Lorraine Hellwig // Y A MANIFESTO // Hochschule München
Bis es richtig weh tut: Y A MANIFESTO von Lorraine Hellwig zelebriert das Verloren-Sein in einer Zeit, in der alles möglich scheint – die Suche nach dem Sinn, das Zuviel-Wollen und Gar-Nichts-Mehr-Brauchen und das eigene Gefängnis im rasenden Stillstand unserer Zeit.
Es ist das sehnsuchtsvolle wie selbstverständliche Privileg der Jugend, alte Mauern einzureißen und Felder neu zu bestellen. Und doch bläst dem Wind der Erneuerung stets die Trägheit der Masse entgegen, die sich eingerichtet hat, in dem, wie es ist. Murrend zwar, aber doch häufig wenig willens anzuerkennen, dass Kontinuität nur zu einem Teil Stabilität beinhaltet. Geraten die Gewichtungen aus der Balance, so führt der ausschließliche Wunsch nach Bewahrung zu einer kulturellen, politischen, ökonomischen und sozialen Vergreisung einer Gesellschaft.
Was sich einmal etabliert hat, lässt sich jedoch schwer wieder aus der Welt schaffen – das gilt für jedwede Struktur, sei sie geistiger oder physikalischer Natur. So ist es äußerst erfrischend, wenn die neun Preisträger/Innen von gute aussichten – junge deutsche fotografie allesamt frischen Wind in ein Feld hineintragen, dessen bildgestalterische Möglichkeiten aller Kassandrarufe zum Trotz offensichtlich bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind.
Ist die Überwindung des Alten ebenso schwierig wie die Schaffung des Neuen, so wagen die diesjährigen Preisträger/Innen bei aller Diversität an Themen und künstlerischen Sprachen eines ganz gewiß: den wendenden Punkt, der mit Anfang oft schließt und mit Ende beginnt.
Das sind die Preisträger:
Lorraine Hellwig // Y A MANIFESTO // Hochschule München
Bis es richtig weh tut: Y A MANIFESTO von Lorraine Hellwig zelebriert das Verloren-Sein in einer Zeit, in der alles möglich scheint – die Suche nach dem Sinn, das Zuviel-Wollen und Gar-Nichts-Mehr-Brauchen und das eigene Gefängnis im rasenden Stillstand unserer Zeit.
Laila Kaletta // A Dead Flower Will Never Bloom // Lette-Verein, Berlin
(K)Ein Märchen: Die fotografierende Unsterblichkeitsforscherin Laila Kaletta reist nach Japan und trifft für A Dead Flower Will Never Bloom die ewig lebende Qualle Turritopsis dohrnii und ihren Hüter, den Wissenschaftler „Mr. Immortal Jellyfish“.
Patrick Knuchel // Die „Konkrete“ Idee // Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
Ganz konkret abstrakt: Patrick Knuchels „Konkrete“ Idee“ umkreist die Fragen: Was ist ein Bild und wie kann ich das fotografische Bild erweitern? So sind seine Werke nicht Abbilder sondern wunderbare Konstruktionen einer abstrakten Idee, die der Betrachter nicht übersetzen aber doch vervollständigen kann.
Benjamin Kummer // Konstruktion Raum // Neue Schule für Fotografie, Berlin
Was ist was? – das ist hier die Frage: Kreis oder Kugel, Pyramide und Würfel sind die Protagonisten für Benjamin Kummers Konstruktion Raum. Mit Schablonen und Fotonegativen untersucht er im Schwarz-Weiß-Labor die Räumlichkeit des fotografischen Bildes und entlockt seinen Anordnungen unikate Lichtbilder aus fantastischen Formationen.
Steve Luxembourg // Der Schatten // Hochschule für Bildende Künste Braunschweig
Wer hat keine Angst vorm Schwarzen Mann? Steve Luxembourgs Film Der Schatten behandelt die Symbolik des Rosenkranzes, der katholischen Gebetskette und inszeniert in ruhigen, beinahe meditativen Aufnahmen, untermalt mit aus der Natur stammenden Tönen und Geräuschen, Grundängste unseres Daseins: Verlust und Verfolgtwerden.
Sina Niemeyer // Für mich – A Way of Reconciliation // Hochschule Hannover
Die Geschichte einer Kämpferin: In Für mich – A Way of Reconciliation berichtet Sina Niemyer von dem sexuellen Missbrauch, den sie in ihrer Kindheit erleben musste. Metaphorische Film-, Bild- und Textebenen führen durch die komplexe und diffizile Gefühlswelt eines solchen Traumas und rücken ein marginalisiertes, aber weit verbreitetes Thema in unseren Fokus.
Malte Sänger // Abdrücke, Hochschule für Gestaltung // Offenbach/Main
Hier und doch nicht mehr da: Malte Sänger verwandelt die auf Social Media Kanälen gepostete Handyfotos von Migranten mithilfe der dazugehörigen Metadaten in reale Orte auf Satellitenbildern – Abdrücke. Denen gegenüber stellt er die geposteten Fotos der Flüchtenden, versehen mit den echten Metadaten und fiktiven Geschichten.
Robert ter Horst // Playtime // Fachhochschule Bielefeld
Aus Punkten werden Pixel – ein ganzer Film in einem Bild: In Playtime untersucht Robert ter Horst Film- und Bildmaterial mit speziellen, digitalen Rechenprogrammen, die auf der kleinsten Ebene des Mediums, dem Pixel, arbeiten. Derart entstehen Zeitraffer-Bilder aus Filmen und im Umkehrschritt ein Video aus den Tonwerten einer Fotografie.
Anna Tiessen // Kommando Korn // Ostkreuzschule Berlin
Sturm und Drang aus der Provinz: Anna Tiessen erzählt in ihrer Serie Kommando Korn die Geschichte einer Dorfclique aus angehenden Jungbauern und Schraubern in Schleswig-Holstein. Ihre Bilder sprechen von ungestümer Freiheit und Jungsein, von Freundschaft und Rausch, von harter Arbeit, steifen Brisen und dem Verlangen nach Zugehörigkeit. Laut, sehr laaaaaaut und manchmal leise.
Summa summarum präsentiert gute aussichten – junge deutsche fotografie // new german photography 2018/2019 damit 229 Motive, darunter 39 unikate Belichtungen, 7 Fotogramme, 3 Siebdrucke und 2 Risografien, sowie 4 Videos, 2 Künstlermagazine, 1 Kurzfilm, 1 Buch und 1 Diaprojektion.
Im 15. Jahr seines Bestehens zeigt gute aussichten 2018/2019 somit eine inhaltliche, ästhetische und mediale Bandbreite, wie sie die jungen Fotograf/inn/en in Deutschland hervorbringen. Ein überraschendes Spektrum vielfältiger Ideen, fotografischer Strategien und formaler wie medialer Umsetzungen, die den aktuellen Status Quo der jungen Fotografie widerspiegeln.
Der Katalog zu gute aussichten – junge deutsche fotografie erscheint Anfang Dezember 2018 (Deutsch/Englisch). Er stellt die neun Preisträger und ihre Arbeiten ausführlich in Wort und Bild vor, wurde Herausgegeben von Stefan Becht & Josefine Raab ist der Katalog ab Anfang Dezember 2018 in allen Ausstellungshäusern, jeder Buchhandlung oder direkt über gute aussichte info@guteaussichten.org erhältlich. Preis 20,- Euro.
Nach der Auftaktausstellung führt der Ausstellungszyklus von gute aussichten 2018/2019 nach: Koblenz, Hamburg, Mexico City, ….