friedensgrenze Guben, das damals nur noch mit Erotikfilmen Zuschauer lockte, näherte – ein vergessenes und vernachlässigtes Kapitel der deutschen Einheit.
Sund Lichtspiele Stralsund
© Margarete Freudenstadt, VG Bild-Kunst, 2019
Eingangsbereich des Saals des Kino Jena (Jena, Thüringen)
© Margarete Freudenstadt, VG Bild-Kunst, 2019
Das Essay von Barbara Muhr über Margarethe Freudenstadts Fotografien verlassener Orte zwischen Erwartung und Hoffnungslosigkeit trägt daher die Überschrift „Die Stille der Dinge“, während sich Gerald Dagit von der Universität Regensburg unter dem Titel „Von Sovexport zur DEFA“ über die Kinostrukturen in der Deutschen Demokratischen Republik äußert. In der DDR hießen sie verheißungsvoll Fortschritt-Lichtspiele oder Filmtheater Kosmos, in Kuba Riviera, Acapulco oder Florida – die Kinos, in denen Illusionen verkauft wurden. Der Band „Cinemas“ versammelt die beiden Fotoserien und zeigt, dass diesen teils verlassenen Orten trotzdem weiterhin die Magie des Kinos innewohnt.
H.-G. v. Zydowitz
Margarete Freudenstadt Cinemas – From Babylon Berlin to La Rampa Havana
Hrsg.: Christoph Wagner
Beiträge von Gerald Dagit, Peter Krieger, Barbara Muhr, Michael M. Thoss und Christoph Wagner
Text: Englisch, Deutsch
96 Seiten mit 80 Abbildungen in Farbe
Format: 27×30 cm, gebunden
München, Hirmer Verlag
ISBN: 978-3-7774-3458-2;
Preis 34,90 Euro