Die Schriftstellerin lässt sie alle ihre gemeinsamen Jahre in vielen Zeitsprüngen Revue passieren. Unter Ruth Cerfs kritischem Blick werden die Arbeit in der Dunkelkammer, die dauernden Geldsorgen und Taros Draufgängertum ebenso lebendig wie sich Georg Kuritzkes an die gemeinsame Jugend mit Gerta, an ihr Wiedersehen in Paris und die Not der Holocaust-Überlebenden erinnert. Doch vor allem beschreibt die vielfach ausgezeichnete, in München als Tochter einer jüdisch-polnischen Familie geborene Helena Janeczek das Leben der als Gerta Pohorylle in Stuttgart und Berlin aufgewachsenen, in Leipzig zur überzeugten Sozialistin gewordenen und spätestens in Paris, wohin sie von den Nazis geflohen war, zur Fotografin gewachsenen Gerda Taro. Denn dort begegnete sie Robert Capa, auch er ein Hunger leidender jüdischer Flüchtling. Die beiden verlieben sich, er drückt ihr seine Leica in die Hand und sie arbeiten von nun an gemeinsam. Beide dokumentieren sie an der Front den Spanischen Bürgerkrieg – aber sie bezahlt diesen Einsatz mit dem Leben.
Zur Beerdigung von Gerda Taro in Paris kamen am 1. August 1937, ihrem 27. Geburtstag, Zehntausende: Capa führte mit Louis Aragon, Pablo Neruda und Henri Cartier-Bresson den Trauerzug an, Alberto Giocometti schuf ihr Grabmal. Dann wurde Gerda Taro vergessen – bis 2007 in Mexico ein lange verschollener Koffer gefunden und in New York von Cornell Capa, dem Bruder von Robert Capa und Leiter des International Center of Photography (ICP), geöffnet wurde. Darin fand man Robert Capas, aber auch Gerda Taros Negative, vor allem aus dem Spanischen Bürgerkrieg.
Wer aber war diese ungewöhnliche junge Frau, die ein paar Jahre lang ganz Paris den Kopf verdrehte und zur ersten Kriegsfotografin wurde? Helena Janeczek hat sie in dem im Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH erschienenen, preisgekrönten Roman „Das Mädchen mit der Leica“ behutsam nacherfunden. Aus den Splittern der Erinnerung dreier alter Freunde setzt sie ein Bild zusammen und der unfassbar kühnen Träumerin und mutigen Fotopionierin Gerda Taro ein berührendes, weit über die sensationellen Fakten hinausreichendes, literarisches Denkmal.
H.-G. v. Zydowitz
Helena Janeczek
Das Mädchen mit der Leica
Übersetzung: Verena von Koskull
352 Seiten
Format: 13,5×21 cm, Hardcover mit Schutzumschlag
Berlin, Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH
ISBN: 978-3-8270-1398-9;
Preis 22 Euro
