Schätzpreis
Eine photohistorische Rarität markiert den Auftakt der Auktion: Das unbetitelte Portrait einer Dame, entstanden zwischen 1845 und 1849, ist die erste Daguerreotypie von Bertha Wehnert-Beckmann, der frühestenBerufsfotografin Europas, die in einer internationalen Auktion zum Aufruf kommt. In Leipzig übernahm die junge Daguerreotypistin nach dem frühen Tod ihres Ehemannes Eduard Wehnert das gemeinsame Atelier und brachte es als Unternehmerin mit ihren kunstvollen Portraits zu internationalem Ruf. Nicht nur Persönlichkeiten aus Hochadel, Militär und dem namhaften Bürgertum zählten zu ihren Kunden, auch der junge Johannes Brahms und der 13. Präsident der USA Millard Fillmore wurden von ihr portraitiert (Lot 500 / € 3/4.000).
Wie schon in der Frühjahrsauktion kommt de Bauhaus-Photographie auch in dieser Saison besondere Aufmerksamkeit zu. Vier der Vintage-Abzüge aus dem Nachlass von Xanti Schawinsky zeigen Mitglieder der Bauhaus-Kapelle, zu der auch Schawinsky gehörte, beim geselligen Miteinander und Musizieren auf dem Dach des Bauhausgebäudes (Lots 508-512 / € 2/5.000). In seiner Dynamik und Lebendigkeit sticht das Portrait T.Lux Feiningers mit Banjo und Zylinder hervor, das typische Elemente des „Neuen Sehens“ aufweist: Der Anschnitt des Motivs, die starke Untersicht, die Verschattung des Gesichts, bedingt durch den tief ins Gesicht gezogenen Hut, und die Bewegungsunschärfe der musizierenden Hand. (Lot 511 / € 4/5.000).
Schätzpreis
Aus verschiedenen Schaffensphasen stammen die zum Aufruf kommenden Vintage-Abzüge von Albert Renger-Patzsch: Von der frühen, feintonigen Innenraumaufnahme einer norddeutschen Backsteinkirche auf samtigem Kodak-Royal-Papier (Lot 515 / € 3/4.000) über eine seltene, expressive Portraitstudie der Ausdruckstänzerin Mary Wigman (Lot 517 / €2/3.000) bis hin zu zwei neusachlichen Aufnahmen moderner Industrieanlagen aus dem Ruhrgebiet, letztere aus dem Nachlass des Architekten Fritz Schupp (Lots 520/521 / € 1.800/2.200 – €2.500/3.000), reicht das Spektrum.
Henri Cartier-Bresson
Schätzpreis
7.000 € – 9.000 €
Die französische Photographie der Zwischenkriegsjahre ist mit mehreren Werken zweier ihrer berühmtesten Vertreter – André Kertész und Henri Cartier-Bresson – in dieser Saison besonders prominent vertreten: Aus Kertész‘ Pariser Zeit stammen ‚Satiric Dancer‘ und ‚Chez Mondrian‘, beide 1926 entstanden, zwei Inkunabeln der Photographiegeschichte (Lot 526/527 / € 4/5.000 bzw. 5/7.000). Auf kongeniale Weise überträgt der Photograph in letzterem die charakteristischen Merkmale der Kunst des niederländischen Konstruktivisten Piet Mondrian auf sein eigenes, photographisches Bildmedium: Ein Raster aus horizontalen und vertikalen Bildachsen gliedert die Bildfläche, so dass eine komplexe Komposition geometrischer Flächen entsteht.
Drei der insgesamt fünf Werke von Henri Cartier-Bresson weisen einen explizit erotischen Kontext auf. 1933 führten die Wege den jungen Photojournalisten in ein Bordell in ‚Alicante, Spanien“ (Lots 532/533, € 4/5.000 bzw. 5/6.000), ein Jahr später nahm er in ‚Mexiko‘ zwei Lesbierinnen beim Liebesspiel auf: Die ‚Liebesspinne‘ (L’araingée d’amour‘) zeigt ein Gewirr an verschlungenen Armen und Beinen, die einem einzigen Körper entwachsen zu sein scheinen (Lot 531 / € 7/9.000).
Die 1962 entstandene Aufnahme ‚Mur de Berlin‘ mit spielenden Kinder an der Mauer schlägt die Brücke ins Deutschland der Nachkriegszeit (Lot 565 / € 5/7.000) und damit in die Adenauer-Ära. Chargesheimers großformatiges Portrait des damaligen Bundeskanzlers aus allernächster Näheentstand 1955 im Zusammenhang mit einer Portraitserie für das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Seine Veröffentlichung auf dem Titelblatt der Zeitschrift schlug hohe Wellen im öffentlichen Leben, unterstellte man doch dem Photographen, mit seiner nahezu diabolisch anmutenden Inszenierung den Kanzler und seine Politik desavouieren zu wollen. Die Solarisation, die die veröffentlichte Version nicht aufweist, macht die hier vorliegende unikate Variante zu einer besonderen photo- und zeithistorischen Rarität (Lot 558 / € 3.500 – 4.000).
Floris M. Neusüss
Schätzpreis
6.000 € – 8.000 €
Floris M. Neusüss unbetiteltes ‚Nudogramm‘ aus dem Jahr 1967 ist die photographische Antwort auf die Malerei des Informel. Das Photogramm auf (Umkehr-) Gelatinesilberpapier zeigt in Lebensgröße den Schattenriss einer jungen Frau mit wallenden Haaren in anmutiger Schlafpose. Die großformatige Papierarbeit weist dabei eine überraschende poetische und malerische Wirkung auf (Lot 551/€ 6/8.000).
Seydou Keïta
Schätzpreis
4.000 € – 5.000 €
Passend zum aktuellen Trend auf dem internationalen Kunst- und Photographiemarkt unter dem Einfluss der ‚Black Life Matters‘-Bewegung bietet die Auktion vier Arbeiten des aus Mali stammenden ‚Stars‘ unter den afrikanischen Photographe Seydou Keïta an. Die Portraits des 2001 verstorbenen Photographen zeichnen sich durch liebevolle Details bei den (Selbst-)Inszenierungen der Dargestellten in improvisierten Ateliersituationen aus (Lots 580–583 / jeweils € 4/5.000).
Evening Sale und Day Sale
Den Schwerpunkt der Photographie-Offerte der beiden Zeitgenossen-Auktionen am selben sowie an dem darauffolgenden Tag bilden zahlreiche Werke der ‚Düsseldorfer Schule‘: Highlight des Evening Sales ist das großformatige Werk ‚Stanze di Raffaello 2, Rom‘ von Thomas Struth aus der Serie der Museum Photographs, in dem der Künstler die historischen Gemälde der Raffael-Stanzen im Vatikanischen Museum und deren in die Betrachtung versunkenen Besucher subtil zueinander in Beziehung setzt (Lot 30 / € 60/80.000). Der Day Sale am Samstag bietet neben einer Gruppe von Industrieaufnahmen vonBernd und Hilla Becher (Lots 358–363, € 4/10.000) auch einige Schwarzweißaufnahmen und farbige Polaroids von Andy Warhol aus dem Factory-Kontext an (Lots 412–415 / € 4/15.000).