Kein Zweifel, die Leica TL2 ist die Schönheitskönigin in der Kategorie der spiegellosen Kameras mit APS-C Bildsensor. Folgt man der Ansicht, dass wahre Schönheit auch von Innen kommt, dann trifft dies im besonderen Maße auf diese minimalistisch gestaltete Kamera mit ihrem technisch hochmodernen Innenleben zu. Die nun schon in der dritten Generation die Ästheten unter den Technikfans begeisternde Kamera, macht erlebbar, wie stark außergewöhnliches Design die Begehrlichkeit für ein Produkt steigern kann.
Die Leica TL2 gibt es in Schwarz und Silber.
Die äußerlichen Veränderungen des jüngsten Leica TL Modells sind minimal aber dennoch bedeutend: Die Kanten des klaren, aus einem Block gefrästen Bodys wurden etwas sanfter, so dass er nun deutlich angenehmer in der Hand liegt. Der Ein/Aus-Schalter dient nur noch der Aktivierung der Kamera für Einzelaufnahmen. Die Anwender der TL haben sich darüber beklagt, dass sie zu häufig versehentlich auf den Serienbildmodus gestellt haben. Weggefallen ist auch der eingebaute Pop-Up-Blitz des Vorgängermodells. Dafür muss nun ein Aufsteckblitz genutzt werden, wenn die Lichtbedingungen eine Blitzbeleuchtung erforderlich machen. Dies wird bei dieser Kamera seltener der Fall sein als bei ihrer Vorgängerin, da ihr Sensor einen deutlich größeren Empfindlichkeitsbereich bietet, der sich von ISO 100 bis ISO 50.000 erstreckt. Dass sind zwei Blendenwerte mehr Spielraum nach oben. Aber nicht nur die Empfindlichkeitsskala wurde erweitert. Der neue Sensor bietet auch eine höhere Auflösung von 24 Millionen Bildpunkten, die ein neuer Prozessor der aus dem Hause Fujitsu stammenden Maestro II Serie, in rasanter Geschwindigkeit verarbeitet.
Bedienung: Wischen, tippen und drehen – einfacher geht es kaum.
Um nur eine paar Kennzeichen zu nennen, die von dieser Kombination profitieren, sei auf den beschleunigten Autofokus hingewiesen, dessen Fokuspunkte sich beispielsweise per Fingerzeig auf dem Touchscreen blitzschnell wählen lassen. Ein anderer Punkt sind die kürzeren Reaktions- und Verarbeitungszeiten der Kamera, die nun bis zu sieben Aufnahmen in voller Auflösung in der Sekunde aufzeichnen kann.
Noch dramatischer wird der Fortschritt gegenüber den Vorgängermodellen deutlich, wenn die Videofunktion in den Fokus rückt. Die TL2 bietet 4K Qualität mit 30 Bildern pro Sekunde und schafft Zeitlupen mit bis zu 120 Bildern pro Sekunde.
Zurück zu den Äußerlichkeiten dieses Schmuckstücks, die sicherlich für viele stilbewusste Fotografen ausschlaggebend für die erste Begeisterung und Auslöser der Begehrlichkeiten sind, die diese Kamera weckt, sobald der Blick auf sie fällt und die einen völlig gefangen nehmen, sobald man sie in die Hand nimmt. Das Design ist wie gesagt durch leichte Veränderungen und den Verzicht auf bestimmte Elemente noch minimalistischer, noch unauffälliger auffällig geworden. Es ist ein geradezu provozierendes Understatement angesichts der hinter dem elegant schlichten Gehäuse versteckten Kameratechnik.
Ein/Aus-Schalter, Auslöser, zwei Wählräder und eine individuell belegbare
Funktionstaste reichen zur Bedienung der Leica TL2 aus.
Ihre umfangreiche Ausstattung und das durchdachte Konzept machen die TL2 zum vermutlich vielseitigsten Kameramodell im Leica Programm. Auch das lässt sich an zwei Kleinigkeiten festmachen, die aber Auswirkungen haben. Da gab es bei der TL eine spezielle Taste zur Aktivierung und Starten der Videoaufzeichnung. Diese wurde bei der TL2 in eine programmierbare Funktionstaste umgewandelt, die sich vom Anwender individuell belegen lässt und so auch als Taste zur Aktivierung der Bildwiedergabe oder für den Wechsel von der Monitoranzeige auf die Anzeige im optional erhältlichen, elektronischen Aufstecksucher dient.
Beide geben bei aller Begeisterung für die Kamera aus Fotografen Sicht Anlass zur Kritik. Zunächst einmal ist der Monitor der gleiche wie im Vorgängermodell. Zwar konnte die Reaktionszeit des Touchscreens, der ja eine essentielle Rolle innerhalb des innovativen Bedienkonzepts der Kamera spielt, deutlich verkürzt werden und ist nun etwa achtmal schneller geworden, doch leider ist er starr und kann weder gekippt, geklappt oder gedreht werden, was die Wahl eines präzisen Bildausschnitts an strahlenden Herbsttagen, wie wir sie bei unseren Praxistests im Park des Nymphenburger Schlosses in München und im Botanischen Garten direkt daneben genießen konnten, sehr erschwerte und teilweise nahezu unmöglich machte.
Unverzichtbar und nach dem Firmware-Update 1.1
auch uneingeschränkt an der Leica TL2 nutzbar:
der klappbare, elektronische Visoflex- Sucher.
Den optionalen, elektronischen Sucher, der bei der Einführung der Kamera auch noch dazu führte, dass sie schlichtweg ihren Geist aufgab, hatten wir nicht zur Verfügung. Da dieser Bug jedoch inzwischen durch ein Firmware Update ausgeschaltet werden konnte, können wir nur jedem empfehlen, der die Kamera anschaffen möchte, die Investition in dieses unverzichtbare Zubehör mit einzuplanen. Noch ein Hinweis: Es kann nur ein Gerät also entweder der elektronische Visoflex Sucher oder ein Aufsteckblitzgerät verwendet werden. Mit dem eingebauten Blitzgerät der TL ließen sich in so einem Fall für komplexe Beleuchtungen wenigsten externe Blitzgeräte fernauslösen und der Sucher trotzdem verwendet
Unbedingt einplanen sollten Leica TL2 Fotografen einen zweiten Akku. Zwar soll die Kamera mit einem frisch geladenen Akku rund 250 Aufnahmen liefern, doch diese Zahl reduziert sich drastisch, wenn Display oder Aufstecksucher, Blitzgeräte genutzt werden oder vor allem die Bildanzeige und Verarbeitung sowie die Funktion zur kabellosen Steuerung oder des Datentransfers zu anderen mobilen Geräten genutzt wird. Es kann auch passieren, dass vergessen wird, die WLAN-Funktion bei nicht Gebrauch zu deaktivieren, woraufhin die Kamera ständig nach WLAN-Partnern sucht und zusätzlich Strom verbraucht.
Herbstliche Etüden: Beispielbilder mit der Leica TL2
Ausgesprochen praktisch wiederum ist die zusätzliche Möglichkeit, den Akku der TL2 über die USB 3.0 Schnittstelle der Kamera zu laden und dazu notfalls auch eine Powerbank benutzen zu können. Gefallen hat uns auch das intelligente Batteriefach, das es in dieser Form schon seit dem ersten T –Modell gibt und auf einen eigenen Deckel verzichtet und ihn stattdessen im Akku integriert hat. Ebenso intelligent sind die modernen Buchsen für die einfache Anbringung des Tragegurts, der durch das spezielle leicht dehnbare Material das Gewicht der kleinen Kamera – gefühlt – noch geringer erscheinen lässt.
Das mit der Leica T eingeführte Touch-Bedienkonzept, das mit zwei Einstellrädern und zwei Tasten auskommt und ansonsten alle Einstellungen durch Berühren von Icons oder Wischer auf dem Kameramonitor ermöglicht und weitgehend dem gewohnten Umgang mit dem Smartphone nachempfunden ist, macht das Fotografieren mit der Leica TL2 besonders einfach und intuitiv. Das Menü wurde nochmals optimiert und lässt sich vom Anwender so anordnen, dass es seinen individuellen Vorlieben entspricht.
Die Handhabung der Leica TL2 ist neu und für manchen gelernten DSLR-Fotografen auch gewöhnungsbedürftig. Doch wer sich einmal damit befasst und daran gewöhnt hat, der wird auch an dieser Besonderheit Gefallen finden und bald nicht mehr missen wollen.
Für Flexibilität in der Bildgestaltung sorgt auch das inzwischen sechs Brennweiten umfassende Wechselobjektivprogramm der Leica TL2, an der sich wegen des gleichen Bajonetts auch die SL Objektive und mit entsprechenden Adaptern sogar die M- bzw. R-Objektive ansetzen lassen.
Zum Schluss das Thema Bildqualität, die bei so exklusiven Kameras wie einer Leica ja als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Das gilt ebenfalls für die kleine Leica TL2. Wir hatten die Kamera mit drei Objektiven im Einsatz: dem Leica Summilux-TL 1:1,4/35 ASPH, dem Vario Elmar-TL 1:3,5-5,6/18 bis 56 ASPH und dem Apo-Vario-Elmar-TL 1:3,5-4,5/55-135 ASPH. Nein: die AF-Steuerung ist nicht die schnellste ihrer Klasse aber dennoch sehr schnell und äußerst präzise. Bemerkenswert ist der große Dynamikumfang des Sensors, der selbst bei hohen ISO-Empfindlichkeiten noch brillante Fotos liefert. Auch die gute Detailzeichnung in dunkeln Bildpartien aber auch bei High-Key-Aufnahmen liefern Ergebnisse mit dem typischen „Leica Schmelz“. Wie ein zartes, luftiges Bokeh aussehen kann, zeigt das 35 mm Leica Summilux-TL 1:1,4/35 ASPH, das hochlichtstarke Objektiv mit Standardbrennweite im L- Objektivprogramm.
Fazit
Die Leica TL2 stellt einmal mehr unter Beweis: die Kamera für Alle und Alles kann es nicht geben. Zu unterschiedlich sind die Prioritäten der Anwender, zu komplex die modernen Aufnahmetechniken für die kreative Fotografie. Die Leica TL2 ist in erster Linie eine Leica: Ein hochwertiges Werkzeug in kompaktem anspruchsvollen Design für die „Happy Few“, die sich diese Kamera leisten wollen oder auch können. Für Viele wird sie ein Traum bleiben und wer eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufmacht, wird dem Mehrwert der TL2 nicht gerecht. Der besteht darin, dass sie nicht nur alle Voraussetzungen bietet, Motive in hochwertige, technisch perfekte Fotos umzusetzen, diese kleine Schönheit motiviert auch dazu, sie auszuführen und mit ihr zu fotografieren. Es mag Kameras geben, die mit mehr und schnelleren Automatiksteuerungen zu günstigeren Preisen auf einfachere Art und Weise großartige Fotos liefern: Das Erlebnis, mit einer Leica zu fotografieren, ist damit jedoch nicht zu toppen!
PS: Dieser Artikel stammt von Heiner Henninges, langjähriger Chefredakteur der Zeitschrift Leica Fotografie International, der viele Jahre als professioneller Fotograf mit Leica Kameras gearbeitet und damit sein Geld verdient hat.