Das Themenspektrum der Vorträge des 4. Markentags des Photoindustrie-Verbandes umfasste die Bereiche Markenkultur, Markenerlebnis, Markenbindung, Markenkommunikation ebenso wie Marken Communities oder das Marken- und Wettbewerbsrecht.
Christian Müller-Rieker, Geschäftsführer des Photoindustrie-Verbandes e.V. und
Johannes Ippach, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Markenverbandes
Drei Thesen bildeten die Grundlage des Vortrages von Johannes Ippach, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Markenverbandes: „Erstens, die etablierten Treiber eines Marktes bleiben auch zukünftig vorne, wenn sie ihre Stellung ständig neu interpretieren. Zweitens: Innovationen werden nicht durch Unternehmen gemacht, sondern von den Kunden erkannt. Der Maßstab für Innovationskultur ist dementsprechend der Mensch. Und drittens: In Zukunft ersetzt das Werteversprechen einer Marke sein Leistungsversprechen. Das bedeutet: Was eine Marke tut, ist weniger bedeutsam als das, wofür sie in den Augen der Kunden steht.“
Die Mär von der Überforderung der Konsumenten
Henning Meyer, Geschäftsführer Markentechnik Consulting, analysierte in seinem Vortrag die Markenführung und den Markenerfolg in gesättigten Märkten, wie dem Foto- und Imagingmarkt, räumte mit einem weitverbreiteten Vor- und Fehlurteil auf: „Die Überforderung des Konsumenten mit neuen Marken ist eine Mär. Auch, wenn vielleicht in den Regalen des Handels kaum noch Platz für Neues ist – in den Köpfen der Verbraucher ist praktisch endlos Raum für neue Marken.“ Um in gesättigten Märkten erfolgreich zu sei, empfiehlt Henning Meyer „Mut zur Differenzierung,“ also das Erkennen und Besetzen von Nischen innerhalb des Gesamtmarktes. Weiterhin gälte es, für die Kunden konkrete Erlebnisse zu schaffen, diese zu penetrieren und als Botschaft in unterschiedlichen Variationen zu kommunizieren.
Trendthema Apps
Auch das Trendthema Apps als Transportmittel für die Markenwahrnehnung und Markenbindung wurde behandelt. Dr. Stefan Fröhlich, Rechtsanwalt bei Taylor Wessing, referierte über die markenrechtlichen Probleme bei der Verwendung von Apps. Im Grundsatz gilt zu diesem Thema: Was in der Offline-Welt gilt, gilt auch in der Online-Welt. Das bedeutet: Bild-, Wort- und Wortbildmarke genießen den gleichen Schutz. Stefan Fröhlich ging explizit auf eine Besonderheit im deutschen Recht ein, dem Werktitelschutz. Dieser bezieht sich auf den Namen eines Werks wie einer Zeitung, aber auch auf den Titel einer App. Geschützt wird dadurch nicht der Inhalt, sondern ausschließlich die Bezeichnung.
Inhalte, die Kundenprobleme lösen
Über die Bedeutung von Content Marketings referierte Prof. Ulrike Mayer-Johanssen, Vorstand MetaDesign AG. Sie gab zu bedenken, dass die Zahl derjenigen, die durch zu viele Informationen uninformiert sind, stark wächst. Das bedeutet für die Markenkommunikation: Unbedingte Klarheit in der Aussage, um auch verstanden zu werden.“
Die Über-Information der Menschen sieht Ulrike Mayer-Johannsen als einen Teil des Mega-Trends „Polarisierung“: Je stärker auf der einen Seite die Quantität der Informationen anwächst, umso stärker sehnen sich die Menschen nach einem qualitativen Gegengewicht, nach Emotionalität und Ruhe. In Bezug auf Marke und Unternehmenskommunikation rät die Referentin, mit drei Fehleinschätzungen über das Internet aufzuräumen: „Es gibt nicht nur das eine Internet, sondern dessen Bedeutung und Ausprägung ist für jeden Menschen anders.
Die zentrale Forderung von Professor Ulike Mayer-Johanssen an Content Marketing lautet: Die Inhalte müssen Probleme aus der Sicht der Kunden lösen und damit auf den Wert und die Positionierung der Marke einzahlen. „Neue Märkte entstehen durch Ideen, die mehr sind als die bloße Reaktion auf betriebswirtschaftliche Dynamiken.
Marktfaktor Senioren
Ein nach wie vor häufig vernachlässigter Bereich sei das Seniorenmarketing. Seine Bedeutung für die Markenstärke wurde stark unterschätzt, führe Prof. Kai-Uwe Hellmann vom Institut für Soziologie an der TU Berlin in seinem Vortrag „Konsum im Alter und die Relevanz und Resonanzfähigkeit von Marken“ aus.
Die ‚demografische Welle‘ käme auch auf die Foto- und Imagingbranche zu – und sie scheint wenig darauf vorbereitet zu sein. Dies konnte er auch mit Beispielen aus eigner Erfahrung belegen: „Schriften an Produkten sind zu klein, die Produkte sind häufig schwer zu erreichen und die Orientierung im Geschäft lässt zu wünschen übrig“, so der Referent.
Dabei sei die Zielgruppe der Senioren nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ besonders interessant: Die 65-75-Jährigen geben 85 Prozent ihres Einkommens für Konsum aus. Für die Kommunikation gilt: Die Gruppe „55+“ ist keine homogene Zielgruppe, sondern sie besteht aus zahlreichen Sub-Zielgruppen, unterteilt nach Alter, gesundheitlichem Zustand, persönlichen Interessen und finanziellen Möglichkeiten. Für alle diese 55+-Zielgruppen entscheidet jedoch folgende Regel über Erfolg oder Misserfolg: Man darf die altersbedingten Nachteile der älteren Menschen nicht kommunizieren, man muss aber sehr wohl auf sie eingehen. Das bedeutet: Erfolgreiches Seniorenmarketing wird von der Zielgruppe nicht als solches wahrgenommen. Für die Fotoindustrie sieht Kai-Uwe Hellmann die Kamera-Vielfalt, Wearables, 3DDruck und die Sharing-Economy als geeignete Ansatzpunkte für erfolgreiches Seniorenmarketing.
Einen kritischen Blick auf Neuromarketing lenkte Roland Albrecht, Geschäftsführer Markenagentur GoYa!. Zum Start seines Vortrags „Neuromarketing – Diverse Mythen, allerlei Halbwissen und sehr interessante Tatsachen“ stellte er klar: „Dem Neuromarketing unterliegt folgende Metaerzählung: Mit den neuen Erkenntnissen der Neurowissenschaften sollen Konsumentscheidungen besser gesteuert und entscheidend beeinflusst werden können. Diesem oft sehr selbstbewusst formulierten Anspruch fehlt jedoch die reale Substanz, nämlich Beweise.
Wie gelangt man von Big Data zu Smart Data? Diese Frage stellte Robert Wucher, Head of Technology GfK. Oder anders formuliert: Wie werden aus riesigen Datenmengen solche „smarten“ Daten, die unter anderem für Marketing und Markenführung genutzt werden können? Diese von der GfK aus unterschiedlichen Quellen eruierten Daten helfen den Unternehmen bei einer Optimierung der Online-Mediaplanung, der eigenen digitalen Datenanalyse sowie beim erfolgreichen Launch neuer Produkte. Robert Wucher. „Big Data alleine nutzt im Marketing nicht viel. Vielmehr kommt es darauf an, den Kontext zum Konsumenten zu erkennen. Durch die Verknüpfung von produkt- mit verhaltensrelevanten Informationen entsteht Smart Data.“
„Die zunehmende Bedeutung und Nutzung von Marken zeigt sich heute in den unterschiedlichsten Ebenen und Unternehmensbereichen“, fasst Christian Müller-Rieker das Themenspektrum des diesjährigen Markentags des Photoindustrie-Verbandes zusammen. „Der Markenstärke kommt dabei in unserer Branche eine ganz besondere Funktion zu: Sie dient nicht nur dazu, dass die Produkte in gesättigten Märkten von den Verbrauchern wahrgenommen werden, sondern eine starke Marke ist das beste Fundament, um auch in neuen Märkten mit neuen Zielgruppen erfolgreich zu agieren und so das Korsett eines gesättigten Marktes verlassen zu können“.