Hitlers Elitetruppe? Mythos Fallschirmjäger
Fallschirmjäger beim „Sprung in die Festung Holland“ im Mai 1940
© Bayerische Staatsbibliothek München / Bildarchiv
Um die Dauer des Sprunges zu verkürzen, wurden die Fallschirmjäger aus sehr niedriger Höhe abgesetzt.
Am Boden angekommen, mussten sie sich schnellstmöglich vom Schirm lösen, um nicht vom Wind erfasst und über den Boden geschleift oder vom gegnerischen Feuer getötet zu werden.
81 Jahre nach der deutschen Landung auf Kreta 1941 (Unternehmen „Merkur“) zeigt die Bibliothek der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg eine Sonderausstellung „Hitlers Elitetruppe? Mythos Fallschirmjäger“.
Fallschirmschützenabzeichen von Siegfried Jamrowski (1917-2012), Deutsches Reich, 1940,
MHM, BBAT9699 © MHM/David Brandt
Jamrowski diente von 1940 bis 1945 im Fallschirmjägerregiment 3. Dieses Abzeichen erhielt er 1940 nach bestandenem Fallschirmschützenlehrgang. Göring hatte es 1936 gestiftet. An der Eroberung Kretas 1941 hatte Jamrowski wegen einer Knieverletzung nicht teilgenommen. Für seinen Einsatz in Cassino
im März 1944 wurde er mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet.
Um die Fallschirmtruppe der Wehrmacht ranken sich zahlreiche Legenden. Sie gilt gemeinhin als kampfkräftige Elite, die sich beim Angriff auf Kreta 1941 und bei der Verteidigung von Monte Cassino 1944 gegen eine personelle und materielle Übermacht durchzusetzen verstand. Das Trauma der hohen Verluste auf Kreta wurde verdrängt, die Niederlage bei Cassino als Abwehrsieg inszeniert. Heldentum und der Nimbus, unbesiegbar zu sein, sind nach wie vor Teil der Erzählung über die Fallschirmjäger der Wehrmacht.
Kriegsberichterstatter der Fallschirmtruppe begleiten den gesamten Luftlandeangriff:
ein Kameramann auf dem Sozius eines Beiwagenkrades. Kreta, Mai 1941
© MHM, ABAB7903
Die damaligen Kriegsberichterstatter trugen mit einer Vielzahl an Text-, Bild- und Filmberichten wesentlich dazu bei, das Image der Fallschirmjäger als „Elitetruppe“ aufzubauen und zu pflegen.
Fallschirmjäger beim Gefechtssprung, Bundesrepublik Deutschland, undatiert, MHM, BAAG3004
© MHM/Andrea Ulke
Das im heroisierenden Stil gehaltene Ölgemälde ist vermutlich bereits in den Aufbaujahren
der Bundeswehr entstanden. Das Motiv ist eng an eine alte Propagandapostkarte angelehnt. Uniformen und Helme sehen denen der Fallschirmjäger der Wehrmacht sehr ähnlich und die Flugzeugsilhouetten erinnern
stark an die Junkers Ju 52. Auch die Wehrmacht verwendete weiße Fallschirme.
Typisches Motiv der NS-Bildpropaganda – Ein Fallschirmspringer an der Kabinentür einer Ju 52
© MHM, BBAX8027
Motive wie dieses verdeutlichen Grundprinzipien der NS-Bildpropaganda in der Darstellung der Fallschirmjäger: Untersicht und entschlossener Gesichtsausdruck lassen den Springer besonders wagemutig, unerschrocken und kampfbereit erscheinen.
Die nationalsozialistische Propaganda entwarf das heute noch vorherrschende Bild von einer unüberwindlichen Fronttruppe. Nach 1945 wurden die von Fallschirmjägern begangenen Kriegsverbrechen, aber auch die enge Verzahnung mit Partei und Staatsführung heruntergespielt und verdrängt. Die Ausstellung nimmt auf der Basis neuer Quellen sowie bislang unveröffentlichter Fotos eine Neubewertung vor und hilft nachzuvollziehen, wie es zu einem derart nachhaltigen Mythos kommen konnte.
Oberstleutnant Erich Walther mit hochdekorierten Fliegeroffizieren vor Hitler. Berchtesgaden, März 1944.
© Walter-Frentz-Collection
Oberstleutnant Erich Walther (3. von links) mit hochdekorierten Fliegeroffizieren vor Hitler
(mit dem Rücken zur Kamera). Die Fallschirmjäger zählten wie die Jagdflieger- und U-Boot-Asse zu den besonders stark herausgestellten Helden des „Dritten Reiches“.
In Reenactment-Kreisen, die auch Szenen und Schlachten aus dem
Zweiten Weltkrieg nachspielen. Tschechien, 2020.
© Kurt Prinz
Bei diesen speziellen Gruppen nimmt die Fallschirmtruppe der Wehrmacht einen hohen Stellenwert ein. Allenfalls die Waffen-SS ist bei den Hobbydarstellern noch beliebter
Den Kern der Schau bilden 22 Plakate, die in vier Bereichen den Aufbau, die Schlachten um Kreta und Cassino sowie die Nachwirkungen vermitteln. Jeder Bereich widmet sich zudem beispielhaft einem in der NS-Propaganda auf besondere Weise „Inszenierten Helden“.
Kinderwiege Fallschirmjägerregiment 3, Deutsches Reich, 1942, MHM, BBAX8000
© Fa. Helmut Weitze, Hamburg
Die Wiege wurde im Auftrag von Oberst Richard Heidrich, seinerzeit Kommandeur des Fallschirmjägerregiments 3, angefertigt. Auf der Stirnseite verziert mit dem Fallschirmschützenabzeichen und der Zeile „Rot scheint die Sonne“ aus dem „Lied der Fallschirmjäger“, sollte sie den Korpsgeist
der Truppe zum Ausdruck bringen. Auf der entgegengesetzten Seite versinnbildlicht ein Zitat Hitlers
(„Das Kind ist das kostbarste Gut eines Volkes.“) die enge Verzahnung des „Fallschirmjägergeistes“
mit der nationalsozialistischen Ideologie
Thematisch begleitet wird diese Sonderausstellung mit einer Präsentation von Exponaten aus dem eigenen Bibliotheksbestand. Ausgewählte Literatur zur Geschichte der Fallschirmjägertruppe wird den Besucherinnen und Besuchern in Vitrinen dargeboten und ergänzt die Informationstafeln. Weitere Exkursvitrinen und eine Leseecke mit Literatur zur Vertiefung einzelner Themenaspekte runden die Ausstellung ab.
Universitätsbibliothek
Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg
Holstenhofweg 85, Hamburg